Sommersemester 2008

Anträge und Resolutionen

Inhalt:

borchert-platz Wolfgang-Bochert-Platz
Plädoyer für eine triftige und richtungsweisende Namensgebung

Jakobinersperling

Wolfgang-Bochert-Platz
Plädoyer für eine triftige und richtungsweisende Namensgebung

Liebe Interessierte –

Der Platz an der Kümmelstraße in Eppendorf, gelegen vor dem ehemaligen „Karstadt“-Gebäude, soll einen Namen bekommen.

Dies ist eine Rede für die Benennung nach Wolfgang Borchert. Er wirkte als ein engagierter Pazifist und bewegender Schriftsteller.

Wolfgang Borchert war eindeutig ein Kind dieser Stadt. Er nannte Hamburg :„Das ist unser Wille, zu sein“.

Aus einer temperamentvollen Lust am Leben, die ihm leider nur sehr kurze Zeit vergönnt war, und der Freude an Hafen, Welt, Literatur und – nicht zuletzt – den Mitmenschen erwuchs ihm eine sehr persönliche Ablehnung gegen Krieg, Tod, Kommando und Gewalt, welche er am eigenen Leibe blau, kalt und bleiern erfahren hatte.

„Denn wir sind Neinsager. Aber wir sagen nicht nein aus Verzweiflung. Unser Nein ist Protest. Und wir haben keine Ruhe beim Küssen, wir Nihilisten. Denn wir müssen in das Nichts hinein wieder ein Ja bauen.“

So heißt es kritisch und perspektivreich in „Das ist unser Manifest“.

Die widerständige Überwindung von Elend und Krieg – stark auch das Nicht-Vergessen, das Nicht-Verdrängen – waren sein lyrisch, dramatisch und prosaisch sehr engagiert gestaltetes Credo für eine zivile, humane und demokratische, ja, eine letztlich lachende Welt anteilnehmender Mitmenschlichkeit. (Wer mag sich nicht ohne Freude und ein wenig Rührung an die verdrückte Träne des Onkels am Ende der „Schischyphusch“-Geschichte erinnern!?) Das nicht zu leugnende Elend sei nicht unüberwindlich.

Lassen wir den Autor noch einmal zu Wort kommen:

„Und alle Lokomotiven fahren nach der neuen Stadt. Und die neue Stadt, das ist die Stadt, in der die weisen Männer, die Lehrer und die Minister, nicht lügen, in der die Dichter sich von nichts anderem verführen lassen, als von der Vernunft ihres Herzens, das ist die Stadt, in der die Mütter nicht sterben und die Mädchen keine Syphilis haben, die Stadt, in der es keine Werkstätten für Prothesen und keine Rollstühle gibt, das ist die Stadt, in der der Regen Regen genannt wird und die Sonne Sonne, die Stadt, in der es keine Keller gibt, in denen blaßgesichtige Kinder nachts von Ratten angefressen werden, und in der es keine Dachböden gibt, in denen sich die Väter erhängen, weil die Frauen kein Brot auf den Tisch stellen können, das ist die Stadt, in der die Jünglinge nicht blind und nicht einarmig sind und in der es keine Generäle gibt, das ist die neue, die großartige Stadt, in der sich alle hören und sehn und in der alle verstehn: mon coeur, the night, your heart, the day, der Tag, die Nacht, das Herz.“

Diesem Auftrag möge man folgen. Der zu benennde Platz soll Wolfgang-Borchert-Platz heißen.

Biographische Daten:
1921
Geburt in Hamburg am 20. Mai
1938
Veröffentlichung erster Gedichte im „Hamburger Anzeiger“, Verlassen der Oberrealschule in Hamburg Eppendorf nach der Obersekunda.
1939
Lehrling in der Buchhandlung Heinrich Boysen und privater Schauspielunterricht bei Helmuth Gmelin.
1940
Verhaftung und Verhör durch die Gestapo wegen unerwünschter Gedichte; Absolvierung der Schauspielprüfung. Einzug zur Armee als Panzergrenadier anschließender Einsatz an der Front bei Kalinin.
1942-1944
Mehrere Verhaftungen, „Gerichtsverhandlungen“ und Verurteilungen zu Gefängnisstrafen wegen vermeintlicher Selbstverletzung, kabarettistischer Auftritte und politischer Witze (aufgrund von Denunziation verhaftet), die dann immer wieder in sogenannte Feindbewährung umgewandelt werden. Infolge des Kriegseinsatzes erste Anfälle von Gelbsucht.
1945
Nach einer Flucht von einem französischen Transport Kriegsgefangener wandert der Schwerkranke 600 Kilometer nach Hamburg, wo er am 10. Mai ankommt. Hier beteiligt er sich am Kabarett „Jamaaten im Hafen“, begründet das Theater „Die Komödie“ mit und ist Regieassistent bei einer Auführung von Lessings „Nathan der Weise“ im Hamburger Schauspielhaus. Ab Ende des Jahres ist Wolfgang Borchert aber leider bis zu seinem Tode durch seine Krankheit fast vollständig ans Bett gebunden.
1946
Es entstehen unter schwierigen Bedingungen die Erzählung die „Hundeblume“ sowie in emsiger Folge 24 Prosastücke; der Gedichtband „Laterne, Nacht und Sterne“ (Lyrik von 1940-1945) wird veröffentlicht.
1947
Innerhalb von nur acht Tagen im Januar entsteht das Schauspiel „Draußen vor der Tür“, daß im Februar als Hörspiel gesendet und sehr bewegt von der Hörerschaft aufgenommen wird. Der Prosaband „Die Hundeblume“ wird im April veröffentlicht.22 weitere Geschichten entstehen bis zum September. Wolfgang Borchert reist durch Hilfe von Freunden in ein Baseler Hospital. Hier schreibt er im Oktober sein legendäres Manifest gegen den Krieg „Dann gibt es nur eins!“.
Am 20. November stirbt Wolfgang Borchert an den Folgen seiner Krankheit.
Am 21. November wird sein Drama „Draußen vor der Tür“ in den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt.
Ein intensiver Mensch und Autor hat Großes hinterlassen.
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Jakobinersperling