Wintersemester 2012/2013

Flugblätter

Ein Stück weit
oder
Die BVP (Bescheidenheitsverwaltungspartei)

„Wenn ich mich anstrenge, muss ich auch zurechtkommen. Das ist ein Grundsatz, der für jedermann in unserer Gesellschaft Geltung haben muss. (…) Wir brauchen in Deutschland einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn als Grenze für alle. Wir brauchen mehr Arbeitsverhältnisse, die durch Tariflöhne geregelt werden. Und wir brauchen auch moderate Einnahmeverbesserungen des Staates, etwa bei der Besteuerung sehr hoher Einkommen. Der Abbau der Staatsschulden ist eine Last, und die soll nicht von denen geschultert werden, die wenig haben – sondern stärker von denen, die über hohe Einkünfte verfügen. (…) Der Senat handelt, weil die vorgefundenen Verhältnisse nicht in Ordnung sind. Allerdings gibt es immer zwei Wege: Man kann den Gang der Welt als Apokalypse wahrnehmen und beklagen. Oder man kann fragen: Was muss man tun, damit es gut ausgeht? Ich bevorzuge den zweiten Weg.“

Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Gespräch mit dem „Hamburger Abendblatt“, 1.10.´12, S. 9.

 

„Die SPD hatte Wichtigeres zu tun: wenn in Deutschland ein Unheil im Anzug ist, dann steht die Bonzokratie dieser Partei da und setzt durch, daß im § 8 des Unheils statt ‚muß‘ die Worte ‚soll nach Möglichkeit‘ stehen. Es sind wackere Parlamentarier.“

Kurt Tucholsky, „Die Keuschheitsgürteltiere“, 1930.

„Schwimme, wer schwimmen kann, und wer zu plump ist, geh’ unter!“ George Grosz, Neun Lithographien zu Sentenzen aus Schillers „Räubern“, 1922

Wenn der Bürgermeister sich anstrengt, kommen 8,50 Euro (brutto!) Stundenlohn – für andere, nicht für ihn – dabei heraus.

Dem Mitverantwortlichen und Immer-noch-Befürworter der Hartz IV-Repressionen ist eigentlich klar, daß dabei kein „zurechtkommen“ ist und so auch keine sogenannten armutsfesten Renten entstehen. Die Welt ist zwar nicht als Apokalypse wahrzunehmen, zu kritisieren aber ist, daß die Sozialdemokratische Partei Deutschlands so sehr auf die Konsolidierung des Haushaltes (die Bedienung der Banken) fixiert ist, daß ihren Amts-, Würden- und Bedenkenträgern das Soziale erst – ein Stück weit – in den Blick gerät, wenn in der Öffentlichkeit (z.B. Presse und Demonstrationen) nachdrücklich deutlich gemacht wird, daß es so wie bisher nun wirklich nicht weitergeht.

Dabei hülfe schon ein Blick in den „SPIEGEL“ (40/2012): „Das Hauptproblem in Europa sind gegenwärtig die Sparpakete. Sie drücken die Nachfrage und schwächen das Wirtschaftswachstum. Die Abkehr von dieser Politik ist absolut notwendig, um zu mehr Gleichheit zu kommen.“ Und: „Es liegt in der Verantwortung der Finanz- und Geldpolitik, Vollbeschäftigung herzustellen.“ (Prof. Joseph Stiglitz im „SPIEGEL-Gespräch“.)

Stattdessen: Verwaltung des Elends.

Vollbeschäftigung? Beseitigung von staatlicher Schuhriegelung und Armut nach Gesetz? Bedarfsgerechte Finanzierung von öffentlichen Einrichtungen (Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur)? Die politische Verwirklichung der Würde des Menschen (Art. 1 Grundgesetz)? Dem eigenen Namen gerecht werden? Mitnichten.

Hier geistert immer noch die „Eigenverantwortung“ des Schröder-Blair-Papiers (1999) durch die verwinkelten Gedankengänge der Sozialbürokraten und ihre klammen Amtsstuben: „Ein Sozialversicherungssystem, das die Fähigkeit, Arbeit zu finden, behindert, muß reformiert werden. Moderne Sozialdemokraten wollen das Sicherheitsnetz aus Ansprüchen in ein Sprungbrett in die Eigenverantwortung umwandeln.“ (A.a.o.)

Solange dieser geistig-politische Irrgarten nicht verlassen wird, ist wahrlich mit den Spezialdemokraten kein Staat zu machen. Damit wirkliche soziale und kulturelle Verbesserungen erreicht werden, bedarf es also noch einiger Bewegung. Realer Fortschritt erfordert Engagement. Von der Mehrheit für die Mehrheit. Mehr Gleichheit wagen!

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Zeitung zum Semesteranfang Wintersemester 2012/13

Erfolg und Mitmenschlichkeit?
Ein gespanntes Verhältnis

„Lieber Herr de Maizière, man könnte meinen, Ihr Lebensweg habe etwas Schicksalhaftes: Der Vater Generalinspekteur der Bundeswehr, der Sohn Verteidigungsminister. Oder würden Sie sagen, es ist ein Zufall, dass sich das so ergeben hat?

Etwas dazwischen. Es gibt da einen schönen Begriff, der heißt ‚Konstellation‘. Es gibt gute Leute, bei denen es oftmals nicht die günstige Konstellation gibt, um in einer bestimmten Situation etwas zu werden. Und es gibt Leute, die werden etwas, weil die Konstellation günstig ist. Das ist nicht Schicksal, aber ein bisschen mehr als Zufall.“

Thomas de Maizière (CDU), „Bundesverteidigungsminister“, im Interview mit „Denk ich an Deutschland“/2012, „Eine Konferenz der Alfred Herrhausen Gesellschaft und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung“(„FAZ“), S. 4.

 

„wahrscheinlich aber sind es die arbeitsverhältnisse, die mich ungeduldig machen. Die sitte hier verlangt, daß man alles, von einem achselzucken bis zu einer idee, zu ‚verkaufen‘ sucht, dh. man hat sich ständig um einen abnehmer zu bemühen, und so ist man unaufhörlich käufer oder verkäufer, man verkauft sozusagen dem pissoir seinen urin. Für die höchste tugend gilt der opportunismus, die höflichkeit wird sogleich zur feigheit.“

Bertolt Brecht, „Arbeitsjournal“, 21.1.´42, Exil in den USA.1

Die Konservativen haben´s wirklich nicht leicht: Da gibt es Leute und Leute; Schicksal, Zufall, Situation und – „Konstellationen“.

Die einen werden was, z.B. Minister für die CDU – die anderen nicht bzw. Hartz-IV-Beglückte. Müssen wir da die Sterne schauen, den Flug der Gänse deuten, Tante Lotti anrufen?

Wir können aber auch das Orakel von Allensbach (Meinungsforschung) in der selben „FAZ“-Beilage befragen und können dort (auf S. 10) von der Leiterin des Institutes, Dr. Renate Köcher, lesen: „Es fehlt allerdings die Zuversicht, dass der ökonomische Erfolg auch Zusammenhalt, Verantwortungsbewusstsein und Mitmenschlichkeit befördert.“

Darüber hinaus ergeben die Befragungen, die Frau Dr. Köcher hier ausdeutet, daß die Leute und Leute kritisch feststellen, die Gesellschaft werde sozial immer ungleicher und unsolidarischer; und sie – die Lümmel – bewerten positiv, daß es sozial gleicher und solidarischer sein und zugehen möge.

Das sind wahrhaft andere Tugenden, als die, die Bertolt Brecht in seinem Exil so lästerlich beschrieb und die bis heute als Maßstab des Erfolges gelten. Der Ellenbogen im Einsatz und das Lächeln der Zahnpastawerbung müssen sich nicht – im vereinten Einsatz – widersprechen. Me first ist keine nordamerikanische Domäne.

In diesem Zusammenhang bekommen die ominösen „Konstellationen“ des Herrn de Maizière ihre banale und schlicht rational erfaßbare Bedeutung. Konkurrenz belebt das Geschäft und ist nicht unwesentliches Moment des Kriegshandwerks. Das Einander-Ausstechen ist wesentlicher Inhalt einer Alltagskultur, die Kriege, Geschäfte als solche und das allumfassende Chaos trunkener Betriebswirtschaft (gnadenlose Vorteilsnahme) erlaubt.

„Erfolg“ und Mitmenschlichkeit sind also ein Gegensatz.

Dagegen entwickelt sich langsam aber stetig der Trend zu solidarischem Bewußtsein und Handeln.

Kriege werden abgelehnt, soziale Gerechtigkeit und Fairneß werden befürwortet; die FDP kommt in bundesweiten Umfragen kaum über die 5-Prozent-Hürde.

Der Weg vom Ich zum Wir wird unaufhaltsam beschritten. Hoffnung ist nichts Schlimmes. Für neue Konstellationen.

Eskapismus oder Emanzipation?
Zur Aktualität der Maßstäbe Humboldtscher Bildung.

„Da aber auch das geistige Wirken in der Menschheit nur als Zusammenwirken gedeiht, und zwar nicht bloss, damit Einer ersetze, was dem Anderen mangelt, sondern damit die gelingende Thätigkeit des Einen den Anderen begeistere und Allen die allgemeine, ursprüngliche, in den Einzelnen nur einzeln oder abgeleitet hervorstrahlende Kraft sichtbar werde, so muß die innere Organisation dieser Anstalten ein ununterbrochenes, sich immer selbst wieder belebendes, aber ungezwungenes und absichtsloses Zusammenwirken hervorbringen und unterhalten.“

Wilhelm von Humboldt, „Über die innere und äussere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin“, 1809/10.

 

„Machen wir uns hingegen lieber klar, was Humboldt für uns tatsächlich darstellt, was wir aus ihm machen: Er ist für uns nichts weiter und nichts weniger als das eskapistische Gegenmodell. [...]Alles das: so ziemlich das genaue Gegenteil der wirklichen Universität von heute.“

Dr. Thomas Grünewald, Vizepräsident der Universität Potsdam, „Studium 2.0: Zehn Thesen im 12. Jahr von Bologna“, Rede zum dies academicus „Bologna 2.0 – Wie wollen wir in Hamburg studieren?“, 17. April 2012.

Bologna ist offenkundig gescheitert. Das selektive Bachelor/Master-Studium mit seinem fordistischen Punktesammelsystem, exzessiver Prüfungswut, Mißtrauens- und Kontrollkultur (z.B. Anwesenheitslisten), beschränktem Wissen als Fertigware (Module) und bulimischem Paukkonzept hat nichts als Schaden angerichtet.

Der „Realpolitiker“ Doktor Grünewald (Dr. Sachzwang) jedoch verteidigt diesen Unfug als weitgehend gelungen.

Er flieht mit großem Getöse die Wirklichkeit.

Hätten der Vizerektor aus Potsdam und all die anderen Bologna-Apologeten nicht ganz so überheblich Humboldt ins Reich der Traumtänzerei abgeschoben, wären ihnen dessen Erkenntnisse frühe und hilfreiche Mahnung gewesen:

„Sobald man aufhört, eigentlich Wissenschaft zu suchen, oder sich einbildet, sie brauche nicht aus der Tiefe des Geistes heraus geschaffen, sondern könne durch Sammeln extensiv aneinandergereiht werden, so ist Alles unwiederbringlich und auf ewig verloren.“ (a.a.O.)

Wilhelm von Humboldt war – trotz adeliger Herkunft – ein vehementer Befürworter und Zeitzeuge der französischen Revolution. Sein Wirken für die Autonomie, also Eigenständigkeit der Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen, war Opposition gegen den autoritären preußischen Staat, gegen Krieg und Militarismus und gegen die feudale Ungleichheit. Sein Humanismus war gerichtet auf die Bildung mündiger Bürger, die sich so als Menschheit, als Gesamtheit in die Lage versetzen, ihre gemeinschaftliche Entwicklung zu bestimmen.

Dieser rationale Emanzipationsanspruch ist hoch aktuell. Die Alternative zum Hamsterrad hat hier ihren Maßstab.

Das Mindeste ist daher, die Bologna-Studiengänge stark zu reformieren: Fristen und andere Restriktionen zu beseitigen, ebenso den Prüfungsterror und die Hürde zwischen Ba und Ma. Auch dafür bedarf es einer erweiterten öffentlichen Finanzierung.

Dies eröffnet dann neu die Möglichkeit für vertieftes Lernen, eine solidarische Lernkultur der gegenseitigen Begeisterung, für den kritischen Gesellschaftsbezug der Wissenschaften (gegen Verwertungsdogma und auch heute gegen den Krieg) und mehr Muße für das politische Engagement in Hochschule und Gesellschaft.

Auf diese Weise gewinnt ein heißer politischer Herbst den tieferen Sinn.

Das kollektive befreiende Engagement ist der Ausgang aus der verordneten Unmündigkeit.

Wird alles gut in Afghanistan?
Perspektiven einer Friedensentwicklung

„Ist der Krieg unnötig, ist auch die Tapferkeit unnötig. Sind die Institutionen gut, muß der Mensch nicht besonders gut sein. Freilich ist ihm dann die Möglichkeit gegeben, es sein zu können. Er kann frei, gerecht und tapfer sein, ohne daß er oder andere zu leiden haben.“

Bertolt Brecht: Me-Ti. Buch der Wendungen, entstanden in den 1930er Jahren im Exil.

Am 7. Oktober jährt sich der Jahrestag des Überfalls der NATO auf Afghanistan zum elften Mal. Schätzungsweise 200.000 Menschen, etwa die Hälfte davon Zivilisten, wurden in diesem Krieg getötet. Auch soziale Infrastruktur, Wissenschaft und Kultur, Wirtschaft und Erwerbsmöglichkeiten wurden massenhaft vernichtet und die Menschenwürde wird mit Stiefeln getreten. Die Gesellschaft ist von Gewalt durchdrungen und der Drogenhandel in Afghanistan hat einen Umfang erreicht, der einmalig auf der Welt ist. Der Krieg wurde längst auf Pakistan ausgeweitet, wo ständige Bombardierungen unbemannter Drohnen die Wut auf „den Westen“ täglich neu nähren und auch reaktionären religiösen Kräften in die Hände spielen.

Der Krieg ist für die NATO längst militärisch wie politisch verloren. Der Frieden muß aber noch errungen werden. Bis Ende 2014 sollen nach offiziellen Angaben die Kampftruppen aus Afghanistan abgezogen werden – auch eine Folge der dauerhaften internationalen Proteste. Damit ist aber keineswegs ein vollständiger Abzug und ein echter Friedensprozeß beabsichtigt, sondern eine Dauerbesatzung unter Einbeziehung heimischer „Sicherheitskräfte“ zur Absicherung der Karsai-Regierung und eines neo-liberales Wirtschaftsmodells. Auch dieses Szenario ist zu kritisieren, weil Militär und Polizei nicht die Lebensbedingungen verbessern (können) und Bedürfnisse der Bevölkerung ignorieren.

In Afghanistan kämpfen zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen mutig gegen die Besatzung, gegen die korrupte Regierung und reaktionäre warlords für Menschenrechte, soziale Rechte und demokratische Verhältnisse. Vermittler arbeiten intensiv auf allen Ebenen, um eine zivile Entwicklung zu ermöglichen und einen Bürgerkrieg zu verhindern. (Ein dadurch erreichtes Angebot der „Taliban“ zu einem Waffenstillstand und politischen Verhandlungen wurde von den Besatzungsmächten jedoch bislang abgelehnt.)

Entscheidend dafür, daß die afghanische Bevölkerung ihre Zukunft souverän in die Hand nehmen kann, ist, daß der Krieg von hier aus gestoppt wird. Alle Truppen müssen umgehend abgezogen werden, um die Gewalt zu beenden und den Weg für den politischen Dialog frei zu machen. Neben freien und gleichen Wahlen und umfassender demokratischer Partizipation muß politisch durchgesetzt werden, daß die kriegführenden Staaten alles, was sie zerstört haben, wieder herstellen. Statt, daß Unsummen in die Zerstörung von Leben „investiert“ werden, müssen tatsächlich humanitäre Hilfe gestärkt und ein humanes, kostenloses Gesundheitswesen ausgebaut werden. Es müssen Grundlagen für eine Entwicklung von Landwirtschaft und Industrie geschaffen werden, die dazu beiträgt, die allgemeinen Lebensbedingungen auf Höhe der Zeit zu heben. Allein die Beseitigung der Massenerwerbslosigkeit ist eine riesige Herausforderung. Vernünftige Bildung brauchen alle Menschen und aufgeklärte Wissenschaft trägt dazu bei, das menschliche Leben progressiv zu verändern. Geistreiche Kultur ist eine Zivilisierung der ganzen Gesellschaft.

Mit einem solchen Entwicklungsprogramm wäre auch das Völkerrecht auf seine ursprünglichen Wurzeln zurückgeführt und hätten die Vereinten Nationen eine wirklich sinnvolle Bedeutung.

In den westlichen Industrieländern muß nachhaltig die Einsicht realisiert werden, daß Militärinterventionen, wo auch immer, nur Schaden anrichten und daß Frieden, soziale Gerechtigkeit und Demokratie eine Einheit bilden. Auch: Von deutschem Boden darf wirklich „nie wieder“ Krieg ausgehen!

So gesehen ist das Engagement gegen Krieg und Krise überall gleich erforderlich und die Verwirklichung der Würde des Menschen eine gemeinsame globale Angelegenheit.

Die Liste Links trifft sich Freitags, 15 Uhr, im studentischen Café Subkultur-Paranoia der Erziehungswissenschaft. (Im Souterrain des schwarzen Würfels)

Sozialdemokratisch reicht auch nicht
oder
Echte Verbesserungen stehen auf der Tagesordnung

„Die SPD ist die Partei der fleißigen Leute, die Partei der Arbeit. Daraus folgt zwingend auch eine sehr pragmatische Wirtschaftspolitik. (...) Die Haushaltskonsolidierung hat für uns alle Priorität. Klar ist, dass wir die Schuldenbremse einhalten wollen. Man kann auf Dauer nicht mehr Geld ausgeben, als man einnimmt. Wir werden in Folge der Schuldenbremse aber darüber reden müssen, wie die Einnahmeseite der öffentlichen Haushalte maßvoll verbessert werden kann.“

O. Scholz (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, Interview mit dem „Tagesspiegel“, 4.6.'11.

 

„Die SPD hatte Wichtigeres zu tun; wenn in Deutschland ein Unheil im Anzug ist, dann steht die Bonzokratie dieser Partei da und setzt durch, daß im § 8 des Unheils statt ‚muß‘ die Worte ‚soll nach Möglichkeit‘ stehen. Es sind wackere Parlamentarier.“

Kurt Tucholsky, „Die Keuschheitsgürteltiere“, 1930.

Bücher
„Wenn der Mensch
von den Umständen
gebildet wird, so muß
man die Umstände
menschlich bilden.“

Karl Marx/Friedrich Engels,
„Die heilige Familie“
1844/45, MEW 2, S.138.

Erstens: Der schwarz-grüne Senat hat viel Unheil angerichtet. Der sozialdemokratische Senat will aus diesen massiven Fehlern nur sehr sparsam lernen.

Zweitens: Hamburg ist seit ein paar hundert Jahren noch nie eine arme Stadt gewesen.

Drittens: Die Mehrheit der Bevölkerung muß selbst für das Allgemeinwohl sorgen.

In diesem Zusammenhang sind die Hochschulen eine politische Angelegenheit. Aufklärung oder Betriebswirtschaft.

Soziale Offenheit, demokratische Partizipation, solidarisches Lernen, gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaften – ausreichend öffentlich finanziert – stehen auf der Tagesordnung. Das ist ein praktischer Widerspruch zu Studiengebühren, Ba/Ma, Hochschulrat und negativ fortgesetzter Unterfinanzierung.

Emanzipation durch Bildung ist von großer Nützlichkeit. Positive Veränderungen sind ein gewachsenes Bedürfnis.

Auf diese Weise hat sich 1993 die Liste LINKS gegründet. Wir arbeiten zusammen mit anderen fortschrittlichen Gruppierungen in den Gremien der studentischen Interessenvertretung, in der Akademischen Selbstverwaltung und in außerparlamentarischen Bewegungen: in Fachschaftsräten, in der Fachschaftsrätekonferenz, im Studierendenparlament, im Akademischen Senat, in Fakultätsräten, in der Friedensbewegung, in Bündnissen gegen Neofaschismus, in Aktivitäten gegen Sozialabbau. Wir sind bundesweit als Gründungsmitglied im Hochschulgruppenverband Die Linke.SDS organisiert.

Dieses Engagement begreifen wir als alltägliche und sehr menschliche Angelegenheit. Allseitige Emanzipation sei erstes Bedürfnis. Dem sollte sich auf Dauer niemand entziehen.

„Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“

Bertolt Brecht, „Lob der Dialektik“, 1934.

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So oder so
Griechenland ist überall

„Merkel will den Partnerländern vorschreiben, ja verordnen, was in Deutschland als Zauberformel für Wirtschaft und Politik gilt. Der deutsche Imperativ lautet: Sparen! Sparen im Dienste der Stabilität. In der politischen Realität entpuppt sich die Sparpolitik der berühmt-berüchtigten schwäbischen Hausfrau dann aber bald als dramatische Kürzung der Mittel für Renten, Bildung, Forschung, Infrastruktur und so weiter. Wir haben es mit einem knallharten Neoliberalismus zu tun, der nun in Gestalt des Fiskalpakts auch in die Verfassung Europas eingebaut wird – und zwar vorbei an der (schwachen) europäischen Öffentlichkeit.“

Ulrich Beck (Soziologe), „Merkiavellis Macht“, „SPIEGEL“-Essay, Nr. 41/2012, S. 50f.

 

„Immer deutlicher wird, dass der Athen aufgezwungene Sparkurs nicht das gebracht hat, was er eigentlich hätte bringen sollen, nämlich durch eine stetige Reduktion des Haushaltsdefizits die Voraussetzungen für solides Wachstum zu schaffen. Stattdessen drohen ein weiterer Rückgang der Wirtschaftsleistung und, damit einhergehend, weniger Steuereinnahmen. Dies bedeutet eine neue Sparrunde – ein Anziehen der Steuerschraube oder weitere Ausgabenkürzungen. Damit aber dürften die Grenzen dessen, was die griechische Gesellschaft ertragen kann, erreicht sein.“

Anton Christen, „Griechisches Dilemma“, „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“), 9.10.´12.

 

„Aber nur Erkenntnis führt zu Ideen führt zu Konzepten führt zu strategischem Handeln.“

Peter Ehrlich, „Schluß mit der Selbstbespiegelung“, „Financial Times Deutschland“ („FTD“), 11.10.´12, S. 24.

Gesunder Menschenverstand
Sparen bringt nichts als Verdruß,
Auch wenn´s heißt, ein jeder muß
Stetig sich die Luft wegschnallen –
Und dann in den Graben fallen.

Frau Merkel hatte einen furiosen Empfang in Griechenland. 7.000 Polizisten in der näheren Umgebung, militärische Ehren, einen beflissenen Ministerpräsidenten – und 50.000 Gegendemonstranten.

In der Tat: „die Grenzen dessen, was die griechische Gesellschaft ertragen kann“– und will –, sind (mindestens) erreicht. Die Austeritätspolitik (austerity: Enthaltsamkeit, Dürftigkeit), die die Kanzlerin in deutschen Landen modifiziert betreibt, soll Griechenland in der härtesten Variante verordnet werden, damit nicht nur die Banken den Reibach davon haben, sondern damit auch hierzulande dieser gesellschaftspolitische Crashkurs fortgesetzt werden kann.

(Dabei könnte schon das historische Beispiel des konservativen Reichskanzlers Heinrich Brüning, 1930-1932, dessen Politik in die wirtschaftliche und politische Katastrophe geführt hat, zeigen, daß Lernen statt Beharren besser ist.)

Lernen können die meisten Parteien, Politiker und Amtsträger nicht nur aus den negativen materiellen Konsequenzen ihres quasireligiösen Handelns, sondern auch daraus, wie der fortgesetzte Verstoß gegen die Interessen der Mehrheit und die allgemeine positive Entwicklung von eben dieser Mehrheit reflektiert und bewertet wird.

Mittlerweile sind 80 Prozent der Bevölkerung der Meinung, daß die (wachsende) Kluft zwischen Arm und Reich die Demokratie gefährdet. Nicht sozial ist nicht demokratisch. Da liegt der logische Umkehrschluß sehr nahe. Sozial ist demokratisch ungleich SPD u.a.

Damit aber aus der Idee, dem Konzept und der richtigen Orientierung im strategischen Handeln Realität wird, muß in der Öffentlichkeit stärker und auf Dauer zum Ausdruck kommen, daß die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung eng mit einer positiven Gesamtentwicklung der Gesellschaft verknüpft sind. Geld ist genug da.

Der politische Herbst mag einige Wärmegrade zunehmen.

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Plagiatoren aller Länder, …
Eine dringliche Empfehlung

„Ausgerechnet eine Dissertation mit dem Titel 'Person und Gewissen'. Wegen dieser Arbeit geht es für die Politikerin Anette Schavan, CDU-Mitglied seit 37 Jahren, jetzt um alles. Verliert sie ihren Doktortitel, verliert sie wohl auch ihren Posten im Kabinett. Angela Merkel müsste ohne eine ihrer engsten Vertrauten, eine neue Gefährtin und geschätzte Gesprächspartnerin, auskommen.“

Klaus Brinkbäumer, Jan Friedmann, Barbara Schmid, Markus Verret, „In Autopsie“, „SPIEGEL“, Nr. 42/2012.

 

„Und in der Tat haben jederzeit die Verantwortlichen auch nur dann die Konsequenz aus ihrer Übernahme der Verantwortung ziehen müssen, wenn das Volk Geschichte gespielt hat.“

Alfred Polgar, „Verantwortung“, 1919.

Frau Schavan hat, wie man so sagt, geschummelt. Das ist zwar 40 Jahre her, bekommt aber aktuelle Bedeutung, weil es jetzt um die politischpersönliche Glaubwürdigkeit einer bestimmten Politik geht.

Frau Schavan wird von einem gründlichen Gutachter „leitende Täuschungsabsicht“ nachgewiesen. Bestätigt der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät Düsseldorf diese Bewertung, wird der Bundeswissenschaftsminsterin die Doktorwürde aberkannt. Da die Ministerin keinen Diplom- oder Magisterabschluß gemacht, sondern sich gleich promoviert hat, stünde sie ohne Studienabschluß da. Dadurch wäre sie politisch durch die Bundeskanzlerin nicht mehr haltbar.

Frau Schavan ist eine treue Konservative. Sie hat, gegen alle Offenkundigkeit des Scheiterns, die Studienabschlüsse Bachelor und Master verteidigt. (Könnte sie im Falle der Aberkennung ihrer Promotion ein Bachelor-Äquivalent beantragen?)

Sie vertritt die nunmehr abgeschafften Studiengebühren, die Wirtschaftsnähe der Wissenschaften und hat lobend zur Einführung der unseligen Präsidentin Monika Auweter-Kurtz („Raketen- Moni“) in Hamburg gesprochen.

Sie reiht sich – sehr wahrscheinlich – ein in die Gruppe von konservativen (und, na ja, liberalen) Politikern und Politikerinnen, denen Unredlichkeiten beim Verfertigen wissenschaftlicher Abschlußarbeiten nachgewiesen worden ist. Den meisten ist der wissenschaftliche Titel aberkannt worden, was auch zu Amtsverlusten geführt hat.

Bemerkenswert ist hierbei dreierlei:
1.) Die neoliberale Doktrin und Politik ist gescheitert. Das Vertrauen in die Allmacht des technokratischen Marktglaubens ist geschwunden.
2.) Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Es wird zunehmend hinter die Kulissen geschaut.
3.) Eine neue Etappe beginnt. Es soll (wieder) kooperativer, sozialer, vernünftiger und demokratischer werden.

Daraus ist abzuleiten, daß es sich lohnt, „Geschichte zu spielen“.

Deshalb der Rat: Plagiatoren aller Länder, verpiselt euch!

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Keine Angst vor Verbesserungen
Eine Orientierung für die eindeutige Mehrzahl

„Ein Vergleich zwischen den USA und Schweden ist deshalb [wegen der Zukunft der Kinder] aufschlussreich. Aus Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geht hervor, dass die USA mit 17,3 Prozent eine Armutsrate aufweisen, die etwa doppelt so hoch liegt wie der schwedische Wert von 8,4 Prozent. Und die Inhaftierungsrate ist in den USA zehnmal höher als in Schweden, wo nur 70 Personen pro 100.000 Einwohner im Gefängnis sitzen. Im Durchschnitt sind die Vereinigten Staaten reicher als Schweden, aber die Einkommensschere zwischen Reichsten und den Ärmsten klafft in den USA viel weiter auseinander. Und die Amerikaner gehen mit ihren Armen nicht unterstützend, sondern bestrafend um. Amerika weist unter den Ländern mit hohem Einkommen heute den beinahe geringsten Grad an sozialer Mobilität auf.“

Jeffrey Sachs, „Vom Tellerwäscher zum Tellerwäscher“, „Financial Times Deutschland“ („FTD“), 31.10.´12, S. 24.
Der Autor ist Ökonom an der Columbia University New York und Sonderberater von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.

 

„Aufklärung in allen Ständen besteht eigentlich in richtigen Begriffen von unseren wesentlichen Bedürfnissen.“ (246)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft J, 1789-1793.

Vergleiche sind häufig hilfreich, besonders dann, wenn sie nicht aus Mißgunst oder in Demut geschehen, sondern um (neue) Erkenntnisse bzw. Entwicklungsmöglichkeiten auszuloten.

In Schweden wächst kein Gold, auch blühen hier keine Zitronen, aber das Maß an gesellschaftlicher sozialer Ungleichheit ist vergleichsweise gering.

Dadurch geht es den Menschen einfach besser als in anderen industrialisierten Ländern, die sich weitaus stärker der Doktrin des Neoliberalismus verschrieben haben, die Ökonomie ist weniger krisenanfällig und viele Leute sind schlicht sympathischer als oberflächlich freundliche Konkurrenzbolzen. In einem solchen Alltag geht es strukturell fairer zu. Das liegt am weitgehend beibehaltenen Sozialstaat, der in den letzten 20 Jahren weltweit – zu Unrecht – stark in Verruf geraten ist.

Die weltweite Wirtschafts-, Sozial- und Sinnkrise allerdings, mitsamt ihren politischen Auseinandersetzungen, führt dazu, daß immer mehr mindestens die soziale Gerechtigkeit – auch als Basis einer demokratischen Gesellschaft – in den Fokus der Ansprüche, der menschlichen Zwecke sowie der möglichen Krisenlösung gerät. So ist auch der obige Vergleich zwischen Schweden und den USA zu verstehen.

Die fiebrigen Großgeschäfte werden als Ursache vieler Menschheitsprobleme erkannt, der Mensch mit seinen Bedürfnissen – zu denen der Krieg gewiß nicht gehört – kommt in Worten und Taten immer stärker zum Ausdruck.

Vernünftigen, bedarfsgerechten und hinreichend finanzierten öffentlichen Einrichtungen (Soziales, Bildung, Gesundheit und Kultur) steht das Dogma der „Schuldenbremse“ entgegen. Sie ist eine Entwicklungs- und Emanzipationsbremse, und sie ist keine Zwangsläufigkeit, auch wenn das große „Muß“ fortgesetzt behauptet wird.

Niemand sollte an den Unsinn des Verzichts glauben. Es ist lohnend, sich für ein menschenwürdiges Leben zu engagieren.

Und auch, wenn schwedische Verhältnisse erreicht sind, ist dies kein Grund, die Entwicklung von Ansprüchen einzustellen.

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Kulturaufbau!
Überlegungen zur Vermenschlichung

„Denn ‚Die Unersättlichen‘ [Buch von Greg Smith über seinen Ausstieg bei Goldman Sachs] wartet eben nicht mit skandalösen Details oder namentlichen Enthüllungen auf, nach denen sich die jetzt so enttäuschten Kritiker offenbar gesehnt haben. Skandalös ist der beschriebene Kulturverfall als Ganzes: eine Verschiebung der Machtbasis bei Goldman Sachs vom Investmentbanking zum Trading, durch die der Kunde weniger als jemand angesehen wurde, der beraten wird, sondern als Kontrahent, der nur noch die Gegenseite einer Transaktion darstellt.“

Julia Encke, „Wie verkommen sind wir eigentlich?“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 4.11.´12, S. 29.

 

„Dem Geld erweisen die Menschen Ehren.
Das Geld wird über Gott gestellt.
Willst du deinem Feind die Ruhe im Grab verwehren
Schreibe auf seinen Stein: Hier ruht Geld.“

Bertolt Brecht, „Vom Geld“, Gedichte 1927-1930.

Schon das „normale“ Bank-, Kapital- und Finanzgeschäft ist kein Zuckerschlecken: Da wird in Rüstungsproduktion und -export investiert, auf Nahrungsmittelpreise spekuliert; die Börsenkurse steigen bei angekündigten Entlassungen der Mitarbeiter – aber auch die banalen Dispo- Zinsen für ein obligates Girokonto sind nicht von Pappe. Hier regiert Geld.

Bei Goldman Sachs wird der Wahnsinn mit Methode auf die Spitze getrieben. Davon handeln manche Erzählungen aus dem Innenleben der Großbank, auch die von Greg Smith. Hier werden Regierungen (z.B. USA) manipuliert bzw. (Griechenland) in den Ruin getrieben.

Wenn vom Geld die Rede ist, so sei es meist nicht da: Für Löhne, Steuern, Gesundheitseinrichtungen, Kindergärten, Schulen, Jugendhäuser, öffentliche Bibliotheken, ebenso Schwimmbäder, Parks, Hochschulen, Theater, Museen, Schienen, Straßen und Gehwege – für die Pflege der gesellschaftlichen Kultur.

Außerdem, nicht zuletzt, ist durch das Geschäftefieber („unruhige Märkte“) eine Verrohung der sozialen Kultur eindeutig zu beobachten: Über dem zitierten (s.o.) Artikel ist ein Bild zu sehen, auf dem im Hochhaus von Goldman Sachs feixende Angestellte an einem Fenster stehen und sich über die „Occupy Wall Street“- Demonstranten auf der Straße lustig machen. Hier ist also deutlich zu sehen, wie die Rohheit der Geschäfte zur Rohheit der Verhaltensweise führt. Die Massivität der obwaltenden Spekulation ohne zivilen Sinn ist zynisch.

Gegen diesen Zynismus hilft nur, das Menschliche wieder in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen und individuellen Handelns zu stellen.

Wir brauchen keinen Krieg, keine strukturelle Gewalt, aber Arbeit, Bildung und Kultur – weltweit, vor Ort; gemeinsam und persönlich.

Zu diesen ursprünglich menschlichen Zwecken ist es erforderlich, eine aussichtsreiche Alltagskultur der Solidarität zu entwickeln. Sie beginnt mit der (Rück-) Gewinnung geistiger Souveränität.

Auch an der Universität.

„Jedenfalls gibt es keinen Grund, der PR-Abteilung von Goldman Sachs die Meinungshoheit zu überlassen.“

(Julia Encke, a.a.O.)

Recht hat sie.

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Verunsicherte Konservative
Ein positiver Indikator

„Die Stadt ist ja kein Moloch von lauter Ausgeflippten. Ich glaube allerdings, dass in der Großstadt die Lebenswirklichkeiten und Konflikte einer Gesellschaft viel härter aufeinanderprallen als auf dem Land, wo die Welt zumindest vordergründig noch eher in Ordnung ist. Dass unser Bildungssystem nicht gerecht ist, dass eine Entscheidung nach vier Jahren, auf welche Schule das Kind zu gehen hat, kein vernünftiger Zeitpunkt ist, dass Leute mit Migrationshintergrund kaum eine Chance haben, Akademiker zu werden, dass wir anstelle einer Leistungsgesellschaft immer mehr eine Erfolgs- und Statusgesellschaft werden, spüren sie in der Großstadt. Und zwar jeder, auch der, der oben ist. Frau Merkel zitiert öfter Lenin, der angeblich gesagt hat: Die Wahrheit ist immer konkret. Das stimmt. Aber die konkrete Wahrheit in der Großstadt ist oft anders als die Antworten der CDU.“

[Frau Merkel zitiert aus: W.I. Lenin, „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“, 1905.]

Ole v. Beust im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“), 11.11.´12., S 2.

 

„Wir können uns das Vergnügen nicht versagen, hierbei zu bemerken, daß wir in diesem seltenen Falle mit den Anschauungen Seiner Exzellenz vollauf und unbedingt einverstanden sind.“

W.I. Lenin, „Woran denken unsere Minister?“, 1895/1924, Lenin-Werke (LW) 2, S. 82.

Seit in den USA die Republikaner mit ihrem Nationalismus, dem religiösen Wahn, dem Kriegskurs, einem harten Neoliberalismus und ihren vor-aufklärerischen Kultur- und Menschenvorstellungen bei weitem nicht hinreichend überzeugen konnten und auch noch im biederen Stuttgart ein Grüner (Fritz Kuhn) Bürgermeister geworden ist, kommen die Konservativen ins Bedenken.

Ole v. Beust, durch Hamburg erzogen, will die CDU liberaler haben – mit ein wenig sozialem Gewissen.

(Vergessen sei dabei aber nicht, daß er mit dem Rechtspopulisten Schill eine Koalition eingegangen ist und den Volksentscheid zum Beibehalt der Krankenhäuser im öffentlichen Besitz ignoriert hat sowie maßgeblich für die Bauruine „Elbphilharmonie“ verantwortlich ist.)

Die CDU als sogenannte Volkspartei braucht eine gesicherte Mehrheits- bzw. Regierungsoption in den Zeiten der Krise, wo immer weniger an konservative und neoliberale Märchen geglaubt wird. So soll sich (wieder) auf die Grünen zubewegt werden.

Gegen die sich mehr als zaghaft ausbreitende Solidarität wird ein Integrationskonzept gesucht, damit Ansprüche, Bewegungen und Gesellschaft nicht allzu sehr friedlich, demokratisch und sozial werden. Auf diese Weise kommt zum Ausdruck, daß der Druck auf die erstarrte Austeritätspolitik der vergangenen Jahrzehnte gewachsen ist. Krieg ist nicht Frieden, Börsenkurse und Boni sind kein höherer Lebenssinn, der Markt fungiert als Scharfrichter des Sozialen und unnötige Armut ist kaum hinzunehmen.

An dem Streit in der CDU bzw. dem weiteren Einlenken des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters gegenüber den Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung respektive an seinem erweiterten Realismus wird deutlich, wie weit wir schon gekommen sind und wie wenig wir uns ins Bockshorn jagen lassen sollten.

Hier ist der Punkt erreicht, an dem die Ansprüche an ein menschenwürdiges Leben, an eine vernünftige Gesellschaft erweitert werden können und sollten. Die gemachten Einräumungen gehen auf das Engagement für ein besseres Leben zurück. Jetzt geht mehr.

Beispielsweise gehören öffentliche Aufgaben in öffentlichen Besitz. Und: die „Schuldenbremse“ ist zu lösen.

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Ungeschminkt
oder
Schmutziges Wasser

„Was verstehen Sie denn unter konservativ?

Ich schütte in der Wüste einen Eimer schmutziges Wasser erst weg, wenn ich einen mit sauberem danebenstehen habe.“ (…)

„Trotzdem muss man offensiv sagen dürfen: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, weil nur die Familie die Gesellschaft stabilisiert und das Überleben eines Volkes sichert.“ (…)

„Menschen sind geborene Mitläufer. Das entspringt einem natürlichen Selbsterhaltungstrieb.“ (…)

„Nur diejenigen dürfen kommen, die unserem Land nützen oder die wirklich verfolgt sind. Daran müssen wir die Erwartung knüpfen, dass die Zuwanderer sich mit diesem Land und seiner Geschichte identifizieren, die Sprache lernen und es für selbstverständlich halten, auf dem Fußballplatz die Nationalhymne mitzusingen.“

Erika Steinbach (CDU), Präsidentin des „Bundes der Vertriebenen“ („BdV“), im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“), 19.11.´12, S. 2.

 

„VI. Dienstboten sind eine von den Besitzenden verschiedene Rasse, aber sie empfinden das nicht so.“

Kurt Tucholsky, „Die Glaubenssätze der Bourgeoisie“, 1928.

Frau Steinbach bietet uns einen Eimer schmutzigen Wassers, weil sie keinen mit sauberem danebenstehen hat.

In ihrer Replik auf Ole v. Beust, der die CDU ein wenig liberaler und sozialer haben möchte, enthüllt sie die Kerngedanken eines unverbrüchlichen, ordnungspolitischen sowie vor-aufklärerischen Weltbildes und Politikkonzeptes.

Der „Bund der Vertriebenen“ („BdV“), dessen Präsidentin sie seit 1998 ist, steht dafür, daß er eigentlich die „verlorenen Ostgebiete“ wieder haben will. Er war, bis in seine Leitungsspitze, lange durchsetzt mit Alt-Nazis und relativiert bis heute die Nazi-Verbrechen. So weit, so schlecht. Frau Steinbach steht fest am rechtesten Rand der CDU.

Mit der politischen Hauptlinie der Partei hat sie dennoch gemein, daß die Gesellschaft nach strengen ordnungspolitischen Grundsätzen regiert gehöre.

Familie, „Vaterland“, bedingungsloser gesellschaftlicher Vorrang der privaten Wirtschaft und ein hierarchisches Menschenbild stehen jeglichem Emanzipationsgedanken und entsprechenden politischen, auch lebenspraktischen, Konsequenzen entgegen. Herren sind Herren; Dienstboten sind Dienstboten – hier und überall.

Diese Weltsicht ist zwar gänzlich unzeitgemäß, aber immer noch wirksam – zumindest in der CDU und im „Musikantenstadl“.

Insofern ist zu begrüßen, daß in einer allgemeinen Umfrage 70 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung ablehnen.

Bundeskanzlerin Merkel (CDU), die regelmäßig brav den „BdV“ besucht, steht zwar noch relativ gut in der allgemeinen Gunst, aber das mag sich ja auch noch ändern.

Das Konservative befindet sich in jedem Fall schwer auf dem öffentlichen Prüfstand.

Das dunkel Hinterwäldlerische und dumpfe Echo dieses Programms spiegelt die Richtigkeit und Notwendigkeit der Einheit von Freiheit, Gleichheit, Solidarität oder von Arbeit, Bildung und Kultur für Alle. Menschen sind geborene Subjekte.

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Wohin weist die „Lernkurve“?
Eine Alternative

„SPIEGEL: Würden Sie heute wieder verweigern, wenn es noch die Wehrpflicht gäbe?

Trittin: Ich würde heute wahrscheinlich mit einer anderen Haltung an die Sache herangehen. Viele Soldaten in der Bundeswehr sind heute oft viel ziviler als die Zivilisten, die sie kommentieren oder kontrollieren.

De Maizière: Eine beachtliche Lernkurve für einen Grünen!“

Bundes„verteidigungs“minister Thomas de Maizière (CDU) und Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen im Bundestag,

im „SPIEGEL-Streitgespräch“, Nr. 48/2012.

 

„Jeder Pazifismus, der den Krieg für Petroleum, für Industrie, für Schutzzölle nicht rundweg ablehnt, ist weder gesund noch ungesund, sondern überhaupt keiner.“

Kurt Tucholsky, „›Gesunder Pazifismus‹“, 1928.

Picasse, Friedenstaube: Auch Picasso hatte recht.

Die Grünen sind mittlerweile erwachsener geworden als ihre Eltern, der CDU geht gnadenlos die gelbe Mehrheitsbeschafferin verloren: Da reizt es den „SPIEGEL“, den amtierenden Kriegsminister und den ehemaligen Kriegsdienstverweigerer zum Gespräch zu bitten. Es werden Regierungskoalitionen ausgelotet, die die bisherige Bundespolitik ein wenig modifizieren könnten. Beruhigung gelte als die erste Bürgerpflicht.

Krieg ist in der bundesdeutschen Bevölkerung mehrheitlich stabil unbeliebt.

Dem trägt Jürgen Trittin beispielsweise damit Rechnung, daß er den Einsatz von Drohnen ablehnt und dafür votiert, daß man „andere Gesellschaften und Regimes lieber mit Waffen ausstattet.“

Die Grünen bieten sich auf dem politischen Markt als Alternative an, sind aber schon seit langem keine Friedens- oder pazifistische Partei mehr. Deswegen fällt es ihnen auch so schwer, sich der Koalitionsangebote durch die CDU zu erwehren.

„Wenn jemand etwas schlecht macht, das man gut erwartet, so sagt man: nun ja, so kann ichs auch. Es gibt wenige Redensarten, die so viel Bescheidenheit verraten.“ (Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft K, 1793-1796.)

Die Zeit der Bescheidenheit aber ist vorbei.

Frieden ist zu schaffen durch die Beendigung von Kriegen (und keinem Beginn von neuen), dem Verbot von Waffenexporten, einer rein zivilen Pädagogik auf allen Ebenen, der Entlastung des Staatshaushaltes von solch unsinnigen Aufgaben und Ausgaben sowie der nachhaltigen Umwandlung der Rüstungsproduktion in die Herstellung sinnvoller Güter.

Der destruktiven Macht kaum gehinderter Finanzspekulationen ist intensiv zu begegnen, damit das Elend beseitigt werden kann bzw. die sinnvollen öffentlichen Aufgaben (Gesundheit, Bildung, Soziales, Kultur, Mobilität) den Bedürfnissen der Bevölkerung angemessen wahrgenommen werden können. Reichtum ist kein Wert an sich, sondern für die positive Entwicklung menschlicher Gesellschaften respektive das Wohlergehen der Mehrheit einzusetzen.

Diese – praktisch sehr wirksame – Lernkurve weist in die richtige Richtung. Viele kritische Aktivitäten befinden sich auf dieser Bahn.

Und: Das ist der Weg aus der Krise.

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Ein Abgrund von Mangel an Politik
oder
Das Konsolidierungsdogma

„Die Fehler bei der Elbphilharmonie sind am Anfang gemacht worden. Man hat begonnen ein Gebäude zu bauen, bevor man es fertig geplant hatte.“ (…)

„Stabilität existiert zunächst einmal dadurch, dass wir einen klaren haushaltspolitischen Kurs haben, der sich komplett von dem unterscheidet, was über viele Jahrzehnte in dieser Stadt und anderswo gegolten hat. Die Ausgaben dürfen in Hamburg nicht um mehr als ein Prozent pro Jahr steigen. So wollen wir es schaffen, spätestens 2019 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.“

Bürgermeister O. Scholz (SPD) im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“, 7.12.´12, S. 6.

 

„Das Mißtrauen gegen den Geist ist Mißtrauen gegen den Menschen selbst, ist Mangel an Selbstvertrauen.“

Heinrich Mann, „Geist und Tat“, 1910.

 

„Demokratie in einem grundsätzlichen Verständnis ist wohl keine Sache, die ein für alle Mal verwirklicht ist. Sie muss immer neu hergestellt, errungen werden, auch bei uns.“

Der Philosoph Joseph Vogl im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“), 2.12.´12, S. 28.

Oh, Haushalt! Was ist los in Hamburg?

Der ursächliche Fehler bei der „Elbphilharmonie“ ist, sie überhaupt – koste es, was es wolle – gebaut haben zu wollen. (Die SPD war und ist aber mehrheitlich einverstanden.)

Statt neben Staatsoper und Musik-(„Laeisz“-)Halle und einer relativ reichhaltigen Musikszene (die ja teilweise öffentlich gefördert wird) beispielsweise nicht zuletzt den Musik-Unterricht in Schulen und Hochschulen stärker zu fördern, wird auf ein urbanes Prestigeobjekt gesetzt, dessen Konzertsaal das Minimum des Gebäudes ausmacht, welches bald ein halbe Milliarde Euro öffentlicher Gelder verschlingen wird. Die politische Defensivität gegenüber „Hochtief“ ist dabei ein in den Grundstein des Quaders gelegtes Problem.

Das größte Problem bei der politisch erstarrten „Haushaltskonsolidierung“ („Schuldenbremse“) ist die Ignoranz gegenüber den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung, den entsprechenden öffentlichen Einrichtungen bzw. der positiven Entwicklung des (städtischen) Gemeinwesens. Das Schlagloch ist zur Metapher der politischen Nachlässigkeit geworden.

Da hilft auch nicht, wenn der Bürgermeister „Stabilität“ vorgaukelt, wenn Soziales, Bildung, Gesundheit und Kultur – bei einer Differenz von „Schuldenbremse“ (0,88%) und Teuerungsrate (~2,0%) von mindestens einem Prozent pro Jahr – zwanghaft zusammengekürzt werden. Dies ist ein regierungsamtliches Armutszeugnis in einer (eigentlich) reichen Stadt. Nach eigenem Bekunden wird damit auch – zum Teil bessere – sozialdemokratische Politik „über viele Jahrzehnte“ revidiert. Solidarität, Soziales scheinen zu einem Pofel geworden zu sein.

Insofern ist es wieder einmal an der Zeit, den Spezialdemokraten Beine zu machen.

Zumindest die nötigen Ausgaben müssen politisch getätigt werden.

Verbesserungen beginnen … mit der Beendigung von Verschlechterungen.

Dann gelingt sicher noch mehr. Geist und Tat.

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Mit ein bißchen Philosophie
Weniger Mühsal mit dem Weihrauch

„Die Dramaturgie der Vorweihnachtszeit, das wochenlange Geflimmer, Gebimmel und Gedudel auf allen Kanälen und Plätzen perforiert die Nerven aller Mitbürger und senkt den Spiegel der Gelassenheit auf unterirdisches Niveau. Die absurde Notwendigkeit, Menschen, die schon alles haben, mit einem verpackten Stück Materie zu erfreuen, quält die wohlhabenden Schichten, während die weniger gut Versorgten durch den subjektiven Mangel im objektiven Überfluss gereizt werden. Am Ende dieser Phase treffen sich die rundum Genervten, von Vorweihnachtsfeiern in Betrieb, Verein, Kita und Schule zusätzlich Erschöpften zu langen Stunden der Nähe mit der Familie – mit ebenjenen Menschen also, bei denen die Belastbarkeit der Beziehungen 362 Tage im Jahr auf einer gelungenen Kooperation von Vermeidungsmechanismen beruht.“

Elke Schmitter, „Weihnachten: Ein Ratgeber“ (Essay), „SPIEGEL“, Nr. 50/2012, S. 146f.

 

„Die Menschen dagegen, je mehr sie sich vom Tier im engeren Sinne entfernen, desto mehr machen sie ihre Geschichte selbst, mit Bewußtsein, desto geringer wird der Einfluß unvorhergesehener Wirkungen, unkontrollierter Kräfte auf diese Geschichte, desto genauer entspricht der geschichtliche Erfolg dem vorher festgestellten Zweck.“

Friedrich Engels, Einleitung (1875/76) zum 3ten Konvolut zur „Dialektik der Natur“.

 

„In einer amerikanischen Damengesellschaft wurde einmal das Elend einer gewissen Arbeiterklasse erwähnt. ›Ich glaube nicht, daß sie Hunger haben‹, sagte eine Amerikanerin. ›Wir haben nie davon gesprochen‹“.

Kurt Tucholsky, „Nationales“, 1924.

Was soll zu Weihnachten am meisten vermieden werden? Die Realität, d.h. unter dem Gebot, es sei alles schön, in bester Ordnung, es gebe nichts zu erörtern, gar zu streiten: die Artikulation verschiedener Auffassungen darüber, wie die Realität zu handhaben oder gar zu kritisieren und zu verändern sei.

Das macht, ergibt man sich diesem Gebot, diese drei Tage im letzten Monat des Jahres so zäh und quälend. – Denn Streit ergibt sich fast immer wie von selbst, nur eben aus nichtigen Anlässen. Der Braten zu trocken? Soße verkleckert? Das Geschenk herzlos? Ist Onkel Heini doof? Ist zu viel oder zu wenig Lametta? Etc. Unter der verordneten Harmonie lauert gefährliche Spannung. Ihre Unterdrückung kostet viel Energie – und Likör.

Dabei wissen die meisten, was in der Welt los und nicht im Lot ist, was sie beschäftigt und was angesprochen werden könnte und müßte. Öffnung.

Ist Frieden im Nahen Osten (und überhaupt) wirklich nicht möglich? Muß die „Hindenburgstraße“ noch „Hindenburgstraße“ heißen? Wie ist der neue Kürzungshaushalt in Hamburg zu beurteilen? Wann hat es ein Ende mit den prekären Beschäftigungsverhältnissen? Soll die NPD verboten werden? Was macht Obama aus seiner Wiederwahl? Hatte Tucholsky recht? Ist es nötig, auf Lohn(erhöhung) zu verzichten? Wann kommt das Ende des Hamsterrades von Bachelor und Master? Ist ein „zügiges Studium“ der Sinn einer gesellschaftlich verantwortlichen wissenschaftlichen Ausbildung? Ist Onkel Heini wirklich doof oder eigentlich vernünftig? Müssen wir über das Wetter reden?

Es gibt vieles, worüber sich zu reden lohnt. Alle ahnen das. Kaum jemand traut sich.

Wenn hingegen nur einer den Blick in die Welt richtet und anfängt, darüber zu berichten, ist meist der Anfang gemacht, das verordnete Harmoniegefängnis zu verlassen.

Dies kleine Wagnis ist zumindest einen Versuch wert. Und: Ab und zu lüften.

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Gauckelei,
eins und zwei

„Ihre Bereitschaft als Soldatinnen, als Soldat Entbehrungen in Kauf zu nehmen, ist Ausdruck einer in unserer Gesellschaft nicht mehr selbstverständlichen Bereitschaft zu dienen und auch zur Hingabe. Sie erfordert Ihren Einsatz, Ihre Aufmerksamkeit, Ihren Mut. Leider fordert sie Ihnen manchmal auch das Äußerste ab, was ein Mensch geben kann, nämlich das eigene Leben.“

Ansprache des Bundespräsidenten Joachim Gauck vor bundesdeutschen militärischen und polizeilichen Einsatzkräften in Masar-i-Scharif / Afghanistan, 17.12.2012.

 

„Liebe Bürgerinnen und Bürger hier im Land,
liebe Landsleute in der Ferne,
es ist Weihnachten.“ (…) „In der Sprache der Politik heißt das: Solidarität. In der Sprache des Glaubens: Nächstenliebe. In den Gefühlen der Menschen: Liebe.“

Weihnachtsansprache von Pfarrer Gauck, Schloss Bellevue (Berlin), 25.12.2012.

 

„Wer sich heute noch in ‚Seele‘ sielt ist rückständig, geistig und moralisch. Der Zeitpunkt, wo man wahrhaft recht hatte, wenn man gegen die Vernunft und gegen den Geist recht hatte, ist vorüber. -“

Thomas Mann, Tagebuch vom 16.3.1935 – im Exil in der Schweiz.

Die pathetische Weihnachtsansprache des höchsten bundesdeutschen Repräsentanten hat zwei Teile (s.o.) und fußt nicht unmaßgeblich auf einem Truppenbesuch im internationalen Kriegsgebiet in Afghanistan.

Bei aller pastoralen Schönrednerei – „‚Fürchtet Euch nicht!‘“, „‚Friede auf Erden‘“ (Weihnachtsansprache) – steht inhaltlich im Mittelpunkt des amtlichen Appells die Bereitschaft zum Dienen, zur Hingabe – bis hin zum Verlust des eigenen Lebens. Das hat auch innenpolitische Konsequenzen, die, befolgt, nicht glücklich machen..

In der Sprache der Politik heißt das: Vaterland. In der Sprache des Glaubens: Heuchelei. In den Gefühlen der Menschen: Verärgerung.

Hier kommt das Gegenteil von „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ zum Ausdruck. Wer den Krieg segnet, hat den Kontakt zur Menschenwürde verloren. Wofür salbungsvoll gesprochen wird, das ist: Untertanengeist; wovon abgelenkt wird, das ist die Brutalität des Krieges; wogegen vernebelt wird, das ist der zivile, demokratische, der – auch vernünftige – soziale und kulturelle Fortschritt, der nicht im Schloß Bellevue beheimatet ist.

Derweil wird viel in der gesellschaftlichen Welt für die Vermenschlichung der sozialen Lebensbedingungen unternommen. (Herr Gauck predigt auch – vergeblich – wider die mehrheitliche Kriegsablehnung in der Bundesrepublik und anderswo. Da helfen keine Kerzen, kein gequältes Lächeln und keine Fahne.)

Immer mehr Menschen stellen die zerstörerische Doktrin des Shareholder Value (Börsenfieber) geistig und praktisch aktiv in Frage.

Der vergiftete Zuckerguß des Bundespräsidenten dient dem Zweck, alles zu verkleben, was (nicht zuletzt politisch) sinnvoll ist und gemeinsam Freude machen kann.

Wenn eine – ggf. auch christliche – Botschaft angenommen werden kann, dann ist es die, daß die Gemeinde mit Pauken und Trompeten in Bewegung gerät. Aufgeklärte Pastoren können mitgehen.

„Lasset uns nun geh'n“.

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1. Zeitung zu den Studierendenparlamentswahlen 2012/13

Wie läßt sich der Verstand verstehen?
Eine Reflexion

„Inwieweit das Gehirn durch Ernährung beeinflusst werden kann, untersucht inzwischen seit einigen Jahren der neue Forschungszweig Nutritional Neuroscience (nahrungsbezogene Hirnforschung). Und immer mehr Studien deuten darauf hin, dass sich kognitive Fähigkeiten tatsächlich durch bestimmte Nahrungsmittel erhöhen lassen. Spinat gehört übrigens auch dazu, was sogar schon Popeye wusste. Ganz ohne wissenschaftliche Untersuchungen.“

Gunthild Kupitz, „Wie kommt das da rein?/Klüger essen“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung HochschulAnzeiger“, Dezember 2012, S. 7.

 

„Nach so vielen furchtbaren Gewalten, denen man unterworfen war, nach den Märchenkröten, dem Vater, dem lieben Gott, dem Burggespenst und der Polizei, nach dem Schornsteinfeger, der einen durch den ganzen Schlot schleifen konnte, bis man auch ein schwarzer Mann war, und dem Doktor, der einem im Hals pinseln durfte und schütteln, wenn man schrie – nach allen diesen Gewalten geriet nun Diederich unter eine noch furchtbarere, den Menschen auf einmal ganz verschlingende: die Schule.“

Heinrich Mann, „Der Untertan“; 1914 geschrieben, 1918 veröffentlicht.

Nun ist gegen gute Ernährung wahrlich nichts einzuwenden. Die Autorin des konservativen Hochschulblattes (s.o.) rechnet aber Tee, Kaffee, Vollkornbrot, Energydrinks, Walnüsse und Bananen zu „den legalen Dopingmitteln, die leistungssteigernd auf unser Gehirn wirken“. (Was verzehrt die Frau vor solchen Artikeln? Betriebswirtschaftshaferkekse?)

Illustriert wird „Wie kommt das da rein/Klüger essen“ durch die Seitenansicht eines menschlichen Totenschädels, in dem die Umrisse eines Gehirns zu sehen sind. Darauf ist ein Trichter gerichtet, auf den ein Pfeil zeigt. Kein freundliches und menschenwürdiges Bild.

Um die von außen gesetzten und scharf sanktionierten Leistungsnormen des Ba-Ma-Systems ordentlich erfüllen zu können, wird – wohl statt gefährlicher pharmazeutischer Hilfsmittel – empfohlen, sich leistungssteigernd zu ernähren.

Hier werden nicht mangelnder Problemlösungsgehalt (kritischer Realismus) der Wissenschaften, die Oberflächlichkeit der verordneten Aneignung, starre Lehrformen, die isolierte Art und Weise des Lernens und der eilende Konkurrenzsinn des Studiums kritisiert, moniert, in Frage gestellt, sondern lediglich nahegelegt, keine harten Drogen zu nehmen. Hier wird mit dogmatischer Macht an etwas Falschem festgehalten. Die Untertanen sollen sich halt besser ernähren.

Die Mündigkeit der Persönlichkeit – bei auch guter Kost – ist aber etwas anderes.

Wer, wie gefordert, seinen Frieden mit dem methodischen Unsinn macht, kann für Frieden, Demokratie, sozialen Fortschritt und kulturelle Entfaltung, was immer persönliche Entwicklung in Kooperation mit anderen bedeutet, nicht wirken. Wissensaneignung und -entwicklung, Aufklärung und gesellschaftliche Verantwortung stehen dem Gebot des Funktionierens diametral entgegen.

In die emanzipatorische Richtung gehen aber die angestrebten und begonnenen Reformen des Ba-/Ma-Systems und der demokratischen Beteiligungsstrukturen an den Hochschulen bzw. auch der Kampf für eine ausreichende Finanzierung der öffentlichen Einrichtungen insgesamt.

Das ist der tiefere Sinn der konkreten Auseinandersetzungen um die Zukunft (auch) der Hochschulen und das Aufgabenfeld Akademischer Selbstverwaltung sowie studentischer Interessenvertretung.

Auf jeden Fall gilt – nicht hinter die Aufklärung zurück:

„Eine Gleichheit und Freiheit festsetzen, so wie sich jetzt viele Menschen gedenken, das hieße ein elftes Gebot geben, wodurch die übrigen zehn aufgehoben würden.“ (153)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft K , 1793-1796.

Erkenne Dich selbst, Im Bund mit Deinesgleichen: Bewege die Welt.

The good, the bad, and the ugly…
Wir und die anderen

„Verbesserungen beginnen...“
Etwas besseres als den Verzicht werden wir überall finden

„Ich engagiere mich mit meiner Unterschrift dafür, dass die öffentlichen Etats der Einrichtungen für Soziales, Bildung, Kultur und Gesundheit in Hamburg mindestens stabil gehalten werden einschließlich des vollständigen Ausgleichs von Tarifsteigerungen und Inflation:“

„Eckpunkte einer positiven Entwicklung auf der Grundlage des Kürzungsstopps sind:

  • bezahlbarer öffentlicher Wohnraum und flächendeckend ausreichend Sozialwohnungen,
  • sozial offene Bildungsstätten für die Entwicklung mündiger Menschen und eines kritischen Verständnisses der Welt,
  • Kultureinrichtungen, die als Grundnahrungsmittel einer lebendigen Demokratie den kulturellen Reichtum öffentlich zugänglich machen, reflektieren, weiterentwickeln und neuschaffen,
  • öffentliche solidarische Gesundheitsversorgung mit genügend Personal, für alle erreichbar und präventiv verwirklicht,
  • ein rekommunalisierter Winterdienst.

Vernünftige Entwicklung entsteht nicht durch Konkurrenz, sondern durch solidarische Kooperation.“

Diese Kampagne, angeregt durch die Fachschaftsrätekonferenz der Uni, unterstützt durch ASten, Gewerkschaften sowie soziale und kulturelle Initiativen, hat vor den jüngsten Haushaltsberatungen in der Hamburger Bürgerschaft begonnen und soll auch nach dem Beschluß des (Kürzungs-) Haushaltes weiter unternommen werden. Bislang wurden den Fraktionen des Landesparlamentes über 3.500 Unterschriften überreicht.

„Wissenschaft wird als solidarische Bemühung von Menschen in methodisch ausgewiesener und zielbewußter Erkenntnisarbeit gegen die Irrationalität der natürlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse unternommen, damit die Erde als der einheitlich gemeinsame Lebensraum einer brüderlichen Menschheit in Frieden bewohnt und mit Vernunft genutzt wird.“

Peter Fischer-Appelt/Johannes Berger, Kreuznacher Hochschulkonzept, Reformziele der Bundesassistentenkonferenz (Schriften der BAK 1), 2. Aufl. Bonn 1968, Teil 1, S. 11-14; zit. nach: Peter Fischer-Appelt; „Die Universität als Kunstwerk/Beiträge aus sechs Jahrzehnten“, Berlin/Hamburg, 2012, S. 25.

Die Hamburger Universität handelt im gesellschaftlichen Zusammenhang. Das gilt für alle ihre Mitglieder, ebenso für die Verfaßte Studierendenschaft.

Angepikt Rechts…
„RCDS“ („Ring christlich demokratischer Studenten“)

Die „CDU-Hochschulgruppe“ vereint unzeitgemäße Auffassungen und Menschen, die dementsprechend sehr rigide Ordnungsvorstellungen haben. Sie empfinden (auch nur Ansätze von) progressiver Entwicklung als Chaos und fordern ein „Deutschlandstipendium“. „Unsere Uni verdient Besseres!“

„Liberale Hochschulgruppe“ „LHG“

Hier lächeln uns vier adrette Leute bemüht an. Sie haben immer noch nichts mit Sozial-Liberalismus und Bürgerrechten im braven Sinn, vertrauen auf Markt und Werbung und schüren nebulöse Ressentiments: „studentenzentrierte Hochschulpolitik statt linker Klamauk & Weltrevolution“.

Rösler lächelt.

„Ökologische Alternative“

Hier gehen originale Liberale auf Fischfang in grünen Gewässern. Mehr Bio in den Mensen, Entspannung bei Lernen und Forschen (aber: „effektiv“), Entschlackung („von Klausurplänen“) stehen beispielsweise auf dem Beipackzettel.

Vor allem soll keine Politik sein. Wahlfang.

„Medizinerliste“

Ernsthaftes läßt sich auch heiter betrachten: „Torben, 19: ‚Ich bin Mediziner, aber auch Student.‘“

Von der stetigen Schaffung aufgeklärter Humanmedizin, der verstärkten Kooperation zwischen Uni und UKE (Universitätsklinikum Eppendorf), einem sozialkritischen Studium und dem notwendigen Ausbau öffentlicher Einrichtungen haben sie – scheint´s – noch nie gehört.

Die Topforderung: „Kein Senf für 46 Cent!“

„wiwi Liste“

Die Krise, auch der Wirtschaftswissenschaften, hat bei ihnen nicht stattgefunden.

„Campus Card einführen“, „Studienbüro verbessern“, „ Uni-Website und Stine“ (verbessern) – „Das sind wir“. Bachelor und Master? Demokratische Partizipation? Krisenverantwortung der Marktgläubigkeit? Kein Problem.

Ein „Weiter so“ ist keinesfalls zu empfehlen.

„Jura-Liste“

Wesentlicher Forderungsinhalt ist, daß man besser lernen können soll. Was, warum, woraufhin und wie – das bleibt offen, also gänzlich unkritisch. Die kurzen Forderungen sind in Paragraphen abgefaßt, wozu – als einzig Gutes – partielle Barrierefreiheit gehört. Eine Stütze der veränderungswürdigen Gesellschaft.

Zynismus (frei von Heiterkeit)…
„Die Liste“

Mitglieder dieser vermeintlichen Spaß-Vereinigung haben Fachbücher auf dem Campus verbrannt. Was immer die spezifischen Gründe dafür gewesen sein mögen: Aus mannigfaltigen historischen Gründen ist hiermit eindeutig eine kulturelle und politische Grenze überschritten worden.

„- Hochschulpolitik verbieten!“ „- Langzeitstudium fördern!“ „- Erfrischung!“

Keine einzige Stimme wert.

Fake…
„MIN-Liste“

Dafür ist hauptsächlich eine Person umtriebig. Das Sammelsurium von Forderungen wird praktisch so gut wie nicht vertreten bzw. wird sich von anderen angeheftet. Wahlfang ohne Fundament.

„… die Fakultät, die wirklich Wissen schafft.“?

Realos…
„Juso-Hochschulgruppe“

Also: Erst waren sie für Studiengebühren, dann war die öffentliche Mehrheit dagegen; dann waren sie (nominell) auch dagegen. Jetzt sind seit diesem Semester die Gebühren – bis auf die „Verwaltungsgebühr“ – abgeschafft, jetzt wollen sie's gewesen sein. Die Scholz-Jugend hält ihr Fähnlein im Winde. Alles andere als „durchsetzungsstark“. (Nicht zu velwechsern mit „harte zeiten – junge sozialisten & fachschaftsaktive“.)

„EPB-Liste – Erziehungswissenschaft, Psychologie, Bewegungswissenschaft“

Sie haben „Kompetenzen (…) erworben“ und schreiben auf, daß sie mehr studentische Beratungsstellen wollen, mehr Mitbestimmung und Entspannung beim Bachelor-Studium. Statt Solidarität sei „Individualisierung zu gewährleisten!“ – Letztlich ein Einverständnis mit den Übeln.

„Liste 2“

Die Hauptlinie? „…pragmatisch soziale Politik.“

Die Forderungen? Bei anderen abgeschrieben.

Da hilft auch kein Sektglas in der Symbolik.

Mitschwimmen auf der Welle der von anderen angeregten Bewegung. Elegantes Surfen sieht anders aus.

Liberal…
„CampusGrün“

Ökologisch („Mülltrennung auf dem Campus“), formal demokratisch („Hochschulrat abschaffen“) und Entspannung im Ba-/Ma-System. Leider ohne Biß und Wissenschaftskritik.

So haben's die originären Eltern gern. Brennessel-Tee für Fortgeschrittene.

„Die GeisteswissenschaftenListe“

Sie sind parteilich nicht organisiert und nennen sich „pragmatisch“. (Das tun so manche.)

„Ausfinanzierung“, „Vernetzung“ und „Gleichstellung“ stellen ihre Forderungsbereiche dar.

Alles in allem: „offen und bunt“ reicht bei weitem nicht aus.

Linksliberal…
„Piraten* und offene Liste“

Anders als die „großen“ „Piraten“ sind sie antifaschistisch und sozialkritisch orientiert und treten „für Politische Bildung, Kultur & Kritische Wissenschaft“ ein.

Das kleine Schiff hat Kurs auf Interessenvertretung.

„Regenbogen/Alternative Linke“

Viele Forderungen. Von „Reichtum umfairteilen“ über „Master als Regelabschluß“ bis hin zu Frieden und Ökologie – auch „studentische Freiräume“ sind dabei.

Die links-grün locker vernetzten Aktiven sind links-grün locker vernetzt.

Links…
SDS* Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband

„Bildung für Alle“, „Demokratisierung“, „Kritische Wissenschaft“, „Antidiskriminierung“, „Ausfinanzierung“, „Für einen linken AStA“ sind die programmatischen Wegsteine. Die Beteiligung am AStA hat (unserer jüngeren Schwester) keineswegs geschadet.

Fachschaftsbündnis

Sie treten ein für das „Menschenrecht auf Bildung“, Studienreform und eine solidarische Entwicklung der Verfaßten Studierendenschaft: Für „eine friedliche und soziale Gesellschaft“.

Gemeinsame Liste (4) zum Akademischen Senat:
Bündnis für Aufklärung und Emanzipation (BAE!).

harte zeiten – junge sozialisten & fachschaftsaktive

Von O. Scholz zu recht nicht gemocht. Dagegen angenehm: „Solidarisch aktiv für Reformen“, friedenspolitisch, internationalistisch und antifaschistisch orientiert.

„Was immer geschieht:
Der Mensch macht's. Möglich.“

Gemeinsame Liste (4) zum Akademischen Senat:
Bündnis für Aufklärung und Emanzipation (BAE!).

Liste LINKS

Konkrete Reichweite

Jeder kann wissen,
Was harte Übel zerbricht:
Aufklärung als Tat.

Gemeinsame Liste (4) zum Akademischen Senat:
Bündnis für Aufklärung und Emanzipation (BAE!).

Tatsächliche Eigenverantwortung
oder
Jeder ist Gesellschaft

„Wer grundlegende Probleme mit der Bundeskanzlerin und ihrer Politik hat, wird auch bei Steinbrück nicht glücklich.“

Wolfgang Münchau, „Der falsche Vorwurf“, „Financial Times Deutschland“ („FTD“), 14.11.´12., S. 20.

 

„Man wird sagen, es sei recht wenig, was das einzelne Individuum seinen Kräften gemäß zu ändern vermag. Was nur bis zu einem gewissen Punkt stimmt. Denn der einzelne Mensch kann sich mit all denen zusammenschließen, die dieselbe Veränderung wollen, und wenn diese Veränderung vernünftig ist, kann der einzelne sich in einem imponierenden Ausmaß vervielfachen und eine Veränderung erzielen, die viel radikaler ist, als es auf den ersten Blick möglich erscheint.“

Antonio Gramsci, „Gefängnishefte“, Heft 10 (1932-1935), § 54, „Einführung in das Studium der Philosophie. Was ist der Mensch?“.

Bücher

„Wenn der Mensch
von den Umständen
gebildet wird, so muß
man die Umstände
menschlich bilden.“

Karl Marx/Friedrich Engels,
„Die heilige Familie“
1844/45, MEW 2, S.138.

Der Neoliberalismus ist am Ende, auch wenn er (noch) mit Macht betrieben wird.

Aus puren Vernunftgründen wäre die Sache ganz einfach: Der Staat zieht sich aus allen Kriegen zurück, unterläßt ebenso weitere; es werden mehr Steuern – bei wem, ist klar – eingezogen und die öffentlichen Einrichtungen (Gesundheit, Bildung, Soziales, Kultur) werden bedarfsgerecht finanziert; die Banken werden streng reguliert; flächendeckender, ausreichender Mindestlohn wird eingeführt, die Erwerbslosenversicherung wird menschenwürdig gestaltet.

Da dies nicht so ist und von den meisten Parteien nicht vertreten wird, kommt es auf das Engagement der Mehrzahl an. Für bessere gemeinsame Lebensbedingungen.

Die Wissenschaften können und sollten zur Zivilisierung und Kultivierung der Gesellschaft einen rationalen Beitrag leisten. Darauf kommt es an.

Wir arbeiten zusammen mit anderen fortschrittlichen Gruppierungen in den Gremien der studentischen Interessenvertretung, in der Akademischen Selbstverwaltung und in außerparlamentarischen Bewegungen: in Fachschaftsräten, in der Fachschaftsrätekonferenz, im Studierendenparlament, im Akademischen Senat, in Fakultätsräten, in der Friedensbewegung, in Bündnissen gegen Neofaschismus, in Aktivitäten gegen Sozialabbau. Wir sind bundesweit als Gründungsmitglied im Hochschulgruppenverband Die Linke.SDS organisiert.

Dieses Engagement begreifen wir als alltägliche und sehr menschliche Angelegenheit. Allseitige Emanzipation sei erstes Bedürfnis. Dem sollte sich auf Dauer niemand entziehen.

„Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“

Bertolt Brecht, „Lob der Dialektik“, 1934.

Die Kandidierenden

Gunhild Berdal, Präsidium Studierendenparlament (StuPa), GEW, Die LINKE (AG Frieden und Abrüstung)

Till Petersen, Fachschaftsrätekonferenz (FSRK), StuPa, FSR Erziehungswiss., Fakultätsrat EPB, BdWi, Die LINKE

Sinah Mielich, FSR Erziehungswiss., Fakultätsrat EPB, GEW, Die LINKE

Felix Lepetit, FSR Geschichte, Die LINKE

Despina Chaluppa, FSR Biologie, FSRK, Die LINKE

Olaf Walther, Akademischer Senat (AS), Bund demokratischer WissenschaftlerInnen (BdWi), ver.di, Die LINKE

Saskia Mestern, AStA Referat für internationale Solidarität (RiS), GEW, Die LINKE

Kristian Glaser, BdWi, VVN – Bund der Antifaschisten, ver.di, Die LINKE

Elias Gläsner, Fakultätsrat Medizin, kritische Mediziner, Die LINKE

Njuscha Khalili, Koffeinpumpe, kritische Mediziner

Franka Klein, kritische Mediziner, Fakultätsausschuß Lehre & Studium, Die LINKE

Marlene Kirchbruecher, kritische Mediziner, Fakultätsrat, Die LINKE

Daniel Oehler, kritische Mediziner Moritz Longerich, kritische Mediziner

Till Lüdorf, kritische Mediziner

Christoph Scheurich, kritische Mediziner

Xandi Ammann, kritische Mediziner

Katrin Nittmann, kritische Mediziner

Thomas Stahlhut, FSR Geschichte, Fakultätsrat Geisteswissenschaften, Die LINKE

Kolja Griebner, FSR Geschichte, Fakultätsrat Geisteswissenschaften, ver.di, Die LINKE

Rörd Hinrichsen, FSR Geschichte, AWO-Jugendwerk, ver.di, Die LINKE

John Will, Geschichte, Die LINKE, [‘solid]

Leo Franke, FSR Geschichte

Alexander Benthin, kritische Musikwissenschaftsaktive, FakRat Geisteswiss., Die LINKE

Ruben Hittmeyer, kritische Musikwissenschaftsaktive, Die LINKE

Matthias Kruspe, kritische Musikwissenschaftsaktive, Die LINKE

Katrin Becker, MA Lehramt, FSR ErzWiss

Florian Muhl, FSR ErzWiss., Die LINKE

Sarah Kay, Lehramt, Germ. & Sozialwiss.

Fabian Fritz, StudiZentrum ErzWiss.

Samira Lynn Morcos, StudiZentrum ErzWiss.

Ricarda Bolten, StudiZentrum ErzWiss.

Tim Schwanitz, BA PrüfAusschuß BABE

Lenya Vaßen, Sonderpädagogik/Geschichte

Jelka Holzberger, FSR ErzWiss, BA B&E

Rosina Esmaili, Erziehungswissenschaft

Gina Cornehl, Lehramt Spanisch/Politik

Markus Schwarzer, Erziehungswissenschaft

Jan Marten Albertsen, Lehramt Span/Gesch

Nils Kellermann, FSR Politikwissenschaft, Die LINKE

Max Polewsky, RealWorldEconomics, FSR Sozialökonomie

Hannes Euler, MA Pol./Econ./Philosopy

Thomas Walter, FSR Philosophie, MA

Bratislav Simic, FSR Philososphie

Niels Brinkmann, FSR Sport

Verena Loci, Finnougristik

Alma Kleen, LASt & Span., SJD-Die Falken

Eray Öztürk, Medizin, YXK, Die LINKE

Friederike Richter, Biologie, NABU

Timo Richter, Psychologie

Leonid Zaostrovskiy, Soziologie, RiS

Olesya Orlova, Medien & Kommunik,Wiss.

Nelli Mirgarifoniva, Medien & Komm.Wiss.

Sahar Khalilzadeh, Biologie Promotion

Eylim Özün-Binboga, MIG-Zentrum

Firat Denkli, MIG-Zentrum

Joachim Weber, §-Langzeitstudi, Knallhart

Markus Kuppe, Informatik, kritische MIN

Nikolaus Teichmüller, Erziehungswiss.

Alexander Okupnik, B Sc. Physik

Gisele Camelo Porto, BWL

Rachid Messaoudi, Sozialök., Die LINKE

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Beschwörungsformeln
Merkels vermeintliche Sanftmütigkeit

„Für unser Land bedeutet Forschung Arbeitsplätze. Wenn wir etwas können, was andere nicht können, dann erhalten und schaffen wir Wohlstand.“ (…)

„Wir brauchen die Bereitschaft zur Leistung und soziale Sicherheit für alle.“ (…)

„Dennoch brauchen wir weiterhin viel Geduld. Die Krise ist noch lange nicht überwunden.“ (…)

„Es sind unsere Soldatinnen und Soldaten, Polizistinnen und Polizisten und zivilen Helfer, die unter großen persönlichen Opfern Dienst für uns tun.“ (…)

„Und so wünsche ich ihnen und Ihren Familien ein gesundes, erfülltes und frohes neues Jahr 2013 und Gottes Segen.“

Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

 

„Ernst: Der Mann Gottes spricht dem Volke von einem Lande, da Milch und Honig innen fließt, und das Volk soll sich nicht darnach sehnen? Und soll über den Mann Gottes nicht murren, wenn er sie anstatt in dieses gelobte Land in dürre Wüsten führt?“

Gotthold Ephraim Lessing, „Ernst und Falk / Gespräche für Freimäurer“, 1780.

Neben allerlei Ablenkungen, die als Symbole des Geschehens vor fünzig Jahren beliebig aufgestellt werden (Farbfernsehen, „Dinner for One“, Fußballbundesliga, Kooperationsvertrag zwischen BRD und Frankreich nach zwei Weltkriegen, „Ich bin ein Berliner“ von John F. Kennedy), appelliert die Kanzlerin – wie immer ein wenig mißmutig – für Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft.

Gesetzt wird dabei kulturell und stimmungshaft auf Freundschaft, Familie, Fleiß, Fügsamkeit und gezähmte Gewerkschaften. (Stricken für die „Verteidigung unserer Freiheit“ in Öl-Landistan?)

Im harten Ergebnis soll dabei herauskommen, was „uns wirtschaftliche Kraft gibt.“ Das sei dann „menschlich und erfolgreich“. „Wir“ benötigen dafür vor allem „Geduld“, Ingenieure, Soldaten und „Gottes Segen“. Amen.

Wer sich dagegen aber richtig erinnert, wird entdecken, daß die 1950er Jahre gesellschaftlich sehr stark („im Bündnis der Eliten“) vom Ordnungsstaat Adenauers, auch mit „Gottes Segen“, der Wiederherstellung alter Strukturen in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft sowie einer kulturellen Enge geprägt worden sind. Diese durch „68“ zu guten Teilen überwundene Zeit wird wieder beschworen, wenn es um die Opferbereitschaft für die Stärkung des „Standortes“ inmitten einer Krise, die zugegebenermaßen noch länger dauern soll, geht.

Damit soll übersäuselt werden, daß die Mehrheit der Besäuselten die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich für ein ernst zu nehmendes und zu überwindendes Problem hält.

Damit soll für Gegenwart, Zukunft, Wahlerfolge der CDU und private Rendite in Vergessenheit geraten, daß selbst die Kanzlerin es war, die alle Übel, Margret Thatcher gleich, für „alternativlos“ erklärt hat.

Diese manipulativen Bemühungen der konservativen Kanzlerin zeigen an, daß es nötig geworden ist, die Bevölkerung mit vermehrtem Aufwand zu besänftigen zu versuchen.

Das muß ja nicht gelingen.

 

Jeder kann wissen,
Was harte Übel zerbricht:
Aufklärung als Tat.

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„Safety first“?
Entwicklung ist nicht endlich
Zu den Ergebnissen der Wahlen zum Studierendenparlament (SP)

„Die an den Untertanen meistern wollen, wollen die Fixsterne um die Erde drehen, bloß damit die Erde ruhe.“ (166)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft K, 1793-1796.

Trotz einiger Anlaufschwierigkeiten bei der Briefwahl – die durch die Urnenwahl teilweise kompensiert wurden – und krisenbedingter allgemeiner Verunsicherung – die durch einige Gruppierungen unproduktiv gesteigert wurde –, ist die Wahlbeteiligung nur relativ geringfügig gesunken.

(Das SP-Präsidium und die WahlhelferInnen haben dagegen demokratisch sehr respektabel gearbeitet.)

Den deutlichsten Zugewinn an Sitzen hat „CampusGrün“ erreichen können. Ihnen obliegt nun vom Wahlergebnis her somit die Hauptverantwortung, eine seriöse Konzeption der Verfaßten Studierendenschaft (im SP und im AStA) mit anderen politischen Gruppen zusammen in die Tat umzusetzen: Opposition gegen die strukturelle Unterfinanzierung, weitgehende Reformierung der BaMa-Drangsal, Re-Demokratisierung der Uni, kritischer Gesellschaftsbezug der Wissenschaften und eine historisch-bewußtes Vorantreiben der Bauvorhaben. Eine dynamische Beteiligung der studentischen Öffentlichkeit sowie eine gute Kooperation im SP und ein produktives Zusammenwirken mit der Akademischen Selbstverwaltung sind dafür dringend erforderlich.

(Mit Überforderungen ist wahrscheinlich zu rechnen.)

Die linke Seite im SP hat Verluste hinzunehmen und zu verarbeiten – was zu garantieren ist – und ist aber mit mindestens 10 Sitzen im Parlament vertreten.

Die rechte Seite im SP – sicher 11 Sitze – konnte leicht dazugewinnen und hat mit primitiver Herabminderung linker AStA-Arbeit stark zur allgemeinen Verunsicherung beigetragen.

Förderlich für die Aufklärung waren ebenso nicht der Waffel-und-Glühwein-Wahlkampf einiger Gruppen sowie der Nihilismus von „Die Liste“.

Demzufolge wurde stark in Richtung „Sicherheit“ gewählt – insbesondere„CampusGrün“ und „jusos“ –, in Erwartung einer „verläßlichen“ Interessenvertretung. Allerdings vertragen sich die Grünen mit der strikten Realo-Jugend nicht besonders gut, was triftige Gründe hat.

In vielen politischen Diskussionen während der Wahl ist darüber hinaus zunehmend deutlich geworden, daß die auch häufig gesellschaftskritischen Erwartungen an die Verfaßte Studierendenschaft relativ hoch sind. Diese Erwartungen sollten SP und AStA erfüllen.

Die Aufmerksamkeit für die Übereinstimmung zwischen Wort und Tat ist gewachsen.

Die Erde dreht sich weiter.

„General, der Mensch ist sehr brauchbar.
Er kann fliegen und er kann töten.
Aber er hat einen Fehler:
Er kann denken.“

Bertolt Brecht, „Svendborger Gedichte“, 1939.

Ergebnis der SP-Wahlen 2013

(in Klammern die Veränderung zum Vorjahr)

n.a. = im Vorjahr nicht angetreten

Liste Stimmen Prozent Sitze
Liste LINKS 326 4,68(-1,83) 2(-1)
harte-zeiten / ju.-soz. 177 2,54(+0,01) 1(+/-0)
Fachschaftsbündnis 123 1,77(-0,81) 0(-1)
SDS 401 5,76(-0,49) 3(+/-0)
Regenbogen/AL 537 7,71(-3,01) 4(-1)
Piraten 154 2,21(-2,25) 0(-2)
Die Geisteswiss.-liste 200 2,87(-2,85) 1(-2)
CampusGrün 1343 19,28(+5,54) 10(+3)
Liste 2 156 2,24(n.a.) 0(n.a.)
Die EPB-Liste 308 4,42(+0,20) 2(+/-0)
Realos („juso-hsg“) 1013 14,54(+0,13) 8(+1)
MIN-Liste 368 5,28(-0,12) 3(+/-0)
Die Liste 284 4,08(n.a.) 2(n.a.)
JuraListe 141 2,02(-0,96) 0(-2)
wiwi Liste 216 3,10(-2,40) 2(-1)
Medizinerliste 387 5,55(+0,03) 3(+/-0)
Öko Alternative 51 0,73(n.a.) 0(n.a.)
Liberale-Hsg. (LHG) 294 4,22(+1,91) 2(+2)
RCDS – CDU-Hsg. 488 7,00(+2,72) 4(+2)

Wahlbeteiligung (inkl. 11 Enthaltungen und 25 ungültigen Stimmen):
7003 (-970) Stimmen entsprechen 17,73% (-2,47%).

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Freiheit der Märkte?
Zur politischen Tagesordnung

„Gewürzt mit Seitenhieben auf die politischen Gegner, zeichnete Obama in seiner Inaugurationsrede eine radikal sozialdemokratische Agenda. Schutz der finanziell Schwachen, Schutz der Sozialversicherungen, Kampf gegen die Ungleichheit der Einkommen, mehr Rechte für Homosexuelle und Frauen, eine Reform des Einwanderungsrechts, Umwelt- und Klimaschutz durch mehr Regulierung – das sind die Stichworte für die zweite Amtszeit. (…)

Mit Obamas Misstrauen gegen den Markt geht eine Umdeutung des Freiheitsbegriffs einher, die staunen lässt. (…)

Wie in Europa droht der Markt zunehmend unter die Räder zu kommen.“

Patrick Welter, „Obamas Agenda“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 24.1.´13, S. 9.

 

„Es gibt Sätze, die sind ihrem Schreiber eher unterlaufen, und ihr Sinn enthüllt sich erst, wenn man sie gegen die Intention des Autors liest.“

Claudius Seidl, „Prüder in Waffen“ [„Stern“ versus Brüderle], „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 27.1.´13, S. 43.

Wenn der Kollege von der „FAZ“ wüßte, was der Kollege von der „FAS“ geschrieben hat ...

 

Wenn wir die Klage über eine „radikal sozialdemokratische Agenda“ bei ihrer Bedeutung ernst und real nehmen, dann heißt dies, daß „Freiheit“ die Freiheit – von bestimmten Leuten zu Lasten anderer – vom Schutz der finanziell Schwachen, vom Schutz der Sozialversicherungen, Kampf gegen die Gleichheit der Einkommen, keine Rechte für Homosexuelle und Frauen, keine Öffnung des Einwanderungsrechts sowie die Verhinderung des Klima- und Umweltschutzes durch unregulierte Geschäftemacherei ist. Damit kommen die meisten Menschen, d.h. die gesamte Gesellschaft, unter die Räder der, ach, so sensiblen Märkte. Hier ist des Pudels wahrer Kern.

Dabei wäre eine wirklich radikal (nun ja) sozialdemokratische Agenda gar nicht so schlecht: Die Kriege beendet, die Militärausgaben gesenkt (hier wäre ein Nulltarif das Beste), die Steuereinnahmen erhöht, die ehemals öffentlichen Einrichtungen wieder in öffentliche Hand gebracht und Gesundheit, Bildung und Kultur für Alle in der Tendenz verwirklicht.

Das wäre auch die Alternative zur sogenannten Schuldenbremse.

Damit dies nicht geschieht, wird von der „Zeitung für Deutschland“ der Teufel an die Wand gemalt. Arme Märkte, sie sind so scheu und empfindlich.

Auch nach dieser relativ mutigen Rede wird Barack Obama große Schwierigkeiten haben, diese Agenda in die Tat umzusetzen. Die Republikaner (auch allerlei Demokraten), Boeing, Exxon und das CIA stehen dagegen. Es bedarf der gesellschaftlichen Bewegung(en), um die gesellschaftliche Vernunft und Verbesserungen aller Art durchzusetzen.

Hier ist es ähnlich. Wir sehen es an der – wenig radikalen – sozialdemokratischen Regierung in Hamburg.

Die Auseinandersetzung um die Schuldenbremse wird uns also noch weiter beschäftigen.

Niemand muß auf berechtigte Ansprüche verzichten.

Vernunft ist in der Tat ein Faktor.

Es lohnt sich.

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Der Inschenjör hatt's doppelt schwör
O. Scholz vor dem Übersee-Club

„Wir wissen bereits heute, dass Hamburg weiter wachsen wird. (…)

Unsere Kraft ist Ausdruck des wirtschaftlichen Fleißes und republikanischen Stolzes, die unsere Stadt seit Jahrhunderten prägen. (…)

Wir brauchen eine Rückkehr zum Optimismus und mehr Vertrauen in die Leistungen der Ingenieure – und immer mehr gute Ingenieurinnen. (…)

Diese Entwicklungen sind getragen von der Überzeugung, dass Fortschritt durch Technik möglich ist und in einer großen Stadt wie Hamburg erfahrbar gemacht werden kann. (…)

Doug Saunders beschreibt die großen Städte als ›Ankunftsstädte‹, in denen sich die Mutigen und Tatendurstigen zusammenfinden und sich anstrengen, um ihr Leben zu verbessern. Sei es, um aus der Armut heraus Anschluss an die Mittelschicht zu finden oder als Teil einer international vernetzten Gemeinschaft die nächste Sprosse auf der Karriereleiter zu nehmen.“

O. Scholz (SPD), Bürgermeister von Hamburg, vor dem Übersee-Club, 30.1.‘13.

 

7
Die Volksvertreter, die den hungrigen Wählern
Versichern, daß es durch sie besser wird
Ich nenn sie gute Redner, sag: Sie haben
Gelogen nicht, sie haben sich geirrt.
20
Die Ingenieure, die das Fließband legen
Das den Arbeitern die Lebenskraft entführt
Lob ich des technischen Triumphes wegen.
Der Sieg des Geistes ist's, der mich zu Tränen rührt.“

Bertolt Brecht, „Ballade von der Billigung der Welt“, 1934.

Bürgermeister Scholz reiht sich ein: Schon Klaus v. Dohnanyi (SPD) und auch Ole v. Beust haben 1983 und 2003 als Bürgermeister ihre Grundsatzrede vor dem erlauchten Übersee-Club an der Alster gehalten.

Was sie eint: Alle wollen „Wachstum“.

Während Dohnanyi das „Unternehmen Hamburg“ kreierte und die Kultur als Wirtschaftsfaktor entdeckte, wollte Beust einen „Systemwechsel“, d.h. die radikale Reduktion des Sozialstaates bzw. seine Privatisierung. (Ihm haben wir auch die – inzwischen größtenteils abgeschafften – Studiengebühren sowie das Desaster der „Elbphilharmonie“ zu verdanken.)

O. Scholz sieht inzwischen die 2-Millionen-Stadt am Horizont der nächsten Jahrzehnte und baut, bei entsprechendem Ausbau der Infrastruktur (KiTas, Schulen, Hochschulen, Verkehrswege, Wohnungen), auf den Erfindungsgeist der Ingenieure (auch weiblich!), der ökologisch nachhaltig sein soll: „Fortschritt durch Technik“. (Hier ist bei Audi geklaut, da heißt es – ehrlicher – : „Vorsprung durch Technik“.)

Der Status Quo, mit all seinen sozialen, kulturellen und auch ökologischen (Vattenfall etc.) Problemen soll also wesentlich fortgesetzt werden – alles nur ein bißchen größer und moderner.

Dabei wird weiterhin die „Elbphilharmonie“ gelobt und an der weiteren Vertiefung der Elbe festgehalten.

Mit der Ausdehnung der Stadt, dem Ausbau der Verkehrswege, der Modernisierung von Handel, Industrie und Dienstleistungen ist aber keines der vorhandenen und genannten, auch kritisch thematisierten Probleme im Stadtstaat gelöst.

Die Einnahmen für vernünftiges Regierungshandeln sind zu gering, die öffentlichen Einrichtungen (Bildung, Soziales, Gesundheit, Kultur) können sich nicht bedarfsgerecht entwickeln. Die „Schuldenbremse“ behindert jeden sozialen Fortschritt auf diesen für Alle relevanten Gebieten.

Stattdessen empfiehlt der Bürgermeister „Stolz“, „Fleiß“ und „Optimismus“ sowie seinen eigenen Weg bzw. seine eigene Mentalität des Aufstiegs. Dem ist rundum nicht zu trauen.

Wie immer sind dagegen die eigenen Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen.

Bei den Studiengebühren und einigem mehr ist dies auch schon gelungen.

„Verbesserungen beginnen...“

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Wirkliches Lernen
Persönliche Wahrheitsfindung

„Ich wünschte, es gäbe viele starke Lehrerpersönlichkeiten: Als Orientierungshilfe, als Wachmacher, als Aufrüttler, als Wissensvermittler, als Anfixer, als Dealer – die Analogie zur Droge finde ich da angemessen: so viel wissen, dass man immer mehr haben will.“

Anke Engelke, „Die Schauspielerin und Entertainerin Anke Engelke buchstabiert ihre Welt durch“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 10.2. ́13, S. 50.

 

„Anette Schavan hat ‚systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen (vorgegeben), die sie in Wirklichkeit nicht erbracht hatte‘. Das war ein Urteil von zwölf Professoren der Universität Düsseldorf und das Ergebnis von neun Monaten akribischer Prüfung.“

Thomas Gutschker, „Die Gemeinde“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 10.2. ́13, S. 10.

Mit der Wahrheitsfindung (und -anwendung) ist das so eine Sache...

Im besten Fall ist sie kritisch, kooperativ, problemlösungsorientiert und – im Einklang mit ihrer Nützlichkeit gegenüber dem Allgemeinwohl – eine authentische persönliche Ambition.

In diesem Sinne ist auch ein Maßstab gegeben für die gesellschaftliche bzw. institutionelle Organisation von Bildung und Wissenschaft.

Das Ethos von Wissenschaft, Politik, öffentlichen Bildungseinrichtungen und Persönlichkeit hat praktische Bedeutung.

„Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ lautet der Titel der Dissertation von Anette Schavan (CDU) von 1980, die auch als Buch erschienen ist.

Frau Schavan hat unter einem Respekt heischenden Titel eine (wissenschaftliche) Arbeit verfaßt, die stark motiviert war von karrieristischen Zwecken einer konservativen politischen Laufbahn. (Ähnlich war es bei Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, CSU, und Silvana Koch-Mehrin, FDP.)

Da muß es dann schnell gehen – eigene Persönlichkeitsbildung, wissenswerte Nützlichkeit und Ethos spielen dabei eine mindestens untergeordnete Rolle.

Zudem vertritt die ehemalige Ministerin – die Nachfolgerin Johanna Wanka tut's auch – ein hierarchisches Begabungskonzept, die unbeirrte Befürwortung von Bachelor und Master sowie die zurichten sollende Selektivität von Studiengebühren.

Diese Haltung und diese Politik sind an ihr Ende gekommen.

Alte Hierarchien weichen nach und nach einem demokratischen Verständnis von Gesellschaft und Wissenskultur; die Studiengebühren sind bald überall wieder abgeschafft; Bachelor und Master werden in vielen Ländern hin auf eine verträgliche und relevante Wissensaneignung reformiert; die qualifizierte Seriosität von politischem Handeln wird mehr und mehr gefordert.

Was wir brauchen, ist in der Tat ein neues (menschenwürdiges) Ethos für Gesellschaft, Politik, Bildungseinrichtungen und Alltagskultur, nach dem Erkenntnisgewinn, politisches Handeln und Persönlichkeitsentwicklung orientiert sind und vernünftig gestaltet werden.

Heiter gesehen:

„Wenn ein Loch zugestopft wird, wo bleibt es dann? Drückt es sich seitwärts in die Materie? oder läuft es zu einem anderen Loch, um ihm sein Leid zu klagen – wo bleibt das zugestopfte Loch? Niemand weiß das: unser Wissen hat hier eines.“

Kurt Tucholsky, „Zur soziologischen Psychologie der Löcher“, 1931.

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Der Rennfahrer mit dem Einkaufswagen
Ein Menschenbild

SPIEGEL: Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Im Supermarkt stehen Sie in einer langen Schlange. Nebenan macht eine weitere Kasse auf. Rennen Sie hin?

Vettel: Kommt drauf an.

SPIEGEL: Worauf?

Vettel: Wenn man allein steht, muß man abschätzen, ob es an der neuen Kasse wirklich schneller vorangeht. Ist man zu zweit, kann man sagen: Stell du dich da an, ich bleibe hier. Dann hat man eine doppelte Gewinnchance. Außerdem kommt es darauf an, wie voll der Einkaufswagen ist. Ist er sehr voll, kommt man nicht so schnell vom Fleck und steht wieder hinten an. Ich würde sagen: In solchen Momenten bleibe ich gelassen.“

Sebastian Vettel, Formel-1-Weltmeister, im „SPIEGEL-Gespräch“, Nr. 8/2013.

Alle stehen an der Kasse. Sie müssen warten und sie müssen zahlen. Die wenigsten sind Rennfahrer, aber die meisten kennen die skizzierte Situation; man hat es häufig eilig, die Kolleginnen und Kollegen sind überlastet, auch Supermarkt ist Streß.

Wer hieraus auch noch eine Wettbewerbssituation macht, also bis ins kleinste Detail seinen Vorteil auszurechnen versucht, hat schon verloren. Der Egoismus, der allerorten gepredigt wird, führt meist zu Chaos und Verdruß. Kaum jemand hat etwas davon. Es geht langsamer, nicht schneller. Die schlechte Laune setzt sich fort.

Dagegen ist zu fragen:

Sind die Mitarbeiter des Marktes durch das eigene Verhalten zu entlasten? Hat es jemand wirklich eiliger als man selbst oder nur wenige Teile für das Laufband? Entsteht durch die hitzige Vorteilsnahme Gerangel? Ist nicht das „Reißverschlußsystem“, wie eigentlich im Straßenverkehr, sinnvoll? Tatsächliche Gelassenheit und Freundlichkeit? Koordiniertes Handeln, das allen nützt?

Diese und andere mögliche Fragen machen deutlich, was einem sozial verantwortlichen Menschen – auch in Streßsituationen – durch den Kopf gehen kann und was dann tatsächlich zu gelassenem, freundlichem und operativ nützlichem Handeln führen sollte.

Mit dem Supermarkt-Exempel ist ein Konkurrenz-Dogma aufgerufen, was überall Gültigkeit haben soll: in der internationalen Politik, in der Schule, auf der Straße, direkt zwischen den Menschen und eben auch im Supermarkt.

Nochmals dagegen: Wir sind nicht auf der Rennbahn, auf der es wesentlich um große Geschäfte geht, sondern leben erkennbar gesellschaftlich und haben Einfluß darauf, ob es sozial, kooperativ, demokratisch und kultiviert – sprich: menschlich – zugeht.

Von daher ist es sinnvoll, auf allen Ebenen, zu allen Zeiten und mit anderen zusammen für ein besseres Leben zu wirken. Solidarität ist keine Schwäche, sondern notwendig und erfreulich.

Politik ist kein Tabu. Kulturelle Ansprüche sind relevant. Alle haben Bedeutung.

„Me-ti sagte: Jeder möge sein eigener Geschichtsschreiber sein, dann wird er sorgfältiger und anspruchsvoller leben.“

Bertolt Brecht, „Me-ti/Buch der Wendungen“, „Auch der einzelne hat seine Geschichte“, geschrieben in den 1930er Jahren des Exils.

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Vertrauen ist gut,
politisches Selbstvertrauen besser
Eine Empfehlung

„Wer das Gefühl hat, dass die europäischen Spitzenpolitiker den Kontakt zu ihren Wählern verloren haben, dass die Gesellschaft den Parteien und politischen Instanzen weit voraus ist, dass also jene, die uns regieren, irgendwo den Faden verloren haben und Kompetenz seitdem weitgehend simulieren, der darf sich nun in blendender Deutlichkeit bestätigt fühlen. Denn was Bürger nur ahnen und Journalisten zwar beschreiben, aber selten beweisen können, das bezeugt nun ein ernstzunehmender Akteur der europäischen Politik.“

Nils Minkmar, „Blindflug, Selbstlob, Wortbruch, Lüge“, Rezension der Memoiren des ehemaligen französischen Landwirtschaftsministers Bruno Le Maire (konservative UPM), „Jours de Pouvoir“/„Tage der Macht“, 2013, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“), 25.2. '13, S. 27.

 

„Scholz: Meine Partei und ich haben uns nie von der Elbphilharmonie distanziert. Das ist ein gutes Projekt für Hamburg.“ (...) „Als überzeugter Demokrat genieße ich das Privileg, heftig kritisiert zu werden. Mein Rat an den einen oder anderen in der Opposition wäre auch im Hinblick auf die Umfragewerte aber eine Idee von Bodenhaftung zu entwickeln. Manches, was ich da so höre, erinnert mich an einen Hit aus der Zeit der Neuen Deutschen Welle: ›Völlig losgelöst von der Erde schwebt das Raumschiff...‹.“

O. Scholz (SPD), Hamburger Bürgermeister, im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“, 17.2. '13.

Der ehemalige französische Landwirtschaftsminister beschreibt in seinem Erinnerungsbuch den kapriziösen konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der nicht nur Kanzlerin Merkel mindestens so unkultiviert drangsaliert hat wie Rainer Brüderle (FDP) eine Journalistin, sondern auch völlig überfordert ist mit seinem Amt und den daraus erwachsenden Aufgaben.

Dabei handelt es sich nicht um ein vorrangig persönliches Problem, sondern um eines struktureller Natur. Nils Minkmar: „Jedem Leser wird einleuchten, dass wir in Europa noch zu viel Obrigkeit haben, den Regierungen zu viel zutrauen und leichtfertigerweise die Gewißheit pflegen, Spitzenpolitiker hätten mehr Kompetenz, Informationen, Erfahrung und Durchblick als wir. Wenn es je einen Beweis für die Dringlichkeit vermehrten politischen Engagements gegeben hat, dann durch dieses Buch.“

Hamburg liegt unzweifelhaft in Europa. Sein amtierender Bürgermeister ist Politiker. Auch wenn er sich Demokrat nennt, äußert er sich recht obrigkeitlich. Er mache alles richtig, habe hohe Zustimmungswerte und die Opposition schwebe in einem Raumschiff.

Dabei wäre es gut gewesen, er und seine Partei hätten sich – rechtzeitig – von dem reinen Renommierprojekt der „Elbphilharmonie“ (aktueller Kostenstand 600 Millionen Euro) distanziert.

Gut wäre auch, die Partei (EsPeDe) und ER hätten sich rechtzeitig von der „Schuldenbremse“ distanziert, die alle öffentlichen Einrichtungen sowie die Nerven der Beteiligten (fast Alle) ruiniert.

Falsch ist auch nicht, die Energienetze völlig in die öffentliche Hand zurückzunehmen, damit die Energiewende gelingen kann. Ebenso müßte nicht dogmatisch tonnenideologisch an der Elbvertiefung festgehalten werden, da eine strategische Kooperation nördlicher bundesdeutscher Häfen gut und vernünftig ist. Desgleichen ist der Anteil der Stadt an Hapag Lloyd dafür zu nutzen, daß die Stadt über die Löhne, die Arbeitsbedingungen und die Betriebsentwicklung mitbestimmt und auch von den Gewinnen auf die Dauer etwas hat.

Verkehrt wäre genauso wenig, neu über die Stadtbahn nachzudenken –, besser, als dieses aufwendige Bustheater zu betreiben. Gleichfalls könnte die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in Hamburg vermehrte Anstrengungen unternehmen, den sozialen Wohnungsbau die Wohn- und Mietbedingungen in der Hansestadt bestimmen zu lassen.

Last but not least: Fraglich ist die vorgetragene Gewißheit, es handele sich bei Peer Steinbrück um den idealen Kanzlerkandidaten. Das amtierenden Personal und der Inhalt ihrer Politik machen das eigene Engagement unumgänglich.

„Verbesserungen beginnen...“

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„Komm bei mir vorbei,
ich koche ein paar Nudeln.“
Das enge grüne Sozialverständnis

„Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen den Kapitalismus. (...) Ich bin immer auf der Seite der Freiheit gewesen, gepaart mit Gerechtigkeit. Das ist etwas völlig anderes als Gleichmacherei. (...)

Wir wollen Umverteilung nicht als Selbstzweck. Der Freiheitsgedanke ist bei den Grünen stärker ausgeprägt. Aber nicht nach dem Motto: Jeder ist seines Glückes Schmied. Sondern: Jeder findet Rahmenbedingungen vor, die ihm eine freie Entscheidung und Entfaltung ermöglichen.“

Katrin Göring-Eckardt, Spitzenkandidatin der Grünen für den Bundestag, im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“), 3.3. ́13, S. 23.

 

„Sieh! Da steht das Erholungsheim
einer Aktiengesellschaftsgruppe;
morgens gibt es Haferschleim
und abends Gerstensuppe.
Und die Arbeiter dürfen auch in den Park...
Gut. Das ist der Pfennig.
Aber wo ist die Mark -?“

Kurt Tucholsky, „Bürgerliche Wohltätigkeit“, 1929.

Katrin Göring-Eckardt repräsentiert den mainstream der Grünen, d.h. auch das politische und soziale Grundverständnis ihrer Partei. Sie ist mitverantwortlich für Armut und Repression nach Gesetz („Hartz IV“), was die Spitzenkandidatin immer noch befürwortet und lediglich höhere Regelsätze durchsetzen will. Sie befürwortet den Kapitalismus („Freiheit“) – was selbst der Frankfurter Zeitung, der sie ein Interview gibt, nicht mehr so leicht fällt – und gibt dem Hartz-IV-Empfänger, den sie um Rat bittet, auch schon mal ein Mittagsessen aus. „Gut. Das ist der Pfennig. Aber wo ist die Mark–?“ Darüber hinaus ist sie der Auffassung, daß Not erfinderisch mache: „Mit wenig Geld eine Familie über die Runden zu bringen, das ist alles andere als erholsam! Das ist Problemlösungskompetenz, von der mancher etwas lernen könnte.“ Hier ist die Grenze zum Zynismus erreicht. Spare in der Not, dann hast Du Zeit dazu.

Mit diesem Grundverständnis wollen die Grünen in die Bundesregierung – aus gehabtem Schaden nichts gelernt.

Es soll also nichts wesentlich geändert werden: an der sozialen Not, der Einschränkung von Demokratie, der Zerstörung von Bildung und Kultur, der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens, an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Freiheit ohne Gleichheit (mindestens Gerechtigkeit) und Solidarität. Der Laden soll mit ein paar zusätzlichen Almosen so laufen wie bisher.

Dabei wären die Schaffung von Frieden, Abrüstung und Entmilitarisierung; die nachhaltige Erhöhung öffentlicher Einnahmen und Verbesserung der Aufgaben; die Erweiterung demokratischer Rechte; die humane Neubestimmung von Gesundheit, Bildung und Kultur eine notwendige, mögliche und nützliche Verbesserung der Lebensbedingungen für die Mehrheit bzw. die Gesellschaft, die sich in Richtung Menschenwürdigkeit entwickeln sollte.

Da die politische Verwirklichung dieser tatsächlichen Verbesserungen garantiert nicht an Leute wie Frau Göring-Eckart, deren Kandidatur berechtigterweise als positives Signal an die CDU gedeutet wird, delegiert werden sollte, bleibt wesentlich das eigene und gemeinsame Engagement (auch eine andere politische Wahl) für eine positive Entwicklung.

Verbesserungen beginnen...

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„Fördern und Fordern“
10 Jahre Drangsal per Gesetz

„Warum die SPD in den Umfragen schlecht dastehe, wisse er auch nicht, sagte Schröder. Es könne aber sein, dass ihr mangelnder Stolz auf die Agenda 2010 dazu beitrage.“

„Nichts hinzufügen und nichts wegnehmen“ (ban), Bericht in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) über einen Besuch Gerhard Schröders in der Bundestagsfraktion der SPD anläßlich 10 Jahre Agenda 2010, 13.3.2013, S. 2.

 

„Wieviel tote Zeit im Leben des großen Mannes, da er sich ausgeleert und klein weiß. Wieviel Schwindel und gewaltsame Überhebung, um tagein tagaus zu vertreten,was er zuweilen war. Welch wahnwitzige Selbstsucht, von der Masse derer aufgehäuft, die abdanken in seine Hand. Welche Entfernung vom Menschlichen, welche Vereisung. Was für Leiden auch, Überreiztheit und Angst des Zusammenbruchs. Was für schaurige Einblicke eines, der absolut zu sein hat, ins Nichts.“

Heinrich Mann, „Geist und Tat“, 1910.

Gerhard Schröder bemüht sich sehr, nichts zu lernen. Hatz IV: Unter dem bedrohlichen Motto „Fördern und Fordern“ wurden seit 2003 die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe in das Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) umgewandelt, das Arbeitslosengeld I auf zwölf Monate begrenzt. Das rapide Absinken in Armut per Gesetz war damit vorprogrammiert.

Staatliche Sozialleistungen sollen gefälligst seitdem Gegenleistungen erzwingen. Die Beweislast zur Arbeitserbringung wurde umgekehrt. Zumutbar wurde alles. Arbeitsplätze wurden dadurch nicht geschaffen, sondern prekäre Beschäftigungsverhältnisse mit staatlicher Aufstockung.

Mit diesen ordnungspolitischen Maßnahmen wurden dem Staat bzw. den Sozialkassen Einnahmen entzogen und zusätzliche Kosten aufgebürdet. Der Kapitalseite sind – neben zusätzlichen Steuervergünstigungen – vermehrte Einnahmen beschert worden, die auch in die Finanzspekulation gingen und gehen. (Ein starke politische Begünstigung für platzende Blasen und die allgemeine Krise.)

Ein nicht unwesentlicher Grund der Misere ist das negative respektive erniedrigende Menschenbild der neoliberal infizierten Parteien. Der (potentiell) arbeitende Mensch ist prinzipiell dumm, faul, anspruchsvoll, frech und bedarf der strengen staatlichen Erziehung – Arbeitsverdichtung, Hetze, sinnlose Arbeit, Shareholder Value, unternehmerische Entlassungen scheinen kein Problem. Soziale Leistungen figurieren als Almosen, das erbettelt werden soll. Menschenwürde (Grundgesetz Artikel 1) geht irgendwie anders.

Dagegen hat sich in den letzten zehn Jahren viel Kritik und Widerstand erhoben. Daraus ist ein leichtes Umlenken von Rot-Grün geworden, das bei weitem nicht genügend ist. Deshalb ist nach wie vor richtig, sich nicht mit Brosamen zu begnügen und die Ansprüche laufend zu erhöhen.

Erniedrigung ist nicht menschlich. Auch die Opposition für ein besseres gesellschaftliches Leben ist eine Tatsache. Diese Erkenntnis ist mächtig.

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Zypern
So geht es nicht weiter

„Angela Merkel und Wolfgang Schäuble waren die Drahtzieher eines finanzpolitischen Attentats auf die zyprischen Sparkonten.“

Wolfgang Münchau, „Lehren aus der Zypern-Krise“, „SPIEGELONLINE“, 20.3.2013.

 

„In einer Zeit, in der wir in Deutschland nicht Geld genug haben, um tuberkulöse Arbeiterkinder zu versorgen, um Notwohnungen zu bauen – in einer Zeit, die selbst dem, der arbeitet und arbeiten will, grade das knappe Auskommen gibt, ohne die leiseste Garantie, was denn nun im Alter mit ihm werden wird – in einer Zeit, in der alle kulturellen und sozialen Bedürfnisse der Nation aufs äußerste gefährdet und darniederliegen – in einer solchen Zeit scheint es mir ein verbrecherischer Wahnsinn, die Militärausgaben fortlaufend von Jahr zu Jahr zu steigern.“

Kurt Tucholsky, „Keinen Mann und keinen Groschen–!“, 1926.

Das (noch) politisch dominierende Krisenmanagement in Europa ist fortgesetzt desaströs.

Das Vorhaben, die Kleinsparer in Zypern mit einem sogenannten Rettungspaket zu enteignen, um eine üppige Bankenrettung und zudem Kürzungen im Haushalt und Privatisierungen öffentlichen Eigentums in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu betreiben, ist an dem Widerstand der Bevölkerung sowie an dem Nein des Parlaments in Nikosia gescheitert.

Zunehmend wird in Europa diese zerstörerische Politik kritisiert und abgelehnt. Die Forderungen nach Schuldenschnitten zu Lasten von privaten Banken, Hedgefonds und Spekulationsgemeinschaften werden immer deutlicher. Auch die erpresserischen Kürzungen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Kultur und Soziales stoßen auf immer nachdrücklichere Ablehnung. Diese strategisch kopflose Politik ist nicht dem Allgemeinwohl, dem Wohlergehen der Mehrheit, einer vernünftigen Entwicklung von Gesellschaft und sozialem und kulturellem Leben verpflichtet, sondern dient wesentlich der kalten Profitmehrung und ist zudem ökonomisch völlig aussichtslos. Wie der Wahnsinn mit Methode beendet werden kann, hat das lehrreiche Beispiel Island gezeigt. Die ausländischen Gläubiger erhielten nichts, die betreffenden Banken wurden in Konkurs gebracht, vom Staat übernommen und auf ein kleines Maß reduziert. Die öffentliche Hand blieb handlungsfähig, die Wirtschaft gedieh.

Wie dieses relativ kleine Beispiel zeigt, ist eine Alternative zu der bevölkerungsfeindlichen Staatspolitik möglich, wenn die entsprechende gesellschaftliche Bewegung und der politische Wille zur sozial verantwortlichen Vernunft entwickelt werden. Europa und der Euro sind kein göttlicher Zwang zur Zerstörung von sozialen, kulturellen und demokratischen Errungenschaften.

Die Zivilisation ist ein Werk menschlicher Gestaltung. Niemand hat Elend verdient.

Der Wahrheit die Ehre:
Der Krieg ist das Problem

„In ihrem afghanischen Jahrzehnt hat die Bundeswehr beide Widersprüche [„Abschreckung“ und „Krieg der Nation“] endgültig aufgegeben. Die Soldaten müssen jetzt ihre Kenntnisse anwenden, um einen Auftrag zu erfüllen. Sie müssen schießen und töten, um Sicherheit zu schaffen und sind umgekehrt auch selbst durch ihre Gegner realen Bedrohungen für Leib und Leben ausgesetzt. (...) Woran es den Bundeswehrsoldaten stärker fehlt, ist eine Fürsorge, die auch der rührigste Wehrbeauftragte nicht in einer Mängelliste offenbaren und anschließend abstellen könnte: Es ist der Respekt einer Gesellschaft, die zwar nicht den Sinn und Zweck jedes Auslandseinsatzes gutheißen muss, die aber doch dem deutschen Militär Vertrauen in seiner neuen Rolle spendet und Wertschätzung für die Opfer, die damit verbunden sein können.“

Johannes Leithäuser, „Armee im Einsatz“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 23.3.2013, Leitkommentar.

 

„Welch ein Verderb für die Kultur und den Geist sind die Kriege! Das hilflose Erliegen des freien Geistes vor den ‚Taten‘ der Staatsmänner ist erbärmlich zu sehen.“

Thomas Mann, Tagebucheintrag vom 27.6.1936.

Die Bundeswehr ist – entgegen dem Grundgesetz (Verbot von Angriffskriegen) und der UN-Charta (Priorität des Gewaltverzichts) – militärisch an mehreren internationalen Auslandseinsätzen beteiligt. Das ist politisch gewollt und gesellschaftlich sehr umstritten.

Dort wird geschossen, getötet und gestorben. Das ist Krieg. – Und da der „Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ (Clausewitz) ist, dient die Armee politischen Zwecken – hier den geostrategischen Sicherungen von Ressourcen, Absatzmärkten, Transport- und Handelswegen sowie der Installierung von dafür willigen Regimes vor Ort. Fast alles davon läßt sich in den verteidigungspolitischen Richtlinien nachlesen, oder man erinnere sich daran, was der damalige (ermüdete) Bundespräsident Horst Köhler über die Aufgaben der Bundeswehr gesagt hat.

Nun ist dem Kommentator der „Zeitung für Deutschland“ („FAZ“) elf Jahre nach dem Beginn der Invasion der USA in Afghanistan aufgefallen, daß es in der bundesdeutschen Bevölkerung an Akzeptanz für's Militärische, der Zustimmung für Auslandseinsätze der Bundeswehr und auch an Opferbereitschaft gebricht. In Wahrheit ist eine Mehrheit gegen Militärinterventionen und ebenso für mehr Sozialstaat und Solidarität in der Gesellschaft. Damit ist die Bevölkerung näher dran an Grundgesetz (auch mit Sozialstaatsgebot) und UN-Charta als das staatliche Handeln. Das ist ein Widerspruch zwischen Regierten und Regierung. Auf diesen Widerspruch ist immer wieder öffentlich und nachdrücklich hinzuweisen: für eine friedliche, zivile und soziale Entwicklung – weltweit, an jedem Ort.

Die Wahrheit wirkt gegen den Krieg.

Hamburger Ostermarsch 2013:

Den Terror beenden:
Krieg und Aufrüstung stoppen!

Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden!
Verbot aller Rüstungsexporte!

Ostermontag, den 1. April 2013

12.00 Uhr: Auftaktkundgebung,
Immenhof, vor der St. Gertrudkirche, Mundsburg

12.30 Uhr: Demonstration
zum Carl-von-Ossietzky-Platz

14.00 Uhr: Friedensfest
auf dem Carl-von-Ossietzky-Platz an der Langen Reihe

Jakobinersperling