Sommersemester 2015

Flugblätter

Semesteranfangszeitung Sommersemester 2015

Mal ganz ehrlich
oder
Kritische Einsicht währt am längsten

„Ehrlichkeit steht in Umfragen auf der Liste der Erziehungsziele ganz weit oben. Getoppt wird sie nur von Höflichkeit. Ganz unten steht hingegen Religion. Nur jeder Fünfte will seine Kinder zum Glauben erziehen. Aber mehr als vier Fünftel der Eltern möchten, dass ihre Kinder ehrliche Menschen werden. Das ist sicher achtenswert. Aber ist das auch eine gute Idee? Nützt es Kindern, in einer Gesellschaft, in der häufig jeder seinen eigenen Vorteil sucht, ehrlich zu sein? Schadet es ihnen nicht bisweilen sogar? Wer ganz und gar ehrlich ist, hat es schwer im Leben. Zum einen ist er leicht durchschaubar. Zum anderen gehen Ehrlichkeit und Höflichkeit selten Hand in Hand. (...) Den größten Anteil machen übrigens hinterzogene Steuern [2013: 13 Milliarden Euro] auf Kapitalerträge aus. (...) Reiche sind nicht ehrlicher als Arme, nicht einmal, wenn es um ein Busticket geht.“

Uta Rasche, „Unehrlich“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 5.4. ́15, S. 10.

 

„Deutschland ist ein reiches Land; trotzdem gibt es immer mehr Armut. Man sieht sie nicht, wenn man sie nicht sehen will. Schon vor Jahren hat ein Industriefunktionär am Rande einer Spendengala für Opfer einer Naturkatastrophe räsoniert, er könne angesichts des Elends anderswo das Gejammer über Armut hierzulande nicht mehr hören.“

Heribert Prantl, „Wer in Deutschland arm ist“, Kommentar, „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“), 3.4. ́15.

Schöne heile Welt? Geht uns das Elend gar nichts an?

Armut und Reichtum stehen in einer engen Verbindung – sie bedingen einander.

In einer Gesellschaft, in der die Vorteilsnahme (strukturell) dominiert, nützt die Unwahrheit am meisten denjenigen, die durch Manipulation den größten Vorteil haben (z.B. Steuerhinterziehung und frisierte Bilanzen). Von allen anderen andauernd Ehrlichkeit und Genügsamkeit zu verlangen, wenn man selber die Unwahrheit praktiziert, hat in diesem Zusammenhang eine besondere Pikanterie. Die Wahrheit über die Ungenügenheit sozialer und kultureller Verhältnisse nützt dagegen am meisten denjenigen, die in der Gesellschaft benachteiligt sind – und das sind nicht wenige.

Tatsächlich eingenommene Steuern können für die allgemeine Infrastruktur (Verkehrswege und Erholungsgebiete) sowie für Kindergärten, Schulen, Hochschulen, die Weiterbildung und Bücherhallen, für Theater, Museen, Konzerthäuser, Kunsthallen und Sportstätten sowie für Krankenhäuser, den Rettungsdienst und die Feuerwehr eingesetzt werden. Bedarfsgerechte Löhne sind nicht nur ein würdiges Einkommen, sondern auch ökonomische Nachfrage, Steuern und Sozialbeiträge. Der Druck auf die Beschäftigten läßt nach. Die erweiterte Mitbestimmung in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen verbessert die Arbeitsbedingungen bzw. das Angebot der betreffenden Betriebe und erhöht die kooperativ produktive Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Auf diese Weise bekommt auch das Sagen der Wahrheit seinen besonderen und allgemeinen, d.h. auch: wirksamen, Sinn. Zum Bestehenden gibt es immer eine Alternative, sie ist sogar im Bestehenden angelegt. Dem immensen gesellschaftlichen Reichtum in Händen Weniger steht die relative Armut der öffentlichen Einrichtungen sowie der Mehrheit der Bevölkerung gegenüber.

Dieses Verhältnis zugunsten von Sozial-, Bildungs- und Kulturstaat, auch zugunsten der Schaffung von sinnvoller Arbeit und der arbeitenden Menschen zu verbessern, ist nicht nur ein Gebot der Menschenwürde, sondern auch ökonomisch vernünftig. Das ist der Weg aus der gegenwärtigen Krise. Insofern: Der Wahrheit die Ehre!

„Armutsberichte stellen die Glaubwürdigkeit der Erfolgsmeldungen infrage – schwarze Null, sinkende Arbeitslosigkeit, hohes Steueraufkommen; alles ist ja, angeblich, gut wie schon lange nicht mehr. Aber: Armut hört nicht auf, nur weil die Politik ihrer überdrüssig ist und weil sie einem nicht mehr in den Kram passt.“

Heribert Prantl, a.a.O.

Aufbruch:
Ein Reformprogramm für die weitere Hochschulentwicklung

„Wissenschaftssenatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt: ‚Die Lehre an den Hochschulen ist durch den Bologna-Prozess einem tiefgreifenden Wandel unterzogen. Innovative Methoden des Lehrens und Lernens sind umso mehr gefragt. Das Förderprogramm der Claussen-Simon-Stiftung erfüllt daher einen wichtigen Zweck.' Ab 1. April 2015 können die Studierenden auf der Website www.unserenhochschulen.de diejenigen ihrer Professorinnen und Professoren empfehlen, die ihre Veranstaltungen nach eigenem Empfinden besonders vorbildlich gestalten.“

Presseerklärung der Behörde für Wissenschaft und Forschung, 1. April 2015.

 

„Das ist so unendlich unfruchtbar, zu glauben, man könne die negative Tätigkeit des Niederreißens entbehren, wenn man aufbauen will.“

Kurt Tucholsky, „Wir Negativen“, 1919.

Der Bologna-Prozess ist in der Sackgasse. Die Grundabsicht, durch Konkurrenz, Kontrolle und Kasteiung Studium und Lehre auf die Ausbildung zur Verwertungstauglichkeit zu trimmen, ist eine degradierende Verdinglichung lebendiger, denkender und kultivierter Persönlichkeiten. Dieser strukturelle und inhaltliche Fehler lässt sich gewiss nicht durch „innovative Methoden“ einzelner Lehrender beheben, schon gar nicht im gegenseitigen Wettbewerb. Eine vernünftige Wissenschaft für kritischen Erkenntnisgewinn und die Bildung verantwortungsvoller Subjekte beinhaltet notwendig den Bruch mit dem „Humankapital“-Paradigma.

Derweil die „Claussen-Simon-Stiftung“ als politische Lobby-Einrichtung der Beiersdorf AG zusammen mit der Behörde den gescheiterten marktkonformen Bachelor/Master-Drill retten will, sind die Hochschulen und ihre Mitglieder schon längst dabei, die menschenwürdige Alternative zu entwickeln und zu unternehmen. Dazu gehören der Prozess der gesamtuniversitären Studienreform (dies academici), die Stellungnahmen zur demokratischen Überarbeitung des Hochschulgesetzes und die dezidierten Manifeste gegen die Unterfinanzierung.

Es geht um die Re-Kultivierung des Studiums und die Demokratisierung der Hochschulen zur Bildung mündiger Subjekte bzw. zur Entwicklung gesellschaftlich verantwortungsvoller Wissenschaften: für Frieden, internationale Solidarität, gesellschaftliche Partizipation, Gesundheit, Bildung und Kultur.

Eckpunkte für ein Reformprogramm mit dieser Ausrichtung sind:

– Ein wissenschaftliches Vollstudium für Alle als Regelfall und die soziale Öffnung des Hochschulzugangs statt der Konkurrenz durch die Bachelor/Master-Hürde und knapp gehaltene Studienplätze;

– Solidarisches Lernen und gleichberechtigte Lehr-Lern-Prozesse im exemplarischen kritischen Gesellschaftsbezug statt gängelnde Regularien (Fristen, Module), Kontrolle (Noten, Anwesenheit, Dauerprüfungen) und Strafen (Zwangs-Exmatrikulationen);

– Demokratische Partizipation auf allen Ebenen der Wissenschaft für ihre gemeinsame problemlösungsorientierte Entwicklung statt hierarchisches Management und Hochschulrat;

– Die bedarfsdeckende Finanzierung der Hochschulen einschließlich der Behebung bisheriger Unterfinanzierung, der erforderlichen Mittel für die oben genannten Reformen und einer Progression der Grundfinanzierung mindestens auf dem Niveau der Tarif- und Preisentwicklung statt „Schuldenbremse“ und Abhängigkeit von Drittmittelgebern.

Also: Die Mitglieder der Hochschulen sollen gruppenübergreifend ohne finanzielle Bedrängung in gemeinsam demokratisch entwickelter Weise und Wirkungsabsicht durch solidarische Forschungs- und Lernprozesse zur menschenwürdigen Gestaltung der Gesellschaft beitragen und sich zu souveränen Subjekten bilden können.

Diese erfreuliche Zukunft lohnt, in der Universität weiter betrieben und gegenüber Senat und Behörde mit unduldsamen Nachdruck erstritten zu werden.

Aussicht
Die Weisheit nützet allen dann,
Wenn jeder sie erwerben kann!

„Atom-Gespräche“
Erfolg der Diplomatie und klares Signal für Abrüstung

„Ein Abkommen mit Iran könnte die Atombombe verhindern. Politisch wäre es kein Neuanfang.“

Nikolas Busse, „Zwiespältiger Handel“, FAZ, 4.4.'15

In der bürgerlichen Presse mag man sich nicht festlegen, ob es ein weitreichender politischer Fortschritt ist, „die Atombombe zu verhindern“, oder ob doch alles beim Alten bleibt.

Es ist eindeutig ein Fortschritt: Um eine Lösung für den von Bush und Ahmadinedschad eskalierten „Atomstreit“ zu finden, wurde 2006 eine Arbeitsgruppe von sieben Staaten (die fünf ständigen Mitglieder des UNSicherheitsrates plus Möchtegernmitglied Bundesrepublik sowie der Iran) von der UNO eingesetzt. Seitdem ist mal mehr mal weniger diplomatischer, politischer und wissenschaftlicher Aufwand investiert worden und nun ist endlich nach 15 Monaten intensiver Verhandlungen von Außenministern, Stellvertretern und zahlreichen Fachmenschen ein Kompromiß gefunden worden, der asymmetrisch und dennoch zukunftsweisend ist.

Damit verpflichtet sich der Iran, die Zahl seiner Zentrifugen zur Urananreicherung innerhalb der kommenden zehn Jahre um rund zwei Drittel zu verringern, für 15 Jahre Uran nur noch auf 3,67 Prozent anzureichern (für Kernwaffen sind mindestens 85 Prozent erforderlich), keine neuen Anreicherungsanlagen zu bauen und kein waffenfähiges Plutonium zu erzeugen. Alle Atomanlagen sollen für 25 Jahre scharfen Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unterliegen.

Die Nutzung der Atomenergie zu zivilen Zwecken wird dem Iran – wie allen anderen Ländern – dabei zugestanden, wenn auch stark eingeschränkt. (By the way: Langfristig muß die ganze Kernenergie überall zugunsten regenerativer Energien überwunden werden.)

Im Gegenzug sollen, wenn die Auflagen eingehalten werden, die vom „Westen“ auferlegten Sanktionen aufgehoben werden. Das ist zu begrüßen, da Sanktionen immer eskalierend wirken und nicht vor allem die Regierung oder etwa nur die Ölindustrie trifft, sondern die ganze Bevölkerung und am meisten die Ärmsten. Das (Wieder-)beleben der ökonomischen Entwicklung und des internationalen Handels ist außerdem wirksame Antikrisenpolitik.

Mit dem Abkommen sind nicht nur alle Wege zur Herstellung einer Atombombe blockiert, sondern vor allem ein Zeichen der Annäherung zwischen vehementen politischen Kontrahenten gesetzt. Es zeigt, daß (nur!) Verhandlungen, Dialog und Interessenausgleich zum Ziel führen und daß es sich lohnt, sich dafür einzusetzen. In der aktuellen aufgeheizten Lage ist zu hoffen und dafür zu wirken, daß die Vereinbarung zur Deeskalation im gesamten Nahen Osten beiträgt und Ausgangspunkt für weitere Abrüstungsschritte wird. Das hat die Friedensbewegung seit langem gefordert.

Dagegen toben die Hardliner in Israel und den USA: Netanjahu behauptet, das Abkommen würde „das Überleben Israels gefährden“ und warnt vor „schrecklichen Kriegen“. Die Verhinderung von Atomwaffen gefährdet die Nachbarstaaten?! Da geraten offenkundig Feindbilder abhanden und damit die Legitimation für die eigene aggressive Politik. Die Republikaner im US-Kongreß versuchen das Abkommen gesetzlich zu verhindern und werfen der Obama-Regierung „Appeasement“ vor. Auch hier ist durchschaubar, daß dahinter handfeste Interessen einer mächtigen Atomlobby stehen, die nicht gerne abgerüstet werden will.

Von großer Bedeutung ist, daß die internationalen Beziehungen zurück auf Völkerrecht und verbindliche Verträge gebracht werden. Grundlage für das Atomabkommen ist der Atomwaffensperrvertrag von 1970, der neben der Nichtverbreitung von Atomwaffen und dem Recht auf friedliche Nutzung von Kernenergie die „allgemeine und vollständige Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“ in den Mittelpunkt stellt. Der nächste Schritt muß sein, daß die Atommächte damit anfangen, ihre eigenen Massenarsenale zu vernichten und so Bedingungen für internationale Entspannung und Zusammenarbeit geschaffen werden. Das wäre ein echter Neuanfang, für die die Friedensbewegung, die Friedenswissenschaft und die kritische Weltöffentlichkeit eine herausragende Verantwortung haben.

Bücher

„Wenn der Mensch
von den Umständen
gebildet wird, so muß
man die Umstände
menschlich bilden.“

Karl Marx/Friedrich Engels,
„Die heilige Familie“
1844/45, MEW 2, S.138.

Anders ist besser
Über die Richtung begründeter Non-Konformität

„Völlig unterschiedliche Unternehmen, aber alle reden gleich. Wichtiger als alles andere ist es hier, den Stereotypen zu entsprechen. Wenn irgendetwas dann nicht in dieses Mind-set passt, interessiert es nicht. Darum schläft ein Manager, wenn er mit seiner Frau in den Kammerspielen sitzt, weil sie ihn dazu gezwungen hat, fast ein. Das, was auf der Bühne passiert, hat eben mit der Welt, auf die er eingenordet ist, nichts zu tun. Ein Begriff, der diesen Konformitätszwang exemplarisch symbolisiert, ist die sogenannte Corporate Identity. Sie soll die Identität eines Unternehmens definieren, auf die die Mitarbeiter eingeschworen werden sollen.“

W. D. Enkelmann (Wirtschaftsphilosoph), Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“), 12.11.’14.

 

„Große Leute fehlen auch, und manche darunter so oft, daß man fast in Versuchung gerät, sie für kleine zu halten.“ (345)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft C, 1772-1773.

Das „Bündnis gegen Rotstift“ fordert entgegen dem Kürzungsdiktat der „Schuldenbremse“ eine bedarfsgerechte Finanzierung der öffentlichen Bereiche Bildung, Soziales, Kultur und Gesundheit.

Die Angemessenheit dieser gemeinsamen Forderung bekommt aktuell neue Nahrung, wenn Großunternehmen ihre Gewinne kleinrechnen und am Fiskus vorbei nach Luxemburg schleusen.

Positiv begründet steht die Forderung nach bedarfsgerechter öffentlicher Finanzierung der genanten Bereiche im Zusammenhang mit der kultivierten Entwicklung der Einrichtungen und der Gesellschaft. Dafür wird Kritik geäußert und dem TINA-Prinzip („There is no Alternative“) widerstanden. Das ist der tiefere konkrete Sinn der Non-Konformität bzw. der aufgeklärten Änderung des Alltags. Wir verlassen die Enge. Solidarität ist Inhalt und Motor gemeinsamer sozialer Erweiterung.

So kooperieren wir mit anderen fortschrittlichen Gruppierungen in den Gremien der studentischen Interessenvertretung, in der Akademischen Selbstverwaltung und in außerparlamentarischen Bewegungen: in Fachschaftsräten, in der Fachschaftsrätekonferenz, im Studierendenparlament, im Akademischen Senat, in Fakultätsräten, in der Friedensbewegung, in Bündnissen gegen Neofaschismus, in Aktivitäten gegen Sozialabbau. Wir sind bundesweit als Gründungsmitglied im Hochschulgruppenverband Die Linke.SDS organisiert.

Dieses Engagement ist uns alltägliche und sehr menschliche Angelegenheit. Allseitige Emanzipation als erstes Bedürfnis. Dem sollte sich auf Dauer niemand entziehen.

„Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“

Bertolt Brecht, „Lob der Dialektik“, 1934.

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Erfolg?
Ein Bild des Jammers
Es geht aber auch anders

„Oliver Samwer ist der Gründer des Online-Händlers Zalando und der Internetschmiede Rocket. Er ist Milliardär, hat mindestens zwei Villen, eine Frau, drei Kinder. Er taugt für das ganz große Versprechen: mein Haus, mein Auto, meine Yacht. Mitarbeitern, Wettbewerbern, Geschäftspartnern gegenüber tritt Samwer allerdings bekennenderweise rabiat auf.
(...) Erfolg ist der eigentliche Zweck des Daseins geworden, der nun einmal erhebliche Anstrengungen verlangt. (...) Die Menschen stehen unter Druck und fühlen sich dazu gezwungen, sich permanent und in jeder Hinsicht zu verbessern.
Der Kapitalismus verlangt, das Beste aus sich herauszuholen. (...) Das Spiel muss zwangsläufig immer wilder werden.“

Inge Kloepfer, „Unter Erfolgsdruck“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 19.4. ́15, S. 20.

 

„Die Lohnarbeit beruht ausschließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich.“

Karl Marx/Friedrich Engels, „Manifest der kommunistischen Partei“, 1848.

Das menschliche Dasein ist nicht natürlich konkurrenzhaft.

Solidarität als aufgeklärte gemeinsame Handlungsweise bekommt zunehmende Bedeutung: Für die Beendigung von Kriegen, die strikte Einschränkung von Rüstungsexporten, die zivile Konfliktregulierung, die Konversion der Rüstungsproduktion, die rein friedensorientierte Bildung und Ausbildung; für die angemessene Besteuerung der Vermögenden und Reichen zum bedarfsgerechten Ausbau der öffentlichen Einrichtungen (Bildung, Kultur, Soziales, Gesundheit, Verkehr); für angemessene Löhne und Mitbestimmung, die Reduzierung der Erwerbslosigkeit; für die Hochschulreform, -finanzierung und -demokratisierung, den verantwortlichen Gesellschaftsbezug der Wissenschaften – in Stadt und Land sowie international.

Der neue Erfolgsdruck ist hingegen die Steigerung der Konkurrenz, egal, ob Sinnvolles dabei herauskommt. Die Folgen sind die Welt, wie wir sie als dringend veränderungswürdig erkennen können. Zudem hinterläßt dieses immer wilder werdende Spiel nicht nur militärische Zerstörung und soziales Elend, sondern auch psychische Verwüstungen, mentale Leere und eine depressive Gestimmtheit.

Die beste Therapie besteht demnach darin, der eigenen Diagnose zu trauen, davon auszugehen, daß diese von anderen geteilt wird, sich darüber gründlicher als je zu verständigen und Aktivitäten zu unternehmen, die gegen die Übel gerichtet sind bzw. auf eine Verbesserung der Einstellungen, Handlungsweisen und Umstände zielen. Es reicht immer weniger aus, sich auf das „gute Regieren“ zu verlassen, das wesentlich die Verwaltung und Fortsetzung der Mißstände bedeutet.

Dafür ist es sinnvoll, das Hamsterrad zu verlassen, die Anderen als Gleiche zu erkennen und damit die eigenen Möglichkeiten zu potenzieren. Der berechtigte Unmut wohnt Vielem und Vielen inne. Daraus läßt sich immer etwas machen. Jeder Versuch führt weiter. Von der Mehrheit für die Mehrheit.

„Wir haben die Lande gemessen, die Naturkräfte gewogen, die Mittel der Industrie berechnet. Und siehe, wir haben ausgefunden: daß diese Erde groß genug ist; daß sie jedem hinlänglich Raum bietet, die Hütte seines Glückes darauf zu bauen; daß diese Erde uns alle anständig ernähren kann, wenn wir alle arbeiten und nicht einer auf Kosten des anderen leben will; und daß wir nicht nötig haben, die größere und ärmere Klasse an den Himmel zu verweisen.“

Heinrich Heine, „Die romantische Schule/Drittes Buch“, 1835.

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Befreiung
Der 8. Mai 1945 und seine aktuelle Bedeutung

„Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. (…) Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen. (…)
Wir gedenken heute in Trauer aller Toten des Krieges und der Gewaltherrschaft.
Wir gedenken insbesondere der sechs Millionen Juden, die in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden.
Wir gedenken aller Völker, die im Krieg gelitten haben, vor allem der unsäglich vielen Bürger der Sowjetunion und der Polen, die ihr Leben verloren haben.
Als Deutsche gedenken wir in Trauer der eigenen Landsleute, die als Soldaten, bei den Fliegerangriffen in der Heimat, in Gefangenschaft und bei der Vertreibung ums Leben gekommen sind. Wir gedenken der ermordeten Sinti und Roma, der getöteten Homosexuellen, der umgebrachten Geisteskranken, der Menschen, die um ihrer religiösen oder politischen Überzeugung willen sterben mußten. Wir gedenken der erschossenen Geiseln.
Wir denken an die Opfer des Widerstandes in allen von uns besetzten Staaten.
Als Deutsche ehren wir das Andenken der Opfer des deutschen Widerstandes, des bürgerlichen, des militärischen und glaubensbegründeten, des Widerstandes in der Arbeiterschaft und bei Gewerkschaften, des Widerstandes der Kommunisten.
Wir gedenken derer, die nicht aktiv Widerstand leisteten, aber eher den Tod hinnahmen, als ihr Gewissen zu beugen.“

Bundespräsident Richard v. Weizsäcker vor dem Deutschen Bundestag am 8. Mai 1985.

Das Gewissen nicht beugen, die Wahrheit anerkennen, die positive historische Zäsur wahrnehmen, aus der Geschichte lernen, aktuelle Konsequenzen ziehen, Geschichte also als die bewußte Realisierung eigener Handlungsmöglichkeiten: Mit der Rede von Bundespräsident Weizsäcker vor dem Bundestag am 8. Mai 1985 wurde offizielle Staatsposition, was Antifaschistinnen und Antifaschisten seit jeher vertreten haben – und was auch den geschichtlichen Tatsachen entspricht. Der 8. Mai 1945 – Tag der vollständigen Kapitulation der Nazi-Diktatur vor den Alliierten der Anti-Hitler-Koalition – gilt als Datum der Befreiung von Faschismus, Massenmord und Eroberungskrieg.

Er ist somit ebenso ein Datum des Neubeginns der sozialen, demokratischen und politischen internationalen Verhältnisse. Der Neubeginn war verbunden mit hohen Ansprüchen, die der großen Katastrophe entgegenstanden: Das „Nie Wieder!“ und das „Wehret den Anfängen!“ bedeutete auch, Deutschland zu entmilitarisieren, zu entnazifizieren, zu demokratisieren sowie soziale und wirtschaftliche Verhältnisse zu schaffen, die nicht nur eine Wiederholung von Diktatur und Krieg unmöglich machen, sondern auch bessere gesellschaftliche Lebensverhältnisse für alle Menschen schaffen sollten. Darüber hinaus stand auf der politischen Agenda, die internationalen Beziehungen friedlich zu gestalten.

Diese Ansprüche – zumal in ihrer ursprünglichen Reichweite – sind bis heute nicht verwirklicht.

Krieg, soziale Ungleichheit, begrenzte demokratische Partizipation, die Fortexistenz der NPD und brutale gesellschaftliche Vorurteile hemmen nach wie vor die zivile internationale Entwicklung.

Insofern sind heute alle Kräfte, Bereiche und Personen gefordert, die denen entsprechen, die seit jeher humane gesellschaftliche Ansprüche verfolgt haben, diese zu aktualisieren und sie in Wort und Tat umzusetzen.

Das gilt auch und nicht zuletzt für die (Subjekte der) Wissenschaften, die in neuer Weise ihren Beitrag zur Humanisierung der internationalen gesellschaftlichen Welt leisten sollten.

Die Zukunft beginnt jetzt.

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Schwur der Häftlinge von Buchenwald, 19. April 1945.

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Der Bachelor bleibt mangelhaft
Zur Notwendigkeit der weiteren Studienreform

„Es dauert nicht mehr lange, dann wird der Bachelor volljährig – aber behandelt wird er immer noch wie ein kleines Kind. Bald sechzehn Jahre nach dem Abschluss des Bologna-Prozesses, dieser Modernisierung der europäischen Studienlandschaft inklusive neuer Bachelor- und Master-Abschlüsse, bleiben viele Skeptiker unverändert in Angriffshaltung. Dabei waren die Verheißungen einst so verlockend: Der Student der Zukunft sollte schneller ans Ziel kommen, einen international verständlichen und vergleichbaren Abschluss in der Tasche haben, reichlich Auslandserfahrungen sammeln, seltener das Studium hinschmeißen und bestens geeignet für den Arbeitsmarkt sein. Inzwischen ist der Bachelor längst in der Wirklichkeit angekommen.“

Uwe Marx, „Bachelor in der Kritik“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 16.5.’15, S. 17.

„Wissenschaft ist keine Hüterin von Stabilität und Ordnung, sondern eine Revolutionärin, die kreative Unruhe stiftet. Sie missachtet Dogmen und verunsichert, ebenso wie innovative Kunst. (…)
Dazu braucht es Menschen mit neuen Ideen, die es wagen, überliefertes Wissen anzuzweifeln. Es braucht Menschen, die sehen, was jeder sieht, dabei aber denken, was noch niemand gedacht hat. (…) In dieser Welt des kurzfristigen Denkens ist es eine Hauptaufgabe unserer Universitäten, langfristig zu denken und langfristig zu forschen. Langfristige Grundlagenforschung bereitet den Boden für die technologischen und gesellschaftlichen Neuerungen von morgen.“

Gottfried Schatz, „Echte Bildung anstatt nur Wissensvermittlung“, „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“), 17.4.’15.

Mit dem Bachelor ist kein Frieden zu machen...

Nicht abgesehen davon, daß man mit ihm nicht regieren oder opponieren, nicht operieren bzw. heilen, nicht Recht sprechen, verteidigen oder neu schaffen kann, nicht philosophisch denken lernt, den Wert von Sprache, Literatur und Kultur nicht ausmessen kann, die Geschichte – auch der Natur und ihrer Wissenschaften – nicht kennenlernt; so bleibt zudem auch nach den bisherigen Korrekturen das Ba-Ma-System Mühsal, Last und Plage, ein strenges Regelwerk der Konkurrenz.

Die schon erreichten Änderungen sind zwar Erleichterungen (weniger Zwang, Entschleunigung, teilweise kritische Elemente), bedeuten aber noch keine verbesserte Rückkehr zu einem kooperativen, wissenschaftlichen und gesellschaftlich verantwortlichen Studium zur Bildung mündiger Menschen. Zu diesen Zwecken müssen alle Studiengänge in ihrem Zusammenhang der Universität fortgesetzt reformiert werden. Dabei ist auch zu klären, wie der Master ungehindert zum Regelabschluß wird, ohne daß die Studierendenzahlen gesenkt werden (hinreichende Finanzierung!).

Diesen und anderen Fragen soll sich der Dies Academicus am 2. Juni widmen.

Wie können wir Bologna sinnvoll verlassen? Was ist schon erreicht?

Wie arbeiten die Wissenschaften an den typisch-epochalen Problemen und tragen zu ihrer Lösung bei? Worin besteht eigentlich Nachhaltigkeit? Wie bilden sich in diesem Zusammenhang verantwortliche Persönlichkeiten? Gibt es Beispiele, an denen wir uns orientieren können?

Wer fragt, hat sich schon bewegt.

Dies Academicus 2015

Wissenschaft als Revolutionärin –
Nachhaltigkeit in Studium und Lehre

am Dienstag, 2. Juni 2015, von 10 bis 20 Uhr
im Hauptgebäude, ESA 1

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Kontrolliert? Frei? Solidarisch?
Ein Entwicklungspfad

„Das elektronische Halsband unserer Gegenwart dagegen ist die ‚Apple Watch‘, das Sehnsuchtsobjekt einer weltweiten Gemeinde von Kunden, die tagelang vor den Geschäften warten, um als Erste das herbeigesehnte Produkt umschnallen zu dürfen. Dieses Gerät misst unablässig die eigenen Körperfunktionen und den Aufenthaltsort, und wenn der Besitzer sich nicht genügend bewegt, mahnt es ihn zu einem gesünderen Lebenswandel. Ein elektronisches Band schärfster Überwachung also – aber kein Instrument der staatlichen Exekutive mehr, sondern ein umworbenes Statussymbol. Von der Disziplinarmacht des 18. und 19. über die Kontrollmacht des 20. scheint der Weg im 21. Jahrhundert also zu einer dritten Ausprägung zu führen, die man Internalisierungsmacht nennen könnte. (…) ‚Selbstbestimmung‘, hat der Soziologe Thomas Lemke geschrieben, ‚ist nicht von einer permanenten Problematisierung zu trennen.‘“

Andreas Bernard, „Kontrolliert“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 24.5.’15, S. 37.

 

„SPIEGEL: Aber man hat trotzdem eine Meinung, eine Haltung zu den Dingen.
Lagerfeld: Nein. Ich passe mich an, hemmungslos. Und rücksichtslos, was meine eigene Sentimentalität eventuell anbetrifft.“

Modedesigner Karl Lagerfeld im „SPIEGEL-Gespräch“, „SPIEGEL“ 23/2015, S. 112-117, hier S. 117

Schöne neue Welt: Scheinbar unbeirrt vertritt der emsige „Modezar“ – welch eine feudale Wendung! – das angekratzte Credo des Neoliberalismus: Egoismus, Eskapismus, Opportunismus, Geld und Gelt(ung).

Diese Fünf-Einigkeit ist in jüngerer Vergangenheit rasant in die Jahre gekommen: Die Welt ist nicht zum Besten bestellt – Krieg wird abgelehnt, Reiche sollen nicht jammern, sondern Steuern zahlen; Sozialleistungen sind keine Gnade, Arbeit braucht Bezahlung, Ausbildung, Sinn und Mitbestimmung; Kultur ist ein Lebensmittel für Alle; die Wissenschaften und die Bildung seien keine Dienerinnen des Marktes, sondern gesellschaftliche Orte der Aufklärung, Problemlösung respektive der Herausbildung mündiger Persönlichkeiten, die sich kooperativ begegnen und sozial verantwortlich handeln, bezogen auf inhaltliche Bedürfnisse, lernende Entwicklung, berufliche Orientierung und die Folgen gewonnener Erkenntnisse.

So ist auch die Hochschulreform beabsichtigt, die sich in diesem Sinne mit unverkennbarer Tendenz und nachhaltigen Schritten von der „Unternehmerischen Hochschule“ bzw. von dem gescheiterten „Bologna-System“ entfernt, Restriktionen löst, um in neu bestimmtem Gesellschaftsbezug das Allgemeinwohl (Frieden, soziale Gerechtigkeit, ökologische Entwicklung, demokratische Partizipation und kulturelle Emanzipation) zu verwirklichen.

Der Egoismus ist nicht die Wesensart des Menschen. Eskapismus landet in der Isolation. Opportunismus hat kurze Beine. Geld und Geltung nützen der Wall Street.

Und: Solidarität ist heilsam.

„Wollen wir es schnell erreichen
Brauchen wir noch dich und dich.
Wer im Stich läßt seinesgleichen
Läßt ja nur sich selbst im Stich.“

Bertolt Brecht, „Solidaritätslied“, Gedichte 1930-1934.

Gemeinsam ist das Selbst bedeutender.

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Frieden ist klug und vernünftig
Ein Plädoyer

„Artikel 5 des Nato-Vertrags sagt: ‚Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird.‘ Jetzt hat das Pew Research Center festgestellt, dass nur Kanadier und Amerikaner sich ihrer Bündnispflicht bewusst sind. Selbst in Großbritannien gibt es dafür keine Mehrheit. In Frankreich und Deutschland ist eine klare Mehrheit dagegen. (...)
Was würde Adolf Heusinger dazu sagen? Der erste Generalinspekteur der Bundeswehr hatte in den frühen Fünfzigerjahren die Order ausgegeben: ‚Wir müssen einen Soldaten entwickeln, der dem Russen gewachsen ist, und deswegen muss der zukünftige Soldat erstens geistig aus der Notwendigkeit der Aufgabe, vor die er gestellt ist, überzeugt sein. Er muss zweitens hart erzogen sein, um der Härte des Ostens entgegentreten zu können. Er muss verantwortungsbewusst sein, und dieses Verantwortungsbewusstsein muss aus der Entwicklung der freien Persönlichkeit herkommen. Und letzten Endes muss er gehorsam sein.‘
Das ist ja gründlich schiefgegangen. Zum Glück.“

Jakob Augstein, „Wie feige sind die Deutschen?“, „SPIEGELONLINE“, 11.6. ́15.

 

„Das Irritierende am bildungspolitischen Begabtendiskurs ist, dass man den Eindruck hat, als hinge das ökonomische Schicksal unseres Landes allein von außerordentlich Begabten ab. Aus Premium-Kindern sollen Höchstleister werden. Standortsicherer, die das Bruttosozialprodukt heben. Auch Nobelpreise sind hochwillkommen. Für kommerzielle Bildungsanbieter ist diese Verunsicherungsmaschinerie ein lukratives Geschäft.“

Melanie Mühl, „Premium-Kinder für den Standort D“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 11.6. ́15, S. 11.

Nach einer aktuellen Umfrage des Pew Research Centers in Washington befürworten lediglich 55 Prozent der befragten Bundesdeutschen die Mitgliedschaft in der Nato (2009: 73 Prozent); nur 29 Prozent machen Rußland für die Gewalt in der Ukraine verantwortlich, nur 38 Prozent meinen, Russland stelle eine Gefahr für andere osteuropäische Staaten dar; beachtliche 58 Prozent sprechen sich dagegen aus, einem Nato-Partner im Falle eines Angriffs zu Hilfe zu kommen.

Damit ist empirisch augenfällig, daß die Mehrheit der Bevölkerung Krieg ablehnt, zivilen Konfliktregulierungen zuneigt und sich wenig von der herben Anti-Rußland- Propaganda beeinflussen läßt. Der Lümmel macht den Kram nicht mit.

Das ist also eine weit verbreitete kluge und vernünftige Haltung.

Diese kollektive Ratio könnte demnach mehr und mehr in Politik, Bildung, Wissenschaft und Kunst Eingang finden bzw. in der Öffentlichkeit zum Ausdruck kommen, damit Frieden als internationale Praxis realisiert wird.

Stattdessen dominiert aber noch die Standortideologie, nach der ökonomische Interessen den Vorrang haben (sollen) vor dem friedlichen Zusammenleben der Völker, dem Sozial- staatsgebot, sinnvoller und ausreichend bezahlter Arbeit, Kultur und Bildung für Alle sowie der Entwicklung mündiger Persönlichkeiten.

Die Begabungsideologie ist direkt abgeleitet aus dem Standortdiktat. Die private Rendite geht über alles. Ihr sei zu dienen. Es soll suggeriert werden, daß Unterwerfung die Angst besiege. Klug und vernünftig ist das nicht.

Vielmehr ist zunehmend von Bedeutung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, dem Friedensanspruch Ausdruck zu verleihen und auch sonst sozial, kulturell und politisch anspruchsvoller zu werden. Wie wir sehen, sind wir damit nicht allein. So hat jeder Bedeutung.

Res publica

Staat und Haushalt sind vernünftig,
Wenn schon Heute und auch künftig,
Ein jeder was zu essen hat,
Auch alle Künstler werden satt,
Wenn Straßen, Wege, ja, Schulen
Frei von haxenbrechend Kuhlen,
Arbeit für Alle ist Plaisier,
Nicht Dankbarkeit, Müh ́ und Getier,
Zu dem man machen soll sich klein –
Schön bieder, brav und schnittig sein –,
Wenn Reiche flugs Steuern zahlen,
Alle schwarze Zahlen malen,
Volk sich erhebt zu neu ́n Ufern,
Selber denkt, statt fremden Rufern
Den Glauben schenkt und sich bewegt,
Wenn Mut, oh!, Widerspruch sich regt.
Wenn...

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„Jahre der schwarzen Null“
Ist dem wirklich so?
Eine Einwendung

„Merkels Art, das Land zu führen, wird als Rezept zum Erfolg imitiert und hat die Kultur narkotisiert – stets auf Konsens bedacht, nett und unverbindlich. Und hinter der freundlichen Benutzeroberfläche zählt dann doch nur eins: wie viel Geld verdient wird.“

Nils Minkmar, „Jahre der schwarzen Null“, „SPIEGEL“ Nr. 28/2015, S. 136-137, hier S. 136.

 

„Das deutsche Volk läßt sich nicht leicht bewegen; ist es aber einmal in irgendeine Bahn hineinbewegt, so wird es dieselbe mit beharrlichster Ausdauer bis ans Ende verfolgen. So zeigten wir uns in Angelegenheiten der Religion [Protestantismus]. So zeigten wir uns nun auch in der Philosophie [Aufklärung]. Werden wir uns konsequent weiter bewegen in der Politik [Emanzipation]?“

Heinrich Heine, „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“, Drittes Buch, 1835

Eigentlich ist die „schwarze Null“ ja Wolfgang Schäuble... Merkel hat ihren fiskalischen Zuchtmeister.

Richtig ist: Die CDU ist im Bundestag die stärkste Partei – was aktuelle Umfragen bestätigen –, stellt die Kanzlerin und dominiert den Koalitionspartner (SPD). Das wirkt in der Politik auch negativ kulturbildend.

Gleichwohl malt Nils Minkmar (s.o.) zu schwarz, wenn er lediglich die „Null“ betrachtet. Er läßt die Ziffern außer acht, die sich unter anderem aus den Streikaktivitäten bei Bahn, Post, Kitas, Piloten und der Charité bilden sowie die mentale Tatsache, daß die Mehrheit der Bevölkerung Kriegseinsätze der Bundeswehr ablehnt, die Waffenexporte kritisch sieht, den Sozialstaat befürwortet, öffentliches Eigentum (Daseinsvorsorge) schätzt und nicht ohne politisches Unbehagen die soziale Ungleichheit im Lande beurteilt.

Auch die Ablehnung gegenüber dem sogenannten Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa (TTIP) steigt, die Kritik an der Olympia-Bewerbung Hamburgs wächst und die Schlaglöcher der Stadt werden mit Mißmut quittiert.

Ebenso kommt die Reformierung der Ba-Ma-Studiengänge an den Hochschulen voran (siehe letzter „Dies Academicus“), die Re-Demokratisierung wird unternommen und die unzureichende Finanzierung der Hochschulen ist weiterhin kritisch thematisiert, ohne daß man sich gegen andere öffentliche Einrichtungen ausspielen läßt. Austerity (Enthaltsamkeit) ist nicht mehr à la mode.

Insofern ist der „Merkiavellismus“, d.h. die pragmatische Politik zur Fehlervermeidung zugunsten der privaten Wirtschaft, weitaus weniger Konsens, als es die Oberfläche bzw. die Regierungsmehrheit und die Wahlumfragen vermuten lassen.

Unzureichend ist allerdings noch, daß aus gereiften Überzeugungen auch zunehmend Taten werden, Aktivitäten besser koordiniert sind und daß daraufhin der Alltag stärker geändert wird.

Aber: Was nicht ist, kann ja noch werden, denn:

„Der Gedanke geht der Tat voraus wie der Blitz dem Donner.“

Heinrich Heine, a.a.O.

Das gilt übrigens auch schon für die Wahlen zu den Fakultätsräten.

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Ist Autonomie souverän?
Eine Unterscheidung

„Autonomie und Konformität gehören zueinander. In allen modernen Gesellschaften müssen Handlungen synchronisiert werden. Und wer einmal auf eine Weise gehandelt hat, wird es wieder tun, weil Menschen von ihren Gewohnheiten nicht abweichen wollen. Aber Konformität entlastet auch von Entscheidungszwängen. Wer anderen die Entscheidung darüber überlässt, wie er leben soll, muss sich den Zumutungen einer unübersichtlichen Welt nicht aussetzen. Man kann sich aus freiem Willen für das Leben in Unfreiheit entscheiden, und es kommt vor, dass Menschen es tun, weil ihnen Sicherheit lieber ist als Entscheidungsfreiheit. Was historisch erreicht worden ist, kann also jederzeit wieder verspielt werden.“

Jörg Barberowski, „Gegen den Strom ist es eben anstrengender“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 27.6. ́15, S. 12; Buchbesprechung von : Michael Pauen/Harald Welzer, „Autonomie. Eine Verteidigung. Frankfurt/M. 2015.

 

“Versprochen war: ein Europa der Bürger. In Wahrheit haben in der Krise die Institutionen, die am weitesten weg sind vom Wähler, die größte Macht, die Europäische Zentralbank, der Internationalen Währungsfonds, die Exekutive. Die Parlamente dagegen, die am stärksten legitimiert sind, werden genötigt, Brüsseler Entscheidungen in Eilverfahren abzustimmen.„

Dirk Kurbjuweit, „Nicht Europa, sondern Anti-Europa“ (Leitartikel), „SPIEGEL“ Nr. 27/2015, S. 8.

Immerhin macht die reflektierte Buchrezension in der „Zeitung für Deutschland“ (s.o.) deutlich, daß wer seine Entscheidungsfreiheit so mißversteht, sich mit dem Gang und Gäbe – Rendite, Krieg, Konkurrenz; Konsum, Ablenkung, Unbedeutenheit – zu „synchronisieren“, um scheinbar sicher zu sein bzw. mit festen Gewohnheiten nicht zu brechen, das schon Erreichte – Soziales, gesellschaftliche Regulierungen, Demokratie – gefährdet und also im Autonomiegefängnis hockt.

Denn pure Autonomie ist nicht souverän. Souveränität ergibt sich erst aus kritischem, solidarischem und kooperativem Handeln, das geschichtsbewußt eine Alternative zum Gegebenen ist und über den Tag hinausweist: Für Frieden, zivile internationale Entwicklung, sinnvolle Arbeit, soziale Sicherheit, Bildung und Kultur für Alle sowie für eine sinnvolle gesellschaftliche Perspektive, Fairneß im Alltag, bessere Gestimmtheit und angenehme Persönlichkeiten.

Das beweisen nicht nur die historischen sozialen und kulturellen Errungenschaften (z.B. Entspannungspolitik und Sozialstaat), sondern auch die politischen Kämpfe der Gegenwart, die sich gegen Kriege und Rüstungsexporte wenden sowie auf die Überwindung der Austerität gerichtet sind – also ein sinnvolles, friedliches und menschenwürdiges Leben beinhalten. Kriege sind höchst unsinnig, Reichtum für Alle ist vorhanden, Erfahrungen sind realisierbar, niemand ist allein. Diese souveräne Entscheidung ist Bestandteil positiver Entscheidungsfreiheit – sie gilt zu jeder Zeit.

Die Richtung ist relevant. Das beinhaltet schon der erste Schritt. Die Reise kann beginnen.

„Die Republik wird entweder anders sein als heute, oder sie wird nicht sein. Die Minimaltemperatur, bei der sie grade noch leben kann, ist erreicht.“

Kurt Tucholsky, „Die zufällige Republik“, 1922.

Wir sollten die Temperatur erhöhen. Bewegung ist dafür hilfreich.

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Triumph oder Häme?
Nein: Kritischer Realismus und Solidarität!

„Der Austeritäts-Rettungskurs von IWF und Berlin hat Griechenlands Krise verschärft. Von einem geglückten Mix aus Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen kann im Ernst nicht die Rede sein. Die Doktrin lautete, die Hyperverschuldung sei die einzige Krisenursache. Die beiden denkbaren Alternativen zur Sparpolitik wurden von Merkel, Schäuble plus SPD blockiert: Weder durfte das übrige Europa über Eurobonds diskutieren, noch war irgendeine Form der Umschuldung oder des Moratoriums erlaubt, schon gar nicht gab es eine Wachstumsstrategie.“

Günther Hofmann, „Der deutsche Weg“, „Freitag“, 2.7.’15, S.1.

 

„Linke Parteien glauben, dass der Staat Wirtschaft und Bürgern möglichst viel von ihren Erträgen wegbesteuern muss, um die allgemeine Wohlfahrt und die soziale Gerechtigkeit zu steigern. Das Ergebnis ist fast immer eine überbordende Bürokratie, die die Eigeninitiative von Bürgern wie Unternehmern lähmt, Wachstum und Wohlstand bedroht. In den siebziger Jahren wurden unter dem Motto ›Freiheit statt Sozialismus‹ Wahlkämpfe [z.B. Franz-Josef Strauss gegen Helmut Schmidt] geführt. Heute lautet die Alternative: ›Freiheit statt Bürokratismus‹“.

Markus Söder (CSU, Staatsminister in Bayern für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat), „Die Starken stärken“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 7.7.’15, S. 8.

Das Ergebnis ist eindeutig: Über 61 Prozent der wahlberechtigten Griechinnen und Griechen haben in einem Referendum gegen die europäische Austeritätspolitik gestimmt; die Beteiligung liegt ebenso hoch (nur geringfügig niedriger als die letzte Beteiligung an den Parlamentswahlen des Landes); zehntausende Abstimmungsberechtigte sind dafür nach Griechenland gereist.

Damit ist der Fortführung eines europäischen Teufelskreises in einem demokratischen Votum vehement widersprochen worden. Joseph Stiglitz, US-amerikanischer Ökonom und Nobelpreisträger (2001), sagt zur dominanten europäischen Politik in einem „Zeit“- Interview vom 3.7.’15: „Das sind schlicht Rezessionsprogramme. Egal wie wacker sich die Griechen bemühen, sie haben keinerlei Aussicht, aus der durch die Programme verursachten Misere herauszukommen.“ Weiter: „Eine Idee wäre eine Umschuldung wie in Argentinien, wo die Anleihen an das Wirtschaftswachstum geknüpft werden. (…) Wenn man von 2010 an in Griechenland auch so vorgegangen wäre, hätte das Debakel vermieden werden können. Ich bin mir sicher, wenn man statt der erzwungenen Austerität auf Wachstumspolitik und Investitionen gesetzt hätte, wären die Schulden komplett zurückbezahlt worden.“

Woher der (deutsche) Wind eigentlich weht – in England wird das ähnlich gesehen, in Frankreich und Italien etwas anders –, macht der Heimatminister aus Bayern deutlich: Egal, ob Aktienbesitzer, Finanzspekulant oder Manager, ob Postangestellter oder Hartz-IV-Empfänger – alle sollen möglichst wenig Steuern zahlen sowie der Obrigkeit und dem Markt vertrauen, und: der Staat (das sagt ein Minister!) ist nicht KITAS, Schulen, Hochschulen, Theater, Konzerthäuser, Museen, Krankenhäuser, Verkehrswege und Verkehrsmittel, öffentliche Bücherhallen, Parks und Schwimmbäder, sondern schlicht: „Bürokratie“. (Sollte Herr Söder sich somit nicht selbst abschaffen?)

Gegen diesen Unsinn richten sich immer mehr Menschen, die sich für Frieden, Demokratie, allgemeine Wohlfahrt und soziale Gerechtigkeit engagieren.

Ohne das ist ein vernünftiges Leben nicht zu haben.

„Wollen wir es schnell erreichen
Brauchen wir noch dich und dich.
Wer im Stich läßt seinesgleichen
Läßt ja nur sich selbst im Stich.“

Bertolt Brecht, „Solidaritätslied“, Gedichte 1930-1934.

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Kritik und Praxis
Eine förderliche Verbindung

„Der Zusammenhang von radikaler Erkenntnis, normativen Ansprüchen und politischer Praxis besteht in der Aufhebung ihrer Grenzen und ermöglicht die Verbindung von wissenschaftlicher Kritik und emanzipatorischer Praxis, welche angesichts gegenwärtiger globaler Armutslagen, zunehmender Naturverbräuche und -zerstörungen, zunehmender politischer und militärischer Konflikte und auch wachsender sozialer und individueller Krisen m.E. im wahrsten Wortsinn notwendig ist.“

Dr. Athanasios Karathanassis, „Was ist Kritik und was kann ihr Sinn sein?“, in: „Forum Wissenschaft“, Nr. 2, Juni 2015, S. 52-55, hier S. 54.

 

„Gelogen wird überall, auch in der liberalen Welt. Das Interesse braucht ideologischen Schmuck, die Machtpolitik kleidet sich in Messianismus, und was man Propaganda nennt, hat nirgends viel mit Wahrheit zu tun.“

Thomas Mann, „Meine Zeit“, 1950.

 

„Witz und Landessprache sind die Mistbeete, in welchen der Same der Rebellion so gern und so geschwind reifet.“

Gotthold Ephraim Lessing, „Anti-Goeze“ (Fünfter), 1778.

„Alternativlos“ ist zum Unwort des Jahres 2010 erkoren worden. Diese Auswahl bezog sich auch auf die scheinbar nur pragmatische Politik der Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Diese keinen Widerspruch duldende Aussage geht auf Margaret Thatcher (1924-2013) zurück, welche die konservative Regierungschefin von Großbritannien (1979-1990) war. Die streng konservative „Iron Lady“ vertrat das „TINA-Prinzip“ („there is no alternative“), das umfassend eine Kampfansage an die soziale Demokratie bzw. den Wohlfahrtsstaat war und Kriegführung (Falkland), Aufrüstung (atomar), Deregulierung, Privatisierung (z.B. Gesundheit und Trinkwasser) sowie Kürzungen im Sozialund Bildungsbereich umfaßte. Auf diese Weise stiegen die privaten Gewinne, der staatliche Wohlfahrtsbereich wurde eingeschränkt, und die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft wuchs. Diese harte Politik hatte auch eine De-Industrialisierung Großbritanniens zur Folge.

In abgeschwächter Form wird dieses Konzept der Kapitalbegünstigung auch von der hiesigen Kanzlerin und ihrem Koalitionspartner SPD vertreten („Schuldenbremse“) und in härterer Weise – besonders durch Finanzminister Wolfgang Schäuble („Mr. Gnadenlos“) – gegenüber Griechenland angewandt. Dennoch bekommt dieser inhumane Technokratismus immer mehr Risse und Brüche. Die Austerität ist in Europa – und darüber hinaus – zunehmend umstritten.

Steigende Gewinne schaffen kein Allgemeinwohl. Das wird mehr und mehr deutlich und bringt steigenden Widerstand hervor.

Immer wieder für Frieden, Arbeit, Brot, Bildung und Musik. Gesellschaftliche Ansprüche wachsen und breiten sich aus. Die Kontroverse wird deutlicher. Die Alternative gewinnt an Überzeugungskraft.

„Verwickelte Dinge kann man nicht simpel ausdrücken; aber man kann sie einfach ausdrücken.“

Kurt Tucholsky, „Die Essayisten“, 1931.

Solidarität!

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Freiheit – ohne Gleichheit und Solidarität?
Zur Rekonstruktion eines zerstörten Zusammenhanges

„Man [die neoliberale ‚Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft‘] kämpft gegen die Sozialstaats-Apologeten, die Etatisten, Interventionisten, Egalitaristen und Patriarchisten, weil diese Gegner des Liberalismus die Menschheit zu entmündigen trachten, das Wohlstandspotential der Gesellschaft schmälern und die Freiheit der Menschen beschneiden. (…) Wie rechtsanfällig ist die Freiheit?“

Rainer Hank, „Verführung von rechts“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 19.7.’15, S. 23.

 

„Meine Großmutter, die von der Schwäbischen Alb stammte, pflegte zu sagen: Gutmütigkeit kommt kurz vor der Liederlichkeit. Es gibt eine Art von Großzügigkeit, die ganz schnell das Gegenteil von dem bewirken kann, was beabsichtigt ist.“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU, „The Guardian“: „Mr. Gnadenlos“) im „SPIEGEL-Gespräch“, Nr. 30/2015, S. 30-33, hier S. 32.

 

„Also unsre Sache. Für wen wird gelitten? Für wen gehungert? Für wen auf Bänken gepennt, während die Banken verdienen?“

Kurt Tucholsky, „Die Herren Wirtschaftsführer“, 1931.

Freiheit – welch eine Verheißung!

Sie gelte über Allem und soll Allen gelten. Wer die rohe Realität der sozialen Ungleichheit in Frage stellt, gilt als Gegner der Freiheit. Dabei wußte schon Anatole France (1894):

„Auch ein Grund, stolz zu sein: daß man Bürger ist! Für den Armen besteht es darin, die Reichen in ihrer Macht und ihrem Müßiggang zu erhalten. Dafür dürfen sie arbeiten unter der majestätischen Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.“

„Freiheit“ soll auch bedeuten, das zu wollen, was man muß. Das ist geschickter und moderner als der Rohrstock, da die gesellschaftliche Zwangsinstanz in die Individuen hineinverlagert wird, die dann glauben mögen, daß das, was sie tun, freiwillig ist – wobei dann Alle sich gegenseitig kontrollieren dürfen, ob sie auch „frei“ sind. Wer diese „Freiheit“ kritisiert, soll als autoritär oder als Zerstörer der Individualität dastehen. Ein moderner Pranger. Dabei ist die Überwindung der sozialen Ungleichheit – welche auch die Überwindung von Kriegen, Konkurrenz und Entfremdung einschließt – nichts anderes als die Schaffung gleicher Voraussetzungen (Arbeit, Gesundheit, Bildung, Kultur) für die meisten und dafür die Regulierung (ja, Einschränkung!) des frei und wüst waltenden Kapitals – und sei es durch adäquate Steuern und Löhne, ebenso die Rekonstruktion tariflicher Arbeitsverhältnisse sowie die Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und die Schaffung neuer Arbeitsplätze inklusive der Ausweitung betrieblicher und institutioneller Mitbestimmung. Das Moment bzw. Movens der Solidarität ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung, da diese gesellschaftlichen Verhältnisse von der großen Mehrzahl für die große Mehrzahl geschaffen werden müssen.

So kommt jedem Menschen hohe individuelle Bedeutung in der kritischen Entwicklung der Persönlichkeit zu. Auch das läßt sich wollen. Auf diese Weise befinden sich Wille und Souveränität des Subjekts im Einklang.

Also: Freiheit, Gleichheit, Solidarität!

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Nach der Spaltung der „AfD“:
Rechts bleibt rechts

„Was aber nicht funktioniert, ist eine Partei, die das klassische liberalkonservative Bürgertum vereint mit Wutbürgern und Proteststimmungen in anderen Teilen der Gesellschaft. Diese Milieus müssen sich in zwei verschiedenen Parteien spiegeln. Und die haben wir jetzt. (…) Wir thematisieren als einzige Partei die großen Zukunftsfragen Deutschlands. Die demographische Krise führt zu einer Überalterung, die unseren Sozialstaat bedroht. Darauf gibt es drei Lösungen: Gute Familienpolitik mit einem klaren Ja zu mehr Kindern, gut qualifizierte und integrationsfähige Zuwanderung und eine Steigerung unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch ein klares Bekenntnis zur Marktwirtschaft und technologischem Fortschritt. Für all das steht Alfa [‚Allianz für Fortschritt und Aufbruch‘].“

Bernd Lucke im „SPIEGEL-Gespräch“, Nr. 13/2015, S. 32-34, hier S. 34.

 

„Die Existenzgrundlage der sozialen Rechte wie des Rechts auf Ausbildung, des Rechts auf Arbeit, des Rechts auf Gesundheit, ist eine egalitäre Grundlage. Alle drei zielen darauf ab, die Ungleichheit zwischen denen, die haben, und denen, die nicht haben, zu verringern oder eine immer größere Zahl von Individuen in die Lage zu versetzen, weniger ungleich in bezug auf solche Individuen zu sein, die durch Geburt und gesellschaftlichen Rang eine glücklichere Ausgangsbasis haben.“

Noberto Bobbio, „Rechts und Links * Gründe und Bedeutungen einer politischen Unterscheidung“, Berlin 1994, S. 82.

 

„War´s nicht genug, ihr Sklavenjoch / Mit stillem Sinn zu tragen?
Für sie im Schweiß des Angesichts / Mit Fronen dich zu plagen?
Für ihre Geißel sollst du nun / Auch Blut und Leben wagen?“

Gottfried August Bürger, „Für wen, du gutes deutsches Volk...“, Fragment, 1793.

Ganz abgesehen davon, daß die sogenannten Wutbürger (Rechtspopulisten) in der „AfD“ zu sehr an schlechte alte Zeiten gemahnen und für die sich fein wähnenden Bürger nicht in den politischen Salon passen, ist ihr Krakeel auch nicht rechts-rational genug – es reichen: Exportstärke (inkl. Rüstung), unter Umständen wieder die D-Mark (europäische Leitwährung), brave Familienbürger (fünf Kinder), gut ausgebildete sowie unauffällige Ausländer (zwei Kinder), wenig reguliertes Kapital (Steuern, Löhne, Arbeitsrecht etc. pp.) und leistungsfähige Ingenieure als Technokraten der Ökonomie (Maschinenbauer). Das ist ein gutes rechtes Programm. Wirtschaft, Standort, Biedersinn.

Dennoch ist die Spaltung zwischen „AfD“ und „Alfa“ zu begrüßen, macht sie allemal den Einzug dieser Bande in die Parlamente erheblich schwieriger und um so deutlicher, worum es eigentlich geht – nämlich die krampfhafte Fortsetzung nationaler Kapitalbegünstigung mit den politisch-ökonomischen Mitteln des Neoliberalismus und der Ideologie des rechtschaffenen Familienvaters der 1950er Jahre. Auch kommt diese Spaltung nicht von allein, sie ist vielmehr Ausdruck des taktischen Ringens einer politischen Formation im grellen Lichte der gesellschaftlichen Kritik. Neoliberalismus (Austerität) und Biedersinn (kulturelle Restriktion) sowie Rassismus (dominante Ideologie) sind nicht mehr up to date.

Die gesellschaftlichen Mentalitäten drehen sich mehr und mehr Richtung Frieden, sozialer Gerechtigkeit und (auch kollektives) Selbstbewußtsein. Dem werden auch Bernd Lucke und die „Alfa“ – das hat mit der italienischen Automarke nichts zu tun – nicht gerecht. Insofern ist diese Entwicklung zu begrüßen. Immer mehr Leutchen können positiver Teil davon werden. Das wußte schon der dichterische Aufklärer Gottfried August Bürger (s.o.). Wir können immer hoffen – als aktiver Part der Geschichte. Links ist keine Seitenstraße.

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The winner takes it all?
Ein Hinweis auf die Alternative

„Unternehmer sind selten Ideologen. Sie sind meistens schlichte Pragmatiker, die sich arrangieren. Darin sind sie skrupellos, nicht skrupulös. Sie sind rational, pragmatisch, handeln opportunistisch, sind Kollaborateure aus Eigennutz, paktieren mit (fast) jedem Regime.“

Rainer Hank und Georg Meck, „Das Erbe der Johanna Quandt“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 9.8.’15, S. 27.

 

Selbstoptimierung greift in unserer Gesellschaft um sich. Warum?
Aus der Einstellung zu sich selbst, die aus dem neoliberalen Denken erwächst, das wir verinnerlicht haben. Durch die Übernahme ökonomistischen Denkens begreift sich der moderne Mensch als Unternehmer seiner selbst und den eigenen Körper als Biokapital, in das er investieren muss. Er wird rastlos, weil er das Gefühl hat, nie genug aus seinem Kapital herausgeholt zu haben.
Und wann mache ich mal Pause?
Gar nicht. Es wird uns jeden Tag vorgegaukelt, dass wir noch mehr investieren könnten und nie gut genug sind. Dadurch hören wir nicht mehr auf unsere innere Stimme, sondern auf das, was man von uns erwartet. Es geht nur um die Fassade. Funktionieren kann das nur, weil es mit Slogans wie Eigenverantwortung und Freiheit verkauft wird. (...)
Eine Art Diktatur?
Nicht der Staat etabliert eine Diktatur, sondern der einzelne Mensch versklavt sich selbst. Schliesslich hat ja nicht irgendein Politiker die Selbstoptimierung verordnet. Es ist viel subtiler. Während wir von Freiheit und Menschenwürde sprechen, treten wir durch das Einfallstor zur Selbstentfremdung.“

Giovanni Maio, Arzt, Philosoph und Professor für Medizinethik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, im Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Jenni Roth), 3.8.’15.

Eine Art Diktatur? Sicher keine, die im Alltag wesentlich vorrangig auf Polizei, Militär, Schlägertrupps, Folter, allumfassender Bespitzelung und ggf. physischer Vernichtung beruht.

Dennoch fand seit den 1980ern (beispielsweise mit Reagan und Thatcher) der Neoliberalismus Eingang in staatliches Handeln und gesellschaftliches Denken: Die Steuern für das Kapital wurden gesenkt, staatliches Eigentum privatisiert, sozialstaatliche Aufgaben reduziert und die Arbeitsverhältnisse dereguliert. Die dazugehörigen kulturellen Leitbilder sind „Freiheit“ (Gewinne) und „Eigenverantwortung“ (Unterwerfung). Die Folgen sind – neben Krieg sowie verstärkter Konkurrenz – soziales Elend, gesteigerte Entfremdung und Entsolidarisierung. Darauf ist auch die größte Weltwirtschaftskrise seit 1929, nämlich die seit 2008, zurückzuführen.

– Die Erde ist keine Scheibe, Krieg ist nicht Frieden, Autos kaufen keine Autos, Finanzspekulation schafft keine (sinnvollen) Arbeitsplätze, der Raubbau der Natur ist gewiß nicht nachhaltig, Arbeitsverdichtung nicht produktiv und Perspektivarmut ist kein gesellschaftlicher Reichtum.

Auch in den Wissenschaften fand beispielsweise eine Verschiebung von der Volkswirtschaft zur Betriebswirtschaft statt. Der Ansatz, was sich nicht rechne, dürfe nicht bleiben, griff um sich. Mittlerweile geht das nicht nur nicht so weiter, sondern wird auch zunehmend in Frage gestellt.

Frieden, soziale Gerechtigkeit, demokratische Partizipation, internationale Solidarität, kulturelle Emanzipation, ein vernünftiger Umgang mit der natürlichen Umwelt sowie eine mehr an Fairneß und Aufmerksamkeit orientierte Alltagskultur sind zunehmend gesellschaftliche Maßstäbe, die Befürwortung finden und zur Verwirklichung drängen.

Insofern befinden wir uns in einer positiven Wendephase, an deren Verwirklichung sich (fast) Alle beteiligen können. Das fängt schon mit einer Pause an und damit, den eigenen Ärger richtig zu finden. Ausatmen und neu beginnen.

„20
Es treffen sich aber Wissenschaft und Kunst darin, daß beide das Leben der Menschen zu erleichtern da sind, die eine beschäftigt sich mit ihrem Unterhalt, die andere mit ihrer Unterhaltung. In dem Zeitalter, das kommt, wird die Kunst die Unterhaltung aus der neuen Produktivität schöpfen, welche unsern Unterhalt so sehr verbessern kann und welche selber, wenn einmal ungehindert, die größte aller Vergnügungen sein könnte.“

Bertolt Brecht, „Kleines Organon für das Theater“, 1949.

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Antikriegstag 2015:
Gegen Krieg und Militarisierung!

„Weder die deutsche Politik noch die deutsche Gesellschaft haben [sic!] sich diese Rolle gewünscht: die der europäischen Zentralmacht...(…) Scheitert Deutschland an den Aufgaben der europäischen Zentralmacht, dann scheitert Europa. (…) Die Rolle der Zentralmacht Europas, die Deutschland nun einmal zugefallen ist, lässt sich nicht auf das physische Durchhaltevermögen von Politikern bei den Brüsseler Marathonverhandlungen begrenzen, sondern umfasst eine ausgiebige politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den entsprechenden Aufgaben.“

Herfried Münkler, „Wir sind der Hegemon“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 21.8.’15, S. 9.

 

„Eichhörnchen national
Ich mache einen deutschen Spaziergang durch unsern deutschen Wald. Meine deutschen Augen mustern die herrliche deutsche Landschaft und versinken in ihrem Zauber: von dieser Schneise her könnte man ganz gut einen Sturmangriff unternehmen, die Wiese gäbe ein famoses Schußfeld für ein gedecktes M.G. - und da! Was ist das? Der Feind. Unwillkürlich nehme ich Deckung.
Es ist ein Eichhörnchen, ein deutsches Eichhörnchen. Blond wie Goebbels, läßt es spielend seinen Schweif wedeln. Doch was ist dieses? Es läuft nicht davon! Ein Deutscher läuft nicht davon. Es eilt vielmehr auf mich zu, das liebe Tierchen, beschnuppert mich, und jetzt, jetzt klettert es wahrhaftig wie ein Eichhörnchen an mir hoch. Es sieht mich an mit seinen blanken Äuglein, als wollte es sagen:
‚Hältst nicht auch du den Schandvertrag von Versailles für einen Tschmachfleck auf dem deutschen Gewand deutscher Ehre?‘
Und fürchterlich, riesengroß erhebt sich vor meinem innern Auge dieses Tier zu einem Symbol deutscher Größe: auch es wird einmal uns und unsre Kinder und Kindeskinder an den Welschen rächen. Und ich sehe das Eichhorn, vor einen Tank gespannt, im Dienste der nationalen Sache, einherziehn in die Schlacht, für die wir ja alle, Mann und Jungfrau, unsre Kinder gebären. Denn was hat der Deutsche der Welt zu liefern? Menschenmarmelade.“

Kurt Tucholsky, „Viermal Eichhörnchen“, 1932.

Da haben wir wieder den mentalen Salat: Laut Herfried Münkler seien wir mal wieder in etwas hineingeschliddert, -getorkelt, schlafgewandelt – ähnlich wie in Weltkrieg I – oder so und wüßten gar nicht, wie es dazu gekommen ist: „Zentralmacht“.

Nicht Krieg oder Frieden, Arm/Reich, Oben/Unten, Links/Rechts, Austerität oder Sozialstaat sind – länderübergreifend – relevant bzw. die entscheidenden Kontroversen und bestimmen die weitere Entwicklung (nicht nur in Europa), sondern die ökonomisch starke „Zentralmacht Deutschland“ soll’s richten. Aufopferungsvoll zum eigenen Nutzen.

Bedauert wird von Herrn Münkler allerdings, daß die deutsche Wahlbevölkerung von dieser Rolle noch nicht so richtig überzeugt ist und noch nicht bereit, die damit verbundenen Belastungen zu tragen. (Die Mehrheit ist gegen Kriegseinsätze, sieht die Waffenexporte kritisch und bevorzugt friedliche Konfliktlösungen – ebenso den Sozialstaat bzw. die öffentliche Daseinsvorsorge.) Auch bedauert der deutsche Professor, daß die Intellektuellen sich um diese Frage herumdrückten. (In der Tat differenzieren sich die Meinungen zusehends in den sogenannten Leitmedien an den Fragen Krieg/Frieden, Machtpolitik und Austerität. Wie schade.)

Von daher ist der Beitrag des national gesinnten Politik-Gelehrten ein Hilferuf, der anzeigt, daß wir uns, 70 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, der systematisch von den Eliten des Deutschen Reiches ausging, in einem positiven Wandel befinden.

Das sollte uns nicht grämen und zu weiteren Aktivitäten ermuntern.

Frieden, soziale Gerechtigkeit und Wohl-Sein für Alle!

Hamburger Bündnis zum Antikriegstag 2015:

Gemeinsam für den Frieden!
Gegen Krieg und Militarisierung!

1. September
17 Uhr: Auftaktkundgebung & Demonstration

(Dammtor / Kriegsklotz)

19 Uhr: Abschlusskundgebung
(Mönckebergstr. / Kurze Mühren)

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Antikriegstag 2015:
Gegen Krieg und Militarisierung!

„Weder die deutsche Politik noch die deutsche Gesellschaft haben [sic!] sich diese Rolle gewünscht: die der europäischen Zentralmacht...(…) Scheitert Deutschland an den Aufgaben der europäischen Zentralmacht, dann scheitert Europa. (…) Die Rolle der Zentralmacht Europas, die Deutschland nun einmal zugefallen ist, lässt sich nicht auf das physische Durchhaltevermögen von Politikern bei den Brüsseler Marathonverhandlungen begrenzen, sondern umfasst eine ausgiebige politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den entsprechenden Aufgaben.“

Herfried Münkler, „Wir sind der Hegemon“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 21.8.’15, S. 9.

 

„Eichhörnchen national
Ich mache einen deutschen Spaziergang durch unsern deutschen Wald. Meine deutschen Augen mustern die herrliche deutsche Landschaft und versinken in ihrem Zauber: von dieser Schneise her könnte man ganz gut einen Sturmangriff unternehmen, die Wiese gäbe ein famoses Schußfeld für ein gedecktes M.G. – und da! Was ist das? Der Feind. Unwillkürlich nehme ich Deckung.
Es ist ein Eichhörnchen, ein deutsches Eichhörnchen. Blond wie Goebbels, läßt es spielend seinen Schweif wedeln. Doch was ist dieses? Es läuft nicht davon! Ein Deutscher läuft nicht davon. Es eilt vielmehr auf mich zu, das liebe Tierchen, beschnuppert mich, und jetzt, jetzt klettert es wahrhaftig wie ein Eichhörnchen an mir hoch. Es sieht mich an mit seinen blanken Äuglein, als wollte es sagen:
‚Hältst nicht auch du den Schandvertrag von Versailles für einen Tschmachfleck auf dem deutschen Gewand deutscher Ehre?‘
Und fürchterlich, riesengroß erhebt sich vor meinem innern Auge dieses Tier zu einem Symbol deutscher Größe: auch es wird einmal uns und unsre Kinder und Kindeskinder an den Welschen rächen. Und ich sehe das Eichhorn, vor einen Tank gespannt, im Dienste der nationalen Sache, einherziehn in die Schlacht, für die wir ja alle, Mann und Jungfrau, unsre Kinder gebären.
Denn was hat der Deutsche der Welt zu liefern? Menschenmarmelade.“

Kurt Tucholsky, „Viermal Eichhörnchen“, 1932.

Da haben wir wieder den mentalen Salat: Laut Herfried Münkler seien wir mal wieder in etwas hineingeschliddert, -getorkelt, schlafgewandelt – ähnlich wie in Weltkrieg I – oder so und wüßten gar nicht, wie es dazu gekommen ist: „Zentralmacht“.

Nicht Krieg oder Frieden, Arm/Reich, Oben/Unten, Links/Rechts, Austerität oder Sozialstaat sind – länderübergreifend – relevant bzw. die entscheidenden Kontroversen und bestimmen die weitere Entwicklung (nicht nur in Europa), sondern die ökonomisch starke „Zentralmacht Deutschland“ soll’s richten. Aufopferungsvoll zum eigenen Nutzen.

Bedauert wird von Herrn Münkler allerdings, daß die deutsche Wahlbevölkerung von dieser Rolle noch nicht so richtig überzeugt ist und noch nicht bereit, die damit verbundenen Belastungen zu tragen. (Die Mehrheit ist gegen Kriegseinsätze, sieht die Waffenexporte kritisch und bevorzugt friedliche Konfliktlösungen – ebenso den Sozialstaat bzw. die öffentliche Daseinsvorsorge.) Auch bedauert der deutsche Professor, daß die Intellektuellen sich um diese Frage herumdrückten. (In der Tat differenzieren sich die Meinungen zusehends in den sogenannten Leitmedien an den Fragen Krieg/Frieden, Machtpolitik und Austerität. Wie schade.)

Von daher ist der Beitrag des national gesinnten Politik-Gelehrten ein Hilferuf, der anzeigt, daß wir uns, 70 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, der systematisch von den Eliten des Deutschen Reiches ausging, in einem positiven Wandel befinden.

Das sollte uns nicht grämen und zu weiteren Aktivitäten ermuntern.

Frieden, soziale Gerechtigkeit und Wohl-Sein für Alle!

Hamburger Bündnis zum Antikriegstag 2015:

Gemeinsam für den Frieden!
Gegen Krieg und Militarisierung!

1. September
17 Uhr: Auftaktkundgebung & Demonstration

(Dammtor / Kriegsklotz)

19 Uhr: Abschlusskundgebung
(Mönckebergstr. / Kurze Mühren)

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Arm und Reich –
ein veränderbares Verhältnis

„Zu den wesentlichen Merkmalen der letzten beiden Jahrzehnte zählt die deutliche Zunahme der Ungleichheit – zwischen den verschiedenen Ländern, aber auch innerhalb vieler Länder. Wirtschaftliches Wachstum geht seit einiger Zeit sowohl innerstaatlich als auch international mit wachsender Kapitalmacht einher, ja es hängt sogar maßgeblich von diesem Machtfaktor ab, der sich im wachsenden Anteil der Gewinne und Kapitalerträge am Volkseinkommen niederschlägt.“

Prof. Jaytai Ghosh (Neu Dehli/Indien), „Eine andere Welt ist möglich“, „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Nr. 9 '15, S. 37-44, hier S. 39.

 

„Die Möglichkeit der politischen Einflussnahme steigt parallel zum Vermögen, was wiederum die ökonomischen Verhältnisse festigt. Die meisten Superreichen sind naturgemäß gegen Steuererhöhungen für Superreiche, gegen einen würdigen Mindestlohn, gegen eine staatlich garantierte Gesundheitsversorgung, gegen ein öffentliches Hochschulwesen. Sie sind gegen fast alles, was den unteren 90 Prozent beim Aufstieg helfen könnte.“

Markus Feldenkirchen, „Vereinigte Oligarchen von Amerika“ (Essay), „SPIEGEL“ Nr. 36/2015, S. 90-91, hier S. 91.

Wir haben ein Problem. Nicht nur, daß mittlerweile der „American Dream“ (Freiheit und Aufstieg) in „God’s own Country“ (Nummer eins) eindeutig baden geht, sondern daß die weltweite Krise, die mit Krieg, Repression, sozialem Elend und Flucht verbunden ist – zurückhaltend formuliert –, andauert. Die Tatsachen drängen zu einer Lösung.

Der Beendigung von Kriegen, einer scharfen Kontrolle der Rüstungsexporte, ziviler Konfliktregulierung, der Konversion der Rüstungsproduktion; angemessenen Löhnen, tendenzieller Vollbeschäftigung, sinnvoller Arbeit und der Mitbestimmung in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen; einer sozial gerechten Steuererhebung, der bedarfsgerechten Finanzierung öffentlicher Aufgaben des Staates (Bildung, Gesundheit, Kultur, Verkehr); einer würdigen Aufnahme von Flüchtlingen, der Beseitigung von Fluchtgründen (Krieg, Repression, soziale Not) steht eine sich selbst bestätigende Kapitalmacht gegenüber, die mit ihrem Reichtum wächst. Arm und Reich sind ein gesellschaftliches Verhältnis.

Dagegen regt sich Widerstand. Für Frieden, Arbeit, Brot, Menschlichkeit und Wissen.

– Und auch allein auf diese kritische Weise ist die globale Krise zu lösen. Es ist nicht nur zutreffend, daß Autos keine Autos kaufen, sondern die Menschenwürde wird garantiert nicht an der Börse realisiert. Insofern sind die 90 Prozent, denen vorgegaukelt wird, es werde alles gut, wenn sie nur recht fügsam sich anstrengen, dafür relevant, das alles anders, soll heißen: besser, wird. Insofern ist jeder relevant. Eine interessante Entdeckung. Drehen wir doch die Sanduhr einmal um.

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Da tut sich was
(– und gefällt manchen nicht.)

„›Es scheint, als hätten einige Mitglieder der aktuell noch herrschenden Klasse – Politiker, Wirtschaftsvorstände, Aufsichtsratsvorsitzende, Chefs von Energiekonzernen, Waffenhersteller und Dealer – eine Ahnung von der Veränderung, als röchen sie ihren Untergang. Das Ende des umjubelten Wachstums, das alles zum Explodieren bringt, das Ende des Patriarchats, das Ende des Neoliberalismus, das wittern sie. Und deshalb wollen sie so viele Menschen wie möglich mit in den Abgrund reißen. Schnell noch mal so richtig Scheiße bauen...‹, schrieb kürzlich Sibylle Berg. Die ist nicht etwa, wie ihre Zeilen vermuten lassen, ein Troll auf esoterischen Verschwörungsseiten, sondern angesehene Kolumnistin bei Spiegel Online. Viele Leser waren ganz begeistert über diese groteske Gesellschaftsanalyse, die Politiker oder Vorstände nur noch durch ein Komma von Dealern trennt.“

Matthias Iken, „Vom versiegenden Vertrauen“, „Hamburger Abendblatt“, 7.9.’15, S. 2.

 

„Die Zeiten, da der Mensch sich von Schwachsinn motivieren ließ, sind vorbei. (…) Menschen lernen aus ihren Fehlern, sie entwickeln sich weiter.“

Sibylle Berg, „Der Untergang der Mächtigen“, „SPIEGELONLINE“, 28.8.’15.

Eine „groteske Gesellschaftsanalyse“?

Die Kolumnistin von „SPIEGELONLINE“ stellt – mit einiger Genugtuung – fest, daß die Welt sich durch das kritische Lernen der Menschen in positiver Veränderung befindet: Der Neoliberalismus, die Waffengeschäfte, die soziale Ungleichheit, die Umweltzerstörung, die Ideologien der Unaufgeklärtheit (Rassismus, Sexismus) werden weltweit zunehmend in Frage gestellt, die Alternative einer internationalen menschlichen Gesellschaft wird erkennbar und gefordert – freundlichere Gesichtszüge kommen in den Blick.

In diesem Zusammenhang kritisiert die Autorin (s.o.), daß „einige Mitglieder der aktuell noch herrschenden Klasse – Politiker, Wirtschaftsvorstände, Aufsichtsratsvorsitzende, Chefs von Energiekonzernen, Waffenhersteller und Dealer“ in Reaktion darauf mit verzweifelter Macht an dem Alten, Schlechten und Überholten festhalten – more of a bad thing. Gegen diese engagierte Charakterisierung einer widersprüchlichen und im Wandel befindlichen Welt läßt sich mit gutem Gewissen wenig sagen. Sie trifft zu.

Wenn der konservative Herr Iken vom „Abendblatt“ stattdessen mehr „Grundvertrauen“ als „die Grundlage jeder Demokratie und funktionierender Institutionen“ verlangt, hat er weder begriffen, was die (sozialen und kulturellen) Probleme einer wilden Geschäftswelt sind, noch, daß diese menschlichen Widerspruch, gesellschaftliche Alternative und entsprechendes Engagement verlangen respektive hervorrufen.

Der Glaube an das „Ende der Geschichte schwindet“; das TINA-Prinzip („There is no alternative“) ist anachronistisch geworden; der Mensch ist nicht Anhängsel der Maschine (auch Apple) oder der Börse; tiefgreifende Veränderungen sind nötig und möglich geworden.

Jeder Bewußtseinsschritt in diese Richtung erhöht die Wahrscheinlichkeit einer anderen und besseren gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit.

„Schönster aller Zweifel aber
Wenn die verzagten Geschwächten den Kopf heben und
An die Stärke ihrer Unterdrücker
Nicht mehr glauben!“

Bertolt Brecht, „Lob des Zweifels“, Gedichte 1934-1939.

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Globale Gerechtigkeit – das Einzige, was zählt!
Ein Ausblick

›„Deutschland und die ganze EU werden der Qual der Wahl nicht länger davonlaufen können: Je mehr Migranten vor den Toren stehen, desto strenger müssen die Auswahlkriterien gefasst werden. Das deutsche Asylrecht wird dabei die weiche Flanke der europäischen Flüchtlingspolitik bleiben. Seine Anwendung muss so gestaltet werden, dass es nicht zum Massenschleichweg für Menschen wird, die keinen Anspruch auf Asyl haben.“

Berthold Kohler, „Kein Eiserner Vorhang“ (Leitkommentar), „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 15.9.'15, S. 1.

 

„Weil fremdenfeindliche Menschen das Konforme lieben, bewegen sie sich gerne in einer Masse und beanspruchen für sich, das Volk zu repräsentieren. Es ist auffällig, wie kleinlaut sie plötzlich werden, sobald der Wind in der Politik und den Medien dreht.“

David Signer, „Liebe Fremde, böse Fremde“, „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“), 17.9.'15.

 

„Schwarzer, Weißer, Brauner, Gelber! / Endet ihre Schlächterein!
Reden erst die Völker selber / Werden sie schnell einig sein.“

Bertolt Brecht, „Solidaritätslied“, Gedichte 1930-1934.

Die Herren von der „Zeitung für Deutschland“ (s.o.) pflegen immer dann – also fast immer –, wenn es um „nationale Belange“ geht, eine kriegerische und entmenschlichende Sprache: Der Feind stehe „vor den Toren“ (der Festung) und das Asylrecht sei „die weiche Flanke“ in der Schlacht. Außerdem müsse man sich in diesem Falle gegen Räuber, Diebe und anderes Gesindel schützen („Massenschleichweg“), damit alles ordentlich und sauber bleibe.

Gegen den (richterlich verbotenen) Nazi-Aufmarsch in Hamburg haben jüngst über 20.000 Menschen demonstriert. Diese politische Manifestation richtete sich gegen Fremdenhaß, Kriegsverherrlichung sowie Klitterung der Geschichte und war ein Gesamt-Ausdruck für friedliche, mitmenschliche, demokratische und soziale Solidarität. Das sollte Folgen haben.

Die Fluchtursachen für immer mehr Menschen aus Nahost, Afrika und den Ländern des Balkan liegen in der expansiven, auf Rohstoffgewinn und -sicherung gerichteten Wirtschafts- und Kriegspolitik von EU und NATO begründet. Krieg, Terror und Armut machen das Leben in den betroffenen Ländern und Gebieten unerträglich.

Die Überwindung des Elends ist also ursächlich damit verbunden, Kriege zu beenden, die Rüstungsexporte drastisch zu reduzieren und die Entwicklungshilfe – die ihren Namen verdient – deutlich zu erhöhen.

Darüber hinaus ist das 1993 beschnittene Asylrecht des Grundgesetzes wieder herzustellen.

Für die sofortige Hilfe der Flüchtlinge sind eine menschenwürdige (auch winterfeste!) Unterbringung, angemessene medizinische Versorgung sowie Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen.

Zwar hat der Senat die Geldsumme zu diesen Zwecken gerade erhöht, aber weder werden diese Mittel wahrscheinlich reichen, noch ist ihre Anwendung genau definiert, und zudem wird die Erhöhung dieser Summe teilweise durch Einsparungen in anderen Haushaltsbereichen (Soziales, Bildung, Kultur) wegen der „Schuldenbremse“ erbracht werden müssen. Krieg, Rüstung und ungleiche Wirtschaftsbeziehungen sowie die Bedienung der Banken bzw. Austerität schaden also uns Allen.

Somit sind Frieden, zivile Entwicklung, soziale Expansion und demokratisches Engagement von Vorteil für Alle. Global, regional, persönlich und zwischenmenschlich.

„Unsre Herrn, wer auch sie seien
Sehen unsre Zwietracht gern
Denn solang sie uns entzweien
Bleiben sie doch unsre Herrn.“

Bertolt Brecht, s.o.

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Die VW-Krise, ein Exemplum

„Banker und Manager, zumal erfolgreiche, haben eine geradezu erotische Beziehung zum Risiko. Ehrlichkeit ist für sie nur eine Frage der Abwägung, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit, dass der Schwindel auffliegt, sehr hoch ist und die Folgen kostspielig sind. Genauer: kostspieliger als die Ehrlichkeit, die natürlich auch ihren Preis hat. (…) Der Markt kann sich nur in Einzelfällen regulieren. Es war nicht die unsichtbare Hand des Marktes, die den Skandal um die manipulierten Abgaswerte von VW ans Licht gebracht hat, sondern die US-amerikanische Umweltbehörde EPA. Derartige Instanzen sind enorm wichtig, wenn Konzerne täuschen.“

Colin Crouch (britischer Politikwissenschaftler und Soziologe), „Zahlen und Werte“, „SPIEGEL“, Nr. 40/2015, S. 142f.

 

„Die Wahrheit ist ein Ding: hart und beschwerlich,
sowie in höchstem Maße feuergefährlich.
Brenn mit ihr nieder, was da morsch ist -
und wenns dein eigner Bruder Schorsch ist!“

Kurt Tucholsky, „Diskretion“, 1929.

Nun wird manches deutlich. Manipulation gehört zum Geschäft. Je größer der Gewinn, desto größer die Verlockung. Je intensiver die Konkurrenz, desto höher die Beteiligung. Es spielen Alle mit.

Der neue Volkswagen-Chef Matthias Müller sieht VW vor der „größten Bewährungsprobe“ in der Geschichte des Unternehmens.

In der Regierungspolitik wurde mitgespielt. Auf europäischer Ebene wurde für zahmere Abgaswerte für bundesdeutsche Unternehmen gekämpft. Die Forcierung alternativer Antriebe nicht vorangebracht.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser; öffentliche und staatliche Regulierung ist erforderlich.

Dieses politische Handeln steht verstärkt auf der gesellschaftlichen Tagesordnung.

Die Dogmen des Shareholder Value und des anything goes beginnen zu bröckeln.

Es ist zunehmend bekannt, daß die Versprechungen und die reale Praxis nicht übereinstimmen.

Das vielfache Mißtrauen ist auf harte Weise bestätigt worden. Die Dimension der Konsequenzen ist noch nicht abzusehen.

Aber eines ist jetzt schon klar: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Das Unbehagen erhält eine untrügliche Richtung. Das ist eine Schlappe des Neoliberalismus. Die Chancen der kritischen Vernunft steigen. Wenn schon „Made in Germany“, dann – bitte sehr – eine Sozialisierung in der gesellschaftlichen Entwicklung.

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Jakobinersperling