Wintersemester 2016/2017

Flugblätter

Semesteranfangszeitung Wintersemester 2016/17

Die Liste LINKS trifft sich freitags, 16 Uhr,
im Raum des FSR Erziehungswissenschaft
(Von-Melle-Park 8, Raum 035b)

Das Maß des Individuums: Die Welt
Über ein Verhältnis

„Wer die Globalisierung beherrschen will, muss die Politik globalisieren, braucht starke Weltinstitutionen, Uno, G 20, einen zeitgemäßen Sicherheitsrat, eine Weltbankenaufsicht, eine Weltjustiz für den Handel. Der frühe Internationalismus war sozialistisch, der neue muss demokratisch sein. Es ist höchste Zeit dafür.“

Dirk Kurbjuweit, „Rückzug in den Winkel“ (Leitartikel), „SPIEGEL“ Nr. 41/2016, S. 8.

 

„Die Linken wollen eine gerechtere Demokratie. Die Rechten wollen gar keine Demokratie. Wer diesen Unterschied verwischt, besorgt das Geschäft der Rechten.“

Jakob Augstein, „Links oder rechts?“, „SPIEGEL“ Nr. 41/2016, S. 10.

 

„Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsverhältnisse hervorgebracht hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor.“

Karl Marx/Friedrich Engels, „Manifest der Kommunistischen Partei“, 1848, Marx-Engels-Werke (MEW), Band 4, S. 467.

Äpfel, Birn', Tomaten, Feigen – was paßt nicht in diesen Reigen?

Wenn nicht alles täuscht, hat die Uno eine andere Funktion als die sogenannten G-20-Gipfel. Hier werden die Übel ausgebrütet, mit denen sich dann eine weniger mächtige Uno beschäftigen muß.

Allerdings ist richtig, sich nicht in den (Kräh-)Winkel zurückzuziehen und sich stattdessen mit der – globalen – Menschenwelt zu beschäftigen, deren Teil man ist. Dabei ist wenig Verlaß auf die falsch handelnden Regierungen. (Die Demonstrationen gegen TTIP und CETA sowie für Frieden und Abrüstung sprechen eine andere Sprache, bieten eine andere Perspektive.)

Auch ist der heutige Internationalismus für Frieden, Abrüstung, zivile Entwicklung, für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, sauberes Wasser, ausreichende Ernährung, eine humane Gesundheitsversorgung, Bildung und Kultur für Alle, für sinnvolle Arbeit und soziale Absicherung sowie die Schaffung und den Ausbau demokratischer Partizipation – weltweit, für alle Menschen.

Es läßt sich also sagen: Der gegenwärtige Internationalismus ist demokratisch und (zumindest) sozial und solidarisch.

Und da jeder Mensch nicht nur individuell, sondern auch global ist, kann jeder auch individuell global handeln – selbstverständlich gemeinschaftlich, solidarisch, politisch und mit Vernunft und Perspektive. Themen, Forderungen, Gelegenheiten sind dafür vorhanden und weiterhin zu schaffen.

Auf diese Weise ist nicht mehr das Sofa der zentrale Ort menschlichen Daseins, sondern, an jeder Stelle: die Welt. Das gesellschaftliche Subjekt kommt so zu seiner – selbst erkannten – erweiterten Bedeutung. – Auch in Alltag und Hochschule. Diese Versuchung ist jeden Versuch wert.

„Eine der schauerlichsten Folgen der Arbeitslosigkeit ist wohl die, daß Arbeit als Gnade vergeben wird. Es ist wie im Kriege: wer die Butter hat, wird frech.“

Kurt Tucholsky, „... zu dürfen“, 1930.

Nun denn.

Exzellenz ist häßlich
Für die humanistische Weiterentwicklung der Wissenschaften

„Die Exzellenzinitiative stärkt die Hochschulen als Stätten der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Hochschulen werden so für hervorragende Studierende, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem In- und Ausland attraktiver.“

„Bundesministerium für Bildung und Forschung“, Homepage des Ministeriums, „Die Exzellenzstrategie“, 2016.

 

„Reiz ist Schönheit in Bewegung.“

Gotthold Ephraim Lessing, “Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie”, 1766.

Die „Exzellenzinitiative“ (jetzt „-strategie“) fungiert als Schönheitskonkurrenz für Hochschulen: Unter der legitimatorischen Behauptung, es gehe auch um innere Werte, wird nach letztlich rein formalen und oberflächlichen Kriterien öffentlich ein Wettbewerb inszeniert. Mit einem lächerlichen Preisgeld, ergänzt um einen ruhmversprechenden Titel, wird prämiert, was besonders vermarktungstauglich erscheint. Das Ergebnis ist gesellschaftlich vollkommen unnütz, alle Teilnehmenden sind Verlierer, einschließlich der Gekrönten, und dennoch sollen alle dem gesetzten Ideal der Passförmigkeit für die profitable Verwertung nacheifern. Schönheit ist anders.

Die „Exzellenzinititaive“ ist ein Erbe aus einer Zeit, für die und in der die einstige stockkonservative raketenforschende Kurzzeitpräsidentin der Universität Hamburg (Monika Auweter-Kurz) postulierte, man könne nicht mehr studieren „wie in den Zeiten der Aufklärung“.

Diese prinzipielle Absage an kritischen Erkenntnisgewinn, also an Wissenschaft überhaupt, hat sich nicht durchsetzen können (auch die Präsidentin wurde vorzeitig ihres Amtes enthoben). Vielmehr sind aktuell die Mitglieder der Universität Hamburg mittendrin in einer Renaissance aufklärerischer Wissenschaft.

Gegen Hochschulrat und hierarchische Managementstrukturen wird die Rückgewinnung demokratischer Souveränität der selbstverwalteten Mitgliederuniversität betrieben, „die auf Information und Transparenz, demokratischer Beteiligung und dem Willen zur Konfliktlösung beruht“*. Die Überwindung der Ba/Ma-Restriktionen zugunsten der „Bildung mündiger Persönlichkeiten in gesellschaftlicher Verantwortung“* ist Maßstab dauerhafter Studienreform. Statt Just-in-time Wissenschaft zur profitablen Verwertung zu produzieren, soll die inhaltliche Ausrichtung auf Nachhaltigkeit leitend sein, verstanden als „problemorientierte Verantwortung für die Entwicklung einer humanen, demokratischen, sozial gerechten und zivilen Gesellschaft, die sich an den Grundsätzen der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit orientiert“*.

Damit verbunden ist ein gesellschaftlicher Verallgemeinerungsanspruch: „Die Universität will sich der Herausforderung stellen, Perspektiven für gestaltendes Eingreifen in gesellschaftliche Entwicklungen zu eröffnen, anstatt lediglich nachzuvollziehen was ist.“*

(*Alle Zitate aus Beschlüssen des Akademischen Senats der Uni Hamburg vom 4.9.2014 bzw. 8.9.2011.)

Wenn nun die Wissenschaftsministerien der Bundesländer zusammen mit der Bundesregierung nach einigem Hin und Her eine weitere Runde „Exzellenz“gedöns verabschiedet haben, dann richtet sich das ganz wesentlich als finanzielle Erpressung gegen die Hochschulen, von diesem beispielgebenden, humanistisch bestimmten Heraustreten aus der Ära des Neoliberalismus Abstand zu nehmen. Die hochtrabende „Strategie“ entpuppt sich als defensive Verschleppung einer notwendigen politischen Wende.

Das darf getrost als Aufforderung genommen werden, das Engagement für die aufklärerische Universität erst recht auszubauen: der Bachelor muss nicht der Regelabschluss bleiben, die inhaltliche und methodische Studienreform sollte stringent fortgesetzt werden, für verantwortungsvolle Wissenschaften für Frieden (Zivilklausel), Internationalismus (Flüchtlingssolidarität und Überwindung von Fluchtursachen) und das soziale Wohl aller bleiben viele gesellschaftliche Herausforderungen.

Dazu gehört auch der nachdrückliche Kampf für die Überwindung der Schuldenbremse und die bedarfsdeckende Grundfinanzierung von Bildung und Wissenschaft.

Das sind reizvolle Aufgaben für das neue Semester.

Immer wieder: „Die Waffen nieder!“
Die Völker hören die Signale

„Wir wollen mit der Vergabe des Friedensnobelpreises an Juan Santos all diejenigen ermutigen, die danach streben, in Kolumbien Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung zu erreichen. (...) Der Preis sollte auch als Tribut an die kolumbianische Bevölkerung gesehen werden, die trotz großer Not nicht die Hoffnung auf einen gerechten Frieden aufgegeben haben.“

Aus der Begründung zur Verleihung des Friedensnobelpreises 2016.

Das Nobelkomitee hat dieses Mal eine ihrer klügeren Entscheidungen getroffen. Auch wenn der Mut nicht dazu ausreichte, den zweiten Partner des Friedensabkommens in Kolumbien, die FARC-Guerilla, mit auszuzeichnen: der Preis greift politisch ein und will ausdrücklich den weiteren Friedensprozeß unterstützen.

Nach vier Jahren Verhandlungen, die u.a. von Kuba und Norwegen diplomatisch begleitet wurden, unterschrieben die ehemaligen Kriegsparteien einen Friedensvertrag, der den mehr als 50 Jahre andauernden, blutigen Bürgerkrieg beenden soll. Neben der Entwaffnung der „Rebellen“ und ihrer politischen Integration ins politische System soll es eine faire juristische Aufarbeitung des Bürgerkrieges und eine soziale Entschädigung der Opfer geben. Der Kampf für eine gerechte Landreform zugunsten der armen Landbevölkerung, eins der Hauptziele der FARC, soll nunmehr mit zivilen, politischen Mitteln geführt werden (können).

Einige FriedensforscherInnen, z.B. die Lateinamerika-Expertin Sabine Kurtenbach vom Hamburger Giga-Institut, sehen in dem Friedensvertrag ein Modell für die Beilegung anderer bewaffneter Konflikte, weil damit auch die strukturellen Probleme wie die Landverteilung und die politische Beteiligung der Bevölkerung angegangen werden.

Alle Beteiligten haben angekündigt, trotz des „Neins“ beim Referendum zum vorliegenden Abkommen den Friedensprozeß weiter voranzutreiben, und Zehntausende demonstrieren und arbeiten dafür.

In Berlin demonstrierten am 8. Oktober achttausend Menschen unter dem Motto „Die Waffen nieder!“ gegen die gefährliche Eskalationspolitik – insbesondere der NATO-Staaten – für eine Beendigung aller Militäreinsätze und radikale Abrüstung. In vielen Flugblättern, Parolen und Redebeiträgen kam zum Ausdruck: Nicht anti-russiche Hetze und Sanktionen, nur die Beendigung aller Gewalt, zu der auch die strukturelle Gewalt der globalen sozialen Ungleichheit gehört, führen zum Frieden. Dafür muss in erster Linie beendet werden, daß die reichen Industriestaaten den Rest der Welt ausbeuten und durch Geschäfte mit Waffenproduktion und -export die Konflikte noch weiter anheizen. In allen auch noch so schwierigen Lagen gilt: Die Waffen müssen schweigen, damit Diplomatie und Dialog zum Tragen kommen können (s. oben).

Den Plänen der Bundesregierung, die Verteidigungsausgaben im kommenden Haushaltsjahr auf enorme 40 Milliarden Euro zu erhöhen, erteilt die Friedensbewegung eine klare Absage und fordert: „Statt die Bundeswehr für weltweite Einsätze aufzurüsten, muss es eine drastische Reduzierung der Verteidigungsausgaben und eine Umverteilung auf soziale und ökologische Belange geben.“

Die sozialen und ökologischen Belange der Menschheit zu verwirklichen sowie Demokratie und Kultur für alle zu schaffen, sei auch Inhalt der Wissenschaft und Movens des eigenen, gemeinsamen Handelns. Zivilklausel und aufklärerische Friedensforschung sind Teil des umfassenden Wirkens für eine Welt ohne Krieg.

Bücher

„Wenn der Mensch
von den Umständen
gebildet wird, so muß
man die Umstände
menschlich bilden.“

Karl Marx/Friedrich Engels,
„Die heilige Familie“
1844/45, MEW 2, S.138.

Werte: Worte und Musik
Ein Hinweis zum Handeln

„Manchmal vergessen wir über all den Prozessen und Verhandlungen den wichtigsten menschlichen Impuls: den Willen. Wenn wir das Bedürfnis, miteinander zu sprechen, nicht haben, dann werden wir es nicht schaffen. (...) Ohne Musikerziehung werden wir eines Tages kein Publikum mehr haben. Das Grundproblem ist der Mangel an Musikerziehung, überall auf der Welt, nicht nur in Deutschland. Man kann heutzutage ein gebildeter Mensch sein, viel verstehen von Philosophie, Kunst, Theater oder Literatur, und absolut null Beziehung zur Musik haben. Das war früher unmöglich.“

Daniel Barenboim im Gespräch mit dem „Hamburger Abendblatt“, 19. 11. 2015, S. 21.

 

„Allgemeinverständlichkeit kann es in der Musik nur geben, wenn die Musik entweder zum Primitiven reduziert wird oder wenn jedermann die Sprache der Musik erlernt.“

Nicolaus Harnoncourt, „Musik als Klangrede“, Salzburg und Wien 2014, S. 11f.

Musik ist international verständlich und kann so der übergreifenden Verständigung dienen. Sie handelt von Ärger, Freude, Konflikt, Entwicklung, menschlichem Ringen, Dissonanz, Gleichklang, Streit, Gemeinsamkeit – und auch von humorvoller Auflösung. Sie ist meistens mit dem Wort verbunden. Verstand und Gefühl werden (als eine lebendige Einheit) gebildet.

Das ersetzt zwar keineswegs das politische Handeln – für Frieden, Bildung, Arbeit und Kultur für Alle, für die Studienreform –, substantiiert aber unfraglich die Persönlichkeiten und ihre Kooperationsfähigkeit – auch in der aktiven Kritik von Kriegen, Armut, Elend, Rassismus und anderen Deformationen und Beschränkungen.

Der Mensch ist vielfältig und will sich – sozial, politisch und kulturell – verwirklichen.

Das gilt in Hochschule und Gesellschaft. Das sei gesagt und getan.

So kooperieren wir mit anderen fortschrittlichen Gruppierungen in den Gremien der studentischen Interessenvertretung, in der Akademischen Selbstverwaltung und in außerparlamentarischen Bewegungen: in Fachschaftsräten, in der Fachschaftsrätekonferenz, im Studierendenparlament, im Akademischen Senat, in Fakultätsräten, in der Friedensbewegung, in Bündnissen gegen Neofaschismus, in Aktivitäten gegen Sozialabbau. Wir sind bundesweit als Gründungsmitglied im Hochschulgruppenverband Die Linke.SDS organisiert.

Dieses Engagement ist uns alltägliche und sehr menschliche Angelegenheit. Allseitige Emanzipation als erstes Bedürfnis. Dem sollte sich auf Dauer niemand entziehen.

„Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“

Bertolt Brecht, „Lob der Dialektik“, 1934.

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Kritische Rationalität
oder
Die Macht der Erkenntnis

„Tatsächlich, und dafür braucht man gar keine Verschwörungstheorie, bräuchte der globale Kapitalismus mehr denn je dringend ein ebenfalls global organisiertes Gegengewicht. Die Konzerne haben die Methode perfektioniert, nationale Regierungen zu ihrem eigenen Nutzen gegeneinander auszuspielen, egal, ob es um Steuervermeidung, Arbeitnehmerrechte, den Klimawandel, oder Abgasmauscheleien geht.“

Christian Stöcker, „Gegen Trump, AfD und Co. / Rationale aller Länder, vereinigt euch!“, „SPIEGELONLINE“, 23.10.;16.

 

„Laß dich nicht anstecken, gib keines andern Meinung, ehe du sie dir passend gefunden, für deine aus; meine lieber selbst.“ (121)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft D, 1773-1775.

Beginnen wir philosophisch: Der Mensch ist – dem Wesen nach – ein lernendes Subjekt, er braucht Orientierung und Sinn für das Allgemeine wie für das Besondere. Die Analyse, aber auch die Formgebung der Kunst, bilden die Befähigung zur Unterscheidung, zur Gemeinsamkeit sowie ebenso das Erkennen von Möglichkeiten, welche eine Überschreitung des Gegebenen sind. Einsichten und Aussichten können sehr praktisch sein. Die Persönlichkeit schafft ihre gesellschaftliche Souveränität.

Der Nationalismus, die Verharmlosung brauner Vergangenheit (und Gegenwart), die Herabwürdigung von Menschen bzw. spezifischer Gruppen oder ihre Erfindung, die Konkurrenz, der Krieg und die Kulturbilder einer heilen konservativen Vergangenheit bilden keine Gemeinsamkeit für eine menschliche Gegenwart und Zukunft. Diese Ideologien, Menschenzerrbilder, politischen Konzepte und Suggestionen sind alle auf die Mehrung der Rendite respektive die gesteigerte Fortsetzung der sozialen und kulturellen Ungleichheit aus. Das ist rechts, regressiv und, ließe man das geschehen, auch gefährlich.

Tatsächlich gibt es eine globale mehrheitliche Interessenübereinstimmung, für Frieden, zivile internationale Entwicklung, (sinnvolle) Arbeit sowie für Bildung, Gesundheit und Kultur für Alle. Diese objektive Gemeinsamkeit wird zunehmend zur Motivation kritischen Denkens und solidarischen Handelns. Wer sich darin nicht beirren läßt und sich mehr und mehr dafür engagiert, dessen Persönlichkeit gewinnt an Bedeutung. Die Lebensfreude wächst dabei mit. Und: Es ist wahrlich keine Schande, in diesem Sinne links zu sein. Stets.

„Kunst und Wissenschaft wirken in verschiedener Weise, abgemacht. Dennoch muß ich gestehen, so schlimm es klingen mag, daß ich ohne Benutzung einiger Wissenschaften als Künstler nicht auskomme.“

Bertolt Brecht, „Vergnügungstheater oder Lehrtheater?“, 1936.

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Wider das Getrumpel
oder
Links geht auch

„Die freie Welt wird von Lähmung und Spaltung und Zerfall geplagt – und nicht nur in Moskau, sondern auch in den westlichen Völkern finden manche, das geschehe ihr recht. Doch wollte man die Fehlbarkeit freier Gesellschaften und die politische Mühsal demokratischer Systeme wirklich gegen die (nur behauptete) Unfehlbarkeit und ‚Effizienz‘ der Diktatur in all ihren Erscheinungsformen eintauschen? Das würden, abgesehen von Fanatikern und den Profiteuren autoritärer Regime, vermutlich nur wenige bejahen.“

Berthold Kohler, „Selbstzerstörerische Supermacht“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 5.11.'16, S. 1 (Leitkommentar).

 

„Trump gab und gibt dem rechten Rand eine schrille und geldschwere Stimme und beeindruckt dabei mit brachialer Frechheit eine sehr breite und auch bürgerliche Schicht: jenen Teil der Gesellschaft, die in ihrer Angst vor Terror, vor finanzieller Not und gesellschaftlichen Umbrüchen auf eine Erlösung, zumindest auf einen Befreiungsschlag hofft, den ihr dieser US-Narzisst rhetorisch täglich anbietet.“

Heribert Prantl, „Donald Trump: Populismus in seiner aggressiven Form“, „Hamburger Abendblatt“, 7.11.'16, S. 2 (Gastkommentar).

Liebe „Zeitung für Deutschland“ („FAZ“): Wären die vorrangigen kapitalistischen Industrieländer und -staaten wirklich, wahrhaft und rundum freie, friedliche, soziale, solidarische, demokratische, kultivierte, gebildete und freundliche Gesellschaften, müßte man nicht verständnislos über „Lähmung und Spaltung und und Zerfall“ klagen. (By the way: Auch könnte man auf den Moskau-Reflex verzichten, denn Frieden tut Allen gut.)

Ja, die Welt ist im Umbruch, mit leider auch vielen häßlichen Erscheinungsformen: Sie heißen – pars pro toto – AfD, Front National, UKIP, Trump usw.

Aber es gibt auch Gegenelemente, sie heißen – pars pro toto – Jeremy Corbyn, Bernie Sanders und Justin Trudeau usw. Sie bilden sich aus den (auch global wirksamen) Bewegungen für Frieden, internationale Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Erweiterung der demokratischen Partizipation, Umweltschutz und für ein aufgeklärtes menschliches Miteinander, das den würdigen Möglichkeiten sowie zu schaffenden Bedingungen im 21. Jahrhundert entspricht.

So ist die Lage zwar ernst, jedoch keineswegs hoffnungslos.

So hat Heribert Prantl durchaus recht, wenn er implizit und deutlich für eine soziale Demokratie plädiert und damit historische Erfahrungen in Erinnerung bzw. entsprechend positive Verfassungsgrundsätze in das handlungsrelevante Gedächtnis ruft – z.B. die Würde des Menschen, die Gleichheit vor dem Gesetz, demokratischer und sozialer Rechtsstaat, Verbot von Angriffskriegen etc.

Gleichwohl ist auf die Verfassung allein kein Verlaß. Positive Grundsätze verlangen eine angemessene Praxis. Die Möglichkeit ist Allen gegeben. Wer sich so begreift, ist mit Vielen.

Bildung
Der Einzelne ist dann gescheit,
Wenn er zur Expansion bereit.

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Die Verneinung des Falschen
oder
Die Mehrheit kann sich selbst verwirklichen

„Weil die politische Linke die soziale Frage links liegen ließ, suchen immer mehr Wähler ihr Glück bei der Rechten. (...) Zu oft erwecken Sozialdemokraten oder Grüne den Eindruck, sie hegten einen gewissen Dünkel gegenüber jenen, deren Interessen sie vermeintlich vertreten. Als seien sie sich zu fein für gewisse Milieus.“

Markus Feldenkirchen, „Raus ins Leben!“, „SPIEGEL“ Nr. 47/2016, S. 6 (Leitkommentar).

 

„Jede Entwicklung, welches ihr Inhalt sei, läßt sich darstellen als eine Reihe von verschiedenen Entwicklungsstufen, die so zusammenhängen, daß die eine die Verneinung der andern bildet.“

Karl Marx, „Die moralisierende Kritik und die kritisierende Moral“, 1847, Marx-Engels-Werke (MEW), Band 4, S. 336.

Das extrem Rechte – in welcher speziellen autoritären Form auch immer – ist in seiner gesellschaftlichen Brutalität die Verneinung der sozialen Progression. Die soziale Progression wiederum – in all ihrer gemeinsamen Vielfältigkeit – ist die Verneinung des Krieges, der Konkurrenz und des Neoliberalismus.

Der gesellschaftliche Fortschritt ist aber auch Bejahung: Des Friedens, der zivilen Entwicklung, der Aufklärung, der Kooperation als persönliches und kulturelles Entfaltungsprinzip, der (internationalen) Solidarität sowie der Humanität als gelebtes Alltagsverständnis. Diese Konzeption zur Verwirklichung einer menschlichen (globalen) Gesellschaft ist nicht auf die Potentialität von SPD und Grünen beschränkt. Auch ist diese Möglichkeit nicht, wie Markus Feldenkirchen am Ende seines Kommentars (s.o.) meint, auf ein „dreistes Aufstiegsversprechen“ zu begrenzen, sondern auf die Verbesserung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen für die große Mehrzahl der Menschen weltweit zu beziehen. Diese Notwendigkeit der Verbesserung als die Verneinung von Verschlechterung betrifft alle Bereiche des sozialen, kulturellen und politischen Lebens – die Arbeit, das Soziale, die Gesundheit, die Kultur, die Bildung und die natürlichen Lebensgrundlagen.

Die Erfordernisse einer humanen Wandlung betreffen auch die „Aufgestiegenen“: Die starke Minderung von Arbeitshetze und Entfremdung, die Stärkung der Mitbestimmung, die Sinngebung von Arbeitsinhalten und Gesellschaftsentwicklung und die Solidarisierung mit anderen Menschen ist auch für sie human und notwendig. Niemand soll gegen den anderen ausgespielt werden können.

Das gilt gleichermaßen für die positive Entwicklung der Hochschulen. Mit den Bereichen bedarsfgerechte Finanzierung, Ausweitung der Partizipation, der konsequenten Reformierung des Ba-Ma-Systems sowie der Intensivierung der gesellschaftlichen Verantwortung der Wissenschaften.

Kakao- statt Schießpulver, Aufklärung statt Manipulation, Kooperation statt Konkurrenz, Kommunikation statt Isolation und Heiterkeit statt Niedergestimmtheit!

„Was heute not täte, wäre ein militanter Humanismus, welcher gelernt hat, daß das Prinzip der Freiheit und Duldsamkeit sich nicht ausbeuten lassen darf von einem schamlosen Faschismus; daß er das Recht und die Pflicht hat, sich zu wehren.“

Thomas Mann, „Humaniora und Humanismus“, 1936 (Rede auf der Tagung des „Comité International pour la Coopération Intellectuelle“ in Budapest).

Aus der Geschichte können wir lernen.

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1. Zeitung zu den Studierendenparlamentswahlen

Ist der reaktionäre Trend gestoppt?
Zur Perspektive

„Van der Bellens Sieg scheint die neue Dominotheorie zu widerlegen, nach der ein westliches Land nach dem anderen in die Hände von Rechtspopulisten fällt: Brexit, Trump, Hofer, Wilders, Le Pen – so lautete bis zum Sonntag der Fahrplan, den die nationalistischen Kräfte selbst sowie ihre zunehmend vor Angst erstarrten und ratlosen Gegner vor Augen hatten. (...) Man sollte Van der Bellens Wahlsieg als Entscheidung gegen Hofer verstehen, aber nicht als Rückbesinnung einer ganzen Nation auf die Ideale des links-liberalen ›juste milieu‹.“

Nikolas Busse, „Votum gegen Hofer“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 5.12.'16., S. 1 (Leitkommentar zu den Wahlen des österreichischen Bundespräsidenten).

 

„Juste-Milieu [frz. ›richtige Mitte‹] das, Schlagwort, nach der Julirevolution von 1830 auf die gemäßigte Regierungsweise Louis Philippes angewendet.“

Brockhaus Taschenlexikon, 2010 Gütersloh/München, Bd. 11., S. 3668.

 

„Ich erinnere mich eines Augenblicks gegen Ende des [II. Welt-] Krieges, als meine doch immer so gefaßte und sehr zusammengenommene Mutter, ich weiß nicht mehr, von der Bahnfahrt nach der Arbeit oder vom Schlangestehen nach Hause kam und erst weinte und dann wütend schrie, es sollte doch endlich die Zeit wiederkommen, wo es keiner Überwindung bedarf, anständig zu sein, und wo Höflichkeit so selbstverständlich ist, daß die Menschen keinen Namen für sie wissen.
Ich habe sie gefragt, was das für eine Zeit sein solle, und sie hat gesagt: Das ist der Frieden.
Sie hat natürlich übertrieben; sie hat den Frieden mit dem Paradies verwechselt.“

Hermann Kant, „Anrede der Ärztin O. an den Staatsanwalt F. gelegentlich einer Untersuchung“, Erzählungen, Berlin (DDR), 1975/76, S. 62.

Zur Eröffnung: Von Willy Brandt ist glaubhaft überliefert: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“ Daran können wir uns halten.

Die Rechte rauscht nicht so einfach durch, wenn, ja, wenn sich ihr entgegengestellt wird.

Allerdings läßt sich mit einem einfachen „Weiter so!“ nicht weiterkommen. Es bedarf notwendig des Bewußtseins bzw. der entsprechenden Handlungsbereitschaft, die Krise ernst zu nehmen und eine sozial progressive Entwicklung anzustreben oder zu dieser konsequent beizutragen.

Der Hamburger Bürgermeister O. Scholz war jüngst als Gastredner zu Besuch auf dem Parteitag der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP). Dort konnte er jugendliche Töne vernehmen, die er aus seiner Juso-Zeit gut kennt. In dem Programm der SP heißt es: „Er [der Klassenkampf] wird von den feudalen Büros der Multis und der Hochfinanz in Singapur, New York, Dubai und Genf aus geführt.“ „Selbstbestimmung, Freiheit und Demokratie“ seien dagegen am Arbeitsplatz durchzusetzen, soziale Umverteilung zu realisieren, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu verwirklichen, der gemeinnützige Wohnungsbau zu stärken. Die Vorherrschaft der Politik gegenüber dem Markt sei durchzusetzen. (Diese Programmatik wird sehr weitgehend von einer großen Mehrheit der schweizerischen Basis der SP getragen. Bei Teilen der Leitung sowie der Hälfte der Parlamentsabgeordneten trifft dieser progressive Kurs auf Widerstand.)

O. Scholz hat seine Verblüffung dem gegenüber verborgen: „Unser Flughafenchef ist übrigens Schweizer. Der spricht auch hervorragend Deutsch.“ Dazu sei gesagt: Deutsch schrieben und sprachen auch: Lessing, Heine, Brecht, Marx, Engels, Tucholsky, die Familie Mann – und Willy Brandt.

Gelegentlich läßt sich auch von den Schweizern lernen (z.B. von Jean-Jacques Rousseau).

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2. Zeitung zu den Studierendenparlamentswahlen

Weltmacht? Nein Danke!
Für Abrüstung, Völkerverständigung und soziale Entwicklung.

„Wir können unseren Bürgern nur hinreichend Sicherheit gewährleisten, wenn wir als wahre Union zusammenarbeiten, mit dem vollen Potenzial einer Supermacht auf dem Gebiet der Sicherheit und Verteidigung.“

Federica Mogherini, „Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik“, am Rande eines Sondertreffes der EU-Außenminister nach der Wahl Donald Tumps, 14.11.2016.

 

„Faktisch hat die Europäische Union immer schon Geopolitik betrieben, jeder Blick auf die Landkarte zeigt das. Die Gemeinschaft ist von anfangs sechs auf heute 28 Mitglieder gewachsen, mit jeder neuen Erweiterung hat sie ihren Einflussbereich arrondiert, von Griechenland im Süden bis nach Finnland im Norden. Ganz ohne Waffen. Die EU hat die neuen Mitglieder vielmehr gelockt: mit Handelserleichterungen und Subventionen, mit dem Versprechen von Wohlstand und Demokratie. Die Macht, die die EU entfaltete, war so sanft, ihr Erfolg lange Zeit so selbstverständlich, dass sie lange Zeit keine Vorstellung von ihrer eigenen Größe hatte. Die Union hat Geopolitik gemacht, ohne es selbst zu begreifen. Mit dieser strategischen Naivität ist es nun vorbei.“

„Weltmacht! Echt jetzt?“, J. Bittner, G. Blume, G. Gnauck, A. Köckritz, M. Krupa, J. Lau, M. Thumann, G. v. Randow, H. Wefing, U. Ladurner, in „DIE ZEIT“ Nr. 48/2016, 17. November 2016.

 

„Krieg ist nichts als Drückebergerei vor den Aufgaben des Friedens.“

Thomas Mann, „Vom kommenden Sieg der Demokratie“, 1938.

Geopolitik – dieser Begriff löst gleich bei einem ganzen Autorenkollektiv der „ZEIT“ Militarisierungsbegeisterung aus. Wie immer, wenn es zu den Waffen geht bzw. gehen soll, bleibt die Wahrheit auf der Strecke: „Sanft“ war auch die bisherige Ausweitung der neoliberalen EU nicht, wie das soziale Elend in Griechenland, aber auch die wachsende Ungleichheit in der BRD zeigen. Zudem ging der völkerrechts- und grundgesetzwidrige Angriffskrieg zur Zerschlagung Jugoslawiens gewiss nicht „ganz ohne Waffen“ von statten.

Für eine neue Qualität europäischer Aufrüstung trommelt – flankiert von der EU-Außenbeauftragten – vorneweg Ursula von der Leyen. In Reaktion auf die Wahl des brutalen Rassisten Trump, der auch schon mal öffentlich über die Erschießung von Mitmenschen schwadroniert, macht sich „Flinten-Uschi“ vor allem Sorgen, ob der designierte US-Präsident nicht zu wenig konfrontativ gegenüber Russland sei.

Darum also geht es: Die weitere Expansion der EU gen Osten zur Not auch militärisch durchsetzen zu können. Dafür wird auch verbal aufgerüstet.

Die Lehren aus zwei Weltkriegen, in die solches Streben nach Macht, Märkten und Rohstoffen geführt hat, sind andere: Abrüstung, Demonopolisierung der Wirtschaft, friedliche internationale Verständigung (Potsdamer Abkommen).

Aktuell heißt das: Beendigung aller Militäreinsätze, keine NATO-Übungen an Russlands Grenzen, Rüstungskonversion und Verbot von Rüstungsexporten sowie radikaler Abbau aller Atomwaffen. Die Bedingungen für den Frieden sind zu schaffen durch friedliche Konfliktlösung und internationalen Dialog, soziale Entwicklung, sinnvolle Arbeit, Bildung, Kultur und Gesundheit für Alle. Dafür lässt sich als Teil der internationalen Friedensbewegung engagiert wirken.

Aufgeklärte Wissenschaften mit kritischem Gesellschaftsbezug und eine Zivilklausel für die Hochschulen sind für den Frieden sehr förderlich.

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Kaufrausch? Weihrauch? Oberfläche?
Zur kultivierten Vernunft

„Denn zwischen dem Mangel an Kultur und dem Mangel an Menschlichkeit besteht eine Verbindung, Sie wissen es, ich weiß es, wir haben es immer schon gewusst, aber wir haben dem herrschenden Diskurs gestattet, es zu vergessen. Doch wie hat Franklin D. Roosevelt gesagt? ‚Demokratie kann nur gelingen, wenn diejenigen, die ihren Willen ausdrücken, in der Lage sind, klug zu wählen. Der wahre Schutzwall für die Demokratie ist daher Bildung.‘ Die Ausübung der Künste und der Kontakt mit ihnen ist unser lebenslanges Bildungsprogramm – hier und jetzt: Das bereitet uns darauf vor, klug zu wählen. Sie trainiert und stärkt unsere Phantasie, die Kraft, die uns befähigt, uns jede Form von Veränderung und die Konsequenzen unseres Handelns vorzustellen, mit anderen zu fühlen. Ohne die Phantasie ist Hoffnung eine Form des Wahns.“

A.L. Kennedy, „Hier geht es um Leben und Tod“, britische Schriftstellerin und diesjährige Preisträgerin des Heinrich-Heine- Preises der Stadt Düsseldorf in ihrer Dankesrede, dokumentiert in „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 12.12.'16., S. 9.

 

„Bei unserer vorweihnachtlichen Empörung über das Leid in Aleppo wird die große Lebenslüge der Bundesrepublik leider erfolgreich ausgeblendet. Wir sind der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Es gibt kaum einen Konflikt auf der Welt, in dem deutsche Waffen nicht beim Töten helfen. (...) Es gibt Grenzen des Wachstums- und Profitdenkens. Wir haben die Welt viel zu lange mit unseren Waffen vergiftet. Es ist Zeit, diese widersprüchliche und zynische Politik zu beenden und jegliche Rüstungsexporte einzustellen – zumindest außerhalb der EU und des Nato-Verbundes.“

Markus Feldenkirchen, „Stoppt die Waffenexporte!“, SPIEGEL" Nr. 51/2016, S. 12.

Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“) titelt kurz vor Weihnachten am 18.12.: „Die Deutschen sind im Kaufrausch Die Fußgängerzonen voll, der Handel glücklich: Dieser Dezember bricht alle Rekorde. Und selbst die Armen werden reicher“. Geistig verdreht ist das Bonmot von den reicher gewordenen Armen... Was soll damit gesagt sein? Können die Armen reich(er) werden? Bekommen sie dann auch den Kaufrausch? Hat der Autor des Kaufrausch-Artikels (zu) tief ins Glas geguckt? Auf jeden Fall wird suggeriert, daß alles gut sei – Unzufriedenheit unangemessen, Friedensambitionen nörgelhaft, Belastungsüberdruß Leistungsverweigerung, Solidaritätsbegehren leistungsschwach, Politisieren harmoniestörend, soziales Gewissen wirtschaftsfeindlich und Infragestellen von Entfremdung und Hetze unmodern.

Weihnachten sei die gesättigte, private, gedimmte und belanglose Zufriedenheit. Schöne Bescherung!

Fehlt da nicht etwas oder gehen wir damit nicht fehl? Gegen allen Dunst liegt doch viel im Argen. Wider die organisierte Einschläferung wachsen die kritischen Ansprüche. Positive Veränderungen stehen auf der Tagesordnung. Alle können sich an Verbesserungen in der Gesellschaft und im Alltag beteiligen. Über den Braten hinweg will einiges gesagt und erörtert werden. Die Weihnachtstage müssen nicht die Zeit der Verdrängung sein (es kehrt ohnehin stets zurück).

Insofern wächst die Freude mit jedem Wort, was ohnehin gesagt sein will. Das haben wir im Kopf bzw. in der Hand. Vernunft ist praktisch und persönlich. Gutes Gelingen!

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Das menschliche Wir
Ein gedanklicher Einwurf

„Legenden sind oft attraktiver als die Wirklichkeit, Vorurteile bequemer als die rationale Weltsicht, und historische Lügen dienen als Waffen in der politischen Auseinandersetzung, wenn Argumente fehlen.“

„Legenden Lügen Vorurteile“ (Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte), München 1993, Vorwort, S. 6.

 

„Wo die Heimat zur Fremde wird, wird die Fremde zur Heimat. (...) Was wir dem Unfug des totalen Staates entgegenstellen, ist der totale Mensch. Die Zeiten sind längst vorbei, wo man das Menschliche in verschiedene Sphären eingeteilt sehen konnte, von denen eine die politische war: eine Sonder-Sphäre, um die man sich nicht zu kümmern brauchte. Die Frage des Menschen, das Problem der Humanität steht längst schon als ein unteilbares Ganzes vor unseren Augen und ist als Ganzes dem geistigen Gewissen auferlegt.“

Thomas Mann, Ansprache zu Heinrich Manns siebzigsten Geburtstag, 2. Mai 1941 im US-amerikanischen Exil.

Es geht laut zu auf den politischen Bühnen und in Teilen der Medien.

Richteten sich Weltsicht, Welt und Politik – also Wir – möglicherweise vollständig nach dem ideologischen Krakeel von Horst Seehofer, gibt es keine Krisengebiete mehr, werden Flüchtlinge meist abgeschoben, ist das Asylrecht ein wertloser Fetzen Papier, gibt es die Rundumüberwachung, dauerndes Mißtrauen, kein Jugendstrafrecht mehr usw. Den Rest regeln die Polizei und der „Bayernkurier“. Im Grunde genommen ist der Ausländer an allem Schuld oder sind es die Nörgler.

Dabei ist bewiesen und liegt auf der Hand, daß Krieg und Elend – inklusive die Waffenexporte – die häufigste und wesentliche Fluchtursache sind. Tatsache ist auch, daß es mit den hiesigen öffentlichen Einrichtungen (Bildung, Soziales, Kultur und Gesundheit) nicht zum Besten bestellt ist. Nachgewiesen ist ebenso, daß höhere Kapitalsteuern und Löhne zur Verbesserung der gesellschaftlichen Lage bzw. der Arbeitsbedingungen der meisten Menschen beitragen. Eine wesentliche historische Erfahrung besteht darin, daß (rassistische) Legenden, Lügen und Vorurteile autoritärer Herrschaft, Gewinnmaximierung und Kriegsführung dienen. Daraus läßt sich lernen und ein klarer Kopf bewahren.

Das aufgeklärte Bewußtsein ist von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Niemand sollte sich durch wiederholte Lautstärke in seinen humanen Ansprüchen irritieren lassen.

Zuerst seien die Kriege und die Waffenexporte beendet. Die Verbesserung der sozialen Lage ist politisch zu erringen. Auf diese Weise gewinnt der Unmut eine positive Richtung. Und das Schöne: Alle können daran mitwirken. Das Wir gewinnt an Charakter – der Einzelne an Bedeutung.

„Und die Leute werden uns schon verstehen, wenn wir ihnen sagen, daß sie in der Folge alle Tage Rindfleisch essen sollen und weniger arbeiten und mehr tanzen werden. – Verlassen Sie sich darauf, die Menschen sind keine Esel.“

Heinrich Heine, Brief an Heinrich Laube, 10. Juli 1833.

Das Wir – die Wirklichkeit – ist meist größer als gedacht.

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„Starker Staat“?
Ein dringlicher Hinweis auf die Alternative

„Deutschland ist ein weltweit geachtetes und starkes Land. Unser Land. Deutschland ist geachtet wegen unserer Haltung und unseres Verhaltens in Europa und in der Welt. Deutschland ist stark, weil es ökonomisch stark ist, aber auch, weil unsere demokratischen Institutionen im internationalen Vergleich als reif und handlungsfähig angesehen werden. (...) Es ist an der Zeit, die Fähigkeiten Deutschlands zur Krisenbewältigung zukunftsfähig zu machen. Deutschland muss stark bleiben. Und stark bleibt, wer sich auf schwierige Zeiten vorbereitet.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), „Leitlinien für einen starken Staat in schwierigen Zeiten“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 3.1.'17, Seite 6.

 

„Nie geraten die Deutschen so außer sich, wie wenn sie zu sich kommen wollen.“

Kurt Tucholsky, „So verschieden ist es im menschlichen Leben“, 1931.

 

„(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“

Grundgesetz, Artikel 20.

Wenn es denn um einen „starken Staat“ gehen sollte, dann wäre dies ein demokratischer, sozialer, friedlicher, unaufgeregter, dem Allgemeinwohl nützlicher Bildungs-, Kultur-, Diplomatie-, Investitions- und Wohlfahrtsstaat.

Und – immer wieder sei's gesagt: Ein Staat, der Kriege führt und Waffen stets in fragwürdige Staaten und Krisengebiete exportieren läßt, sollte sich über die selbst verschuldeten Fluchtbewegungen sowie über die so geschaffenen Anspannungen bzw. das Ausnutzen dieser Schwierigkeiten von rechter Seite nicht wundern.

Wundern – im besten kritisch-rationalen Sinne – sollte man sich über die neuen ordnungspolitischen Spannungen, mit denen Bundesinnenminister de Maizière den selbst geschaffenen Problemen begegnen will. Hier ist das klassische Law and order: durch Zentralisierung der Polizeibefugnisse und Aufgaben des Verfassungsschutzes, mit verschärften Abschiebungen und Überwachungen sowie durch den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. In dieser Richtung liegt der autoritäre Staat. Der war und ist vom Grundgesetz nicht vorgesehen.

Dagegen sind die Beendigung der Kriege, das Einstellen der Waffenexporte, der Ausbau des Sozialen und der Abbau von Vorurteilen sowie die volle Wiederherstellung des Asylrechts nach wir vor richtig und eine positive gesellschaftliche Aufgabe.

Auch Forschung, Lehre, Studium, akademische Selbstverwaltung und studentische Interessenvertretung sollten sich (im Zusammenwirken) in gesteigerter humaner Verantwortung diesen Herausforderungen stellen. So macht das Ganze Sinn. Auch im Einzelnen der Persönlichkeitsbildung.

„Die einen haben nichts zu essen und machen sich darüber Gedanken, das kann zur Erkenntnis der Lage führen: und das ist dann Marxismus; die andern haben zu essen und machen sich keine Gedanken darüber; und das ist dann die offizielle Religion. So verschieden ist es im menschlichen Leben!“

Kurt Tucholsky, „So verschieden ist es im menschlichen Leben“, 1931.

So nähern wir uns der Wahrheit, einer aufgeklärten Haltung und erweiterten Handlungsmöglichkeiten.

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Wer oder was ist ein „Gefährder“?
Skepsis sollte erlaubt sein

„Die Kategorie Gefährder steht in keinem Gesetz, sie ist ein Arbeitsbegriff der Polizei. Sie bezeichnet eine Person, der man ‚politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung‘ zutraut. So pauschal, so schwammig. Wen sie als Gefährder einstuft, entscheidet jede Landespolizei selbst. Viele Gefährder wissen nicht einmal, dass sie als solche gelten. Die Fußfessel für Gefährder ist eine vorweggenommene Strafe, eine Strafe vor der Tat. Sie schränkt die Freiheit eines Menschen ein und verletzt seine Privatsphäre. Sie ist auch ein Stigma. (...) Denkt man die Idee der präventiven Fußfessel zu Ende, landet man in Guantanamo.“

Martin Knobbe, „Der Staat und seine Feinde“, „SPIEGEL“ Nr. 3/2017, S. 6 (Leitartikel).

 

„Im vergangenen Vierteljahrhundert wurden die Spielregeln der Marktwirtschaft in vielen Ländern derart umgeschrieben, dass die Marktmacht stärker und die Ungleichheit größer wurde. Mehr als alles andere machen viele Unternehmen ihre Gewinne jetzt mit Spekulationsgeschäften, wobei sie einen großen Teil des gesellschaftlichen Reichtums abschöpfen, indem sie ihre Monopolstellung ausnutzen oder Vergünstigungen von Regierungen erhalten. Wenn Profite aus solchen Spekulationsgeschäften stammen, verringert sich der gesellschaftliche Reichtum.“

Prof. Dr. Josef Stiglitz (Columbia University, Wirtschaftsnobelpreis 2001), „Wachstumsrisiko Ungleichheit“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 16.1.2017.

 

„Ist denn kein Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Schinderei?“ (249)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft C, 1773.

Straftaten wie Körperverletzung, Totschlag und Mord („Verbrechen“) sind Angelegenheit des Strafrechts bzw. geordneter strafrechtlicher Verfahren mit entsprechendem Strafmaß und der Resozialisierung.

Die globalen Probleme der Menschheit, die Alle betreffen – Krieg, soziales Elend, Hunger, mangelhafte Bildung und medizinische Versorgung, autoritäre Staaten, Umweltzerstörungen –, sind Angelegenheit einer solidarischen Weltgemeinschaft und somit des Völkerrechts respektive der sozialen, demokratischen und zivilen Menschenrechte.

Josef Stiglitz kommt in seinem Artikel (s.o.) zu der Feststellung, daß die „in Davos versammelten Wirtschaftsführer“ sowie der Internationale Währungsfonds (IWF) zu derselben Auffassung gelangen, die die Organisation Oxfam (zur Bekämpfung der weltweiten Armut) wieder neu gewonnen hat: Die weltweite Ungleichheit hat wieder zugenommen; ihre Bekämpfung oder Überwindung ist nicht nur moralisch geboten, sondern auch (international) volkswirtschaftlich vernünftig.

„An erster Stelle steht eine ganz einfache Idee: [Unternehmen] Zahlt eure Steuern.“ (Stiglitz)

Diese Einnahmen nützen den öffentlichen Einrichtungen (Bildung, Kultur, Soziales, Gesundheit) und schaffen vernünftige Arbeitsplätze. Apropos: Tariflich gesicherte Arbeitsplätze gehören in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens dazu (in Vollzeit und voller Bezahlung, mit möglichen Arbeitszeitverkürzungen und Mitbestimmung).

Schon zu Zeiten des Irakkrieges der USA (2003) wies Josef Stiglitz darauf hin, daß der Krieg nicht nur zerstörerisch und moralisch verwerflich ist, sondern auch ökonomisch schädlich.

Das hat nach wie vor prinzipielle und praktische Gültigkeit.

„Dieses haben unsere Vorfahren aus gutem Grunde so geordnet, und wir stellen es aus gutem Grunde wieder ab.“ (234)

Georg Christoph Lichtenberg, a.a.O.

Everything must change. So kommen wir der Einheit von „Freiheit, Gleichheit, Solidarität“ wieder näher.

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3. Zeitung zu den Studierendenparlamentswahlen

Wahrheit als Macht
Wider die Lüge

„Wann immer Trump gefragt worden ist, ob er eigene Aussagen aus dem Wahlkampf bedaure, die seinen aktuellen Haltungen widersprechen, hat er das so beantwortet: »Nein. Ich habe ja gewonnen.«“

Andreas Ross, „Alle gegen Trump“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 14.1.'17, S. 2.

 

„»Nein«, sagte der Geistliche, »man muß nicht alles für wahr halten, man muß es nur für notwendig halten.« »Trübselige Meinung«, sagte K. »Die Lüge wird zur Weltordnung gemacht.«“

Franz Kafka (1883-1924), „Der Prozeß“ (Erstausgabe 1925), Neuntes Kapitel „Im Dom“, Disput zwischen dem Gefängniskaplan und „Josef K.“ über die Parabel „Vor dem Gesetz“.

 

„Am Ende steht der Untergang, / den ich herbeigeführt.
Paßt auf, es dauert nicht mehr lang, / und dann ist es passiert.
Was sagt ihr? Nein?! Ihr kennt mich jetzt? / Ich selbst hätt' es vollbracht?
Ihr meidet und benennt mich jetzt? / Was hab ich bloß gemacht...?!
Wär's möglich, daß...? Pfui, die Vernunft! / Welch tödlich sanftes Licht.
Schon bin ich ohne Unterkunft, / weh, ich begreif es nicht...
Ja, um Gotteswillen, war ich dumm!“

Erika Mann, „Die Dummheit“, für das zweite Exilprogramm (Zürich, Januar 1934) des politischen Kabaretts „Die Pfeffermühle“.

Die Souveränität der Mehrheit ist auf die Probe gestellt. Wie kann alles besser werden?

Schon die Kennzeichnung der Lüge als Wahrheitsverdrehung hat eine gewisse Wirkung: „Krieg bringt Frieden“, „Lohnverzicht schafft Arbeitsplätze“, „Kürzungen im Sozialbereich machen das Leben sicherer“, „Gesundheit ist eine Ware“, „Der Ausländer ist schlecht“, „Wir leben in der schönsten aller Welten“, „Der autoritäre Staat ist erforderlich“, „Die Elbphilharmonie ist eine demokratische Einrichtung“, „Der Kaiser ist nicht nackt“ usw. – und: „Die Erde ist eine Scheibe“.

Frieden als Entmilitarisierung in Geist und Tat, Bildung, Gesundheit und Kultur für Alle, ein aufgeklärtes Menschenbild auch in den Medien, die Demokratisierung der Gesellschaft (z.B. der Ausbau der Mitbestimmung), die Beseitigung des Hungers, eine ökologische Entwicklung sind mehr denn je Maßstäbe einer positiven (internationalen) Zivilisationsentwicklung. Da braucht man sich nicht ein X für ein U vormachen zu lassen. Wenn dagegen die Lüge gefeiert werden soll, befinden wir uns auf dem falschen Fest.

Aufklärung ist somit nach wie vor „der Ausgang der Menschheit aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit“ (Immanuel Kant, Philosoph, 1724-1804). Wenn sich die Kraft der so verstandenen Vernunft auch untrennbar mit der sozialen Frage verbindet bzw. der notwendigen Überwindung von Gewalt und Elend, so haben nicht nur die Wissenschaften und die Bildung eine hochaktuelle wirksame Aufgabe, sondern ebenso die Entwicklung mündiger Persönlichkeiten eine fundierte Orientierung.

Daran sind – rational engagiert – die Studienreform, die bedarfsgerechte Finanzierung der Hochschulen, die demokratische Partizipation, der verantwortliche Gesellschaftsbezug der Bildungseinrichtungen und ihrer Subjekte sowie die Wahlen zur akademischen Selbstverwaltung und zur studentischen Interessenvertretung zu bemessen. Jede Entscheidung hat Bedeutung und Perspektive. Das ist wahr.

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Die NPD ist nicht verboten
Warum?

„Die NPD missachtet die Grundprinzipien, die für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat unverzichtbar sind, ihre Ziele und das Verhalten ihrer Anhänger verstoßen gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips und weisen Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus auf.“
Dennoch: „Es fehlt der Partei an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht,die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt.“

Urteilsverkündung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichtes am 17.1.'17. Der Antrag der Bundesländer auf Verbot der NPD wird abgelehnt.

 

„Der Gegensatz von Nationalismus und Sozialismus ist beschlossen in dem Gegensatz von Krieg und Frieden. (...) Will die Demokratie ihre unzweifelhafte moralische Überlegenheit über den Faschismus historisch wirksam machen und seinen Pseudo-Sozialismus ein Paroli bieten, so muß sie im Ökonomischen ebenso wie im Geistigen von sozialistischer Moral das zeitlich Gebotene und Unentbehrliche in sich aufnehmen. Hier ebenfalls muß die Freiheit sich durch die soziale Disziplin ergänzen; sie muß die bürgerliche Revolution aus dem Politischen ins Wirtschaftliche fortentwickeln.“

Thomas Mann, „Vom kommenden Sieg der Demokratie“, 1938.

Man mag das nicht sehen: Triumphierende Nazis vor laufender Kamera im Gerichtssaal des Bundesverfassungsgerichtes. Wirklich nicht.

Krieg oder Frieden – nach der Befreiung von faschistischer Diktatur, Krieg und Massenmord waren 1945 – und: 1949 mit dem Grundgesetz – die Grundsteine für eine soziale Demokratie gelegt, die auch Thomas Mann (der Exilant) schon 1938 skizzierte. Eine friedliche, aufgeklärte, soziale, demokratische sowie kultivierte Entwicklung aller Länder der menschlichen Welt steht nach wie vor dringend auf der gesellschaftlichen Tagesordnung.

Die NPD („Nationaldemokratische Partei Deutschlands“, gegründet 1964) hingegen will in braune Zeiten zurück. Mit ihrem völkischen Gesellschafts- und Menschenbild, Rassismus, Hetze, Lügen und Prügeleien ist und bleibt sie eine Gefahr, auch wenn sie parlamentarisch zur Zeit wenig erfolgreich ist. (Die „AfD“ ist wahrlich keine Entschuldigung!) Sie, alle beide, müssen deshalb mit allen zivilen, demokratischen, argumentativen, politischen, kulturellen, juristischen und sozialen (Gerechtigkeit) Mitteln bekämpft werden. Nicht nur: „Nie wieder Faschismus und Krieg!“ Sondern auch: „Wehret den Anfängen!“

Demzufolge wäre ein Verbot dieser faschistischen Partei (NPD) schon in den 1960er und 1970er Jahren durchaus angemessen gewesen. In diesem Zusammenhang ist Abwarten nur schädlich. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat in dieser Causa die Angst vor der eigenen Courage befallen. Dennoch läßt sich auch mit der Charakterisierung der NPD bzw. der Menchenwürde durch das BVG argumentieren: „Menschenwürde ist egalitär; sie gründet ausschließlich in der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung, unabhängig von Merkmalen wie Herkunft, Rasse [?], Lebensalter oder Geschlecht.“

Mehr tatsächliche (soziale und kulturelle) Gleichheit steht der Menschheit gut zu Gesicht.

In der Tat: Die Demokratie muß auch ins Wirtschaftliche fortentwickelt werden.

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Im Widerspruch
Zusammenhang, Ergebnisse und Konsequenzen der StuPa-Wahlen

Trump spricht ja auch oft davon, gute Deals machen zu wollen.
In der Politik geht es nicht in erster Linie um gute Deals. Man fragt sich vor allem, für wen er eigentlich einen guten Deal machen will.
Getreu seinem Motto: America first!
Vielleicht. Aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass diese Deals der Masse derer zugute kommen, die ihn gewählt haben, vor allem den Ärmeren. Nach allem, was man im Moment sieht, begünstigt seine Politik eher den wohlhabenden Teil der Bevölkerung. (...)
Wir haben als Wissenschaftler eine große Verantwortung, wir müssen uns dafür einsetzen, dass Diskussionen mit Argumenten auf der Basis von zuverlässigen Fakten geführt werden. Wir dürfen uns nicht von dem postfaktischen Geist einfangen lassen, den Trump ja sehr stark pflegt.“

Prof. Isabel Schnabel (Finanzmarktökonomie Bonn, Mitglied im Sachverständigenrat für Wirtschaft) im Gespräch mit „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 22.1.'17, S. 23.

 

„Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu sengen.“ (13)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft G, 1779-1783.

Millionen Menschen haben jüngst in aller Welt gegen den neuen Präsidenten der USA, Donald Trump, demonstriert. Diese massenhaften und auch heiteren Aktionen richteten sich vielfältig gegen Rassismus, Sexismus, Lügen, Diskriminierungen aller Art, soziale Ungerechtigkeit und kriegerische Politik. Eine beeindruckende Bewegung. Sie entspricht einer internationalen Gesellschaft im Umbruch, die Frieden, soziale Gerechtigkeit sowie eine aufgeklärte Entwicklung verlangt, die zur Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen drängt. Das gilt für die überwiegende Mehrzahl aller Menschen – in allen Ländern des Globus. Von rechts läßt sich diese Krise nicht lösen.

In diesem Zusammenhang stehen auch die Wahlen zum Studierendenparlament.

Bei einer leichten Steigerung der Wahlbeteiligung und leichten Verschiebungen hier und dort konnte trotz der vielen Irritationen und Verunsicherungen ein im Verhältnis zum letzten Mal stabiles Wahlergebnis im Gesamt erreicht werden. (In den Wahlgesprächen kam allerdings zunehmend eine neue Ernsthaftigkeit zum Ausdruck.)

Auf dieser Basis läßt sich gewiß wieder ein linker AStA bilden, der dazu beiträgt, die gesellschaftlich verantwortliche Studienreform fortzusetzen, die somit Bestandteil einer vernünftigen und positiv-progressiven Gesellschaftsentwicklung ist. Die Verfaßte Studierendenschaft kann erweitert für die Bildung mündiger Menschen wirken. Das ist von Vorteil für die meisten und eine eigene Angelegenheit.

„Schönster aller Zweifel aber
Wenn die verzagten Geschwächten den Kopf heben und
An die Stärke ihrer Unterdrücker
Nicht mehr glauben!“

Aus: Bertolt Brecht, „Lob des Zweifels“, Gedichte 1934-1939.

Ergebnis der Wahlen zum StuPa 2017

(in Klammern die Veränderung zum Vorjahr)

Liste Sitze Prozent Stimmen
Wahlbeteiligung: 14% (+0,6)
Liste LINKS 2(-1) 5,1%(-1,9%) 306(-81)
harte zeiten 1(±0) 2,4%(±0%) 142(+8)
SDS* 4(+1) 7,4%(+1,4%) 433(+104)
CampusGrün 11(-3) 23,8%(-4,5%) 1394(-170)
Campus Cannabis 1(n.a.) 1,8%(n.a.) 106(n.a.)
Alternative Linke 2(±0) 4,7%(-0,3%) 278(+1)
UNIcorns 4(-1) 7,8%(-3,3%) 459(-154)
GeistWiss-Liste 0(n.a.) 0,9%(n.a.) 52(n.a.)
Die LISTE 2(±0) 5,3%(+1,5%) 309(+102)
Juso 3(n.a.) 6,6%(n.a.) 390(n.a.)
Mediziner*innen 2(n.a.) 3,6%(n.a.) 211(n.a.)
WiWi-Liste 2(±0) 4,2%(-0,6%) 249(-20)
Jura-Liste 1(±0) 1,5%(-0,3%) 91(-10)
Liberale 1(±0) 3,1%(+0,5%) 184(+38)
MIN-Liste 3(-1) 5,9%-2,5% 347(-120)
HWP-Liste 1(-1) 1,1%(-3,5%) 62(-192)
Medizinerliste 2(n.a.) 4,4%(n.a.) 259(n.a.)
Bier & Glühwein 1(-1) 1,6%(-2,0%) 92(-103)
RCDS/CDU 4(-1) 8,8%(-1,0%) 521(-24)

n.a. = im letzten Jahr nicht angetreten

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„Alternative Fakten“?
Dazu: Eine Alternative

„Mit ‚alternative facts‘ wird eine einzige, aber wesentliche Aussage getroffen: dass man es kann. Lügen, sich grotesk benehmen – Hauptsache, jemand sieht hin. Die Verbreitung alternativer Fakten ist ein Wesensmerkmal der extremen Rechten. Sie wurden zur scheinbaren Begründung von Kriegshandlungen und Verbrechen herangezogen. Später auch, um sie zu leugnen. Wichtig ist die dahinterliegende Verachtung für diskursive Verfahren. Nur das Recht des Stärkeren gilt.“

Nils Minkmar, „Alternative Fakten“, „SPIEGEL“ Nr. 5/2017, S. 113.

 

„Man kann bei den Vertretern der AfD und ihren glühendsten Anhängern in Echtzeit beobachten, wie sie versuchen, das Stammesdenken, das die USA so tief gespalten hat, auch hierzulande einzuführen. Mit toxischer Rhetorik, Verallgemeinerungen und bislang im politischen Diskurs unbekannter Aggression.
Das Stichwort ‚linksgrün versifft‘ ist exemplarisch, denn es handelt sich erstens um eine eindeutig zu identifizierende Beschimpfung und zweitens um den Versuch, mindestens drei Parteien und deren Anhänger zu einem angeblich homogenen Block zusammenzufassen: Linke, SPD und Grüne. Für manchen AfD-Anhänger ist mittlerweile ja sogar die CDU-Bundeskanzlerin ‚linksgrün versifft.‘“

Christian Stöcker, „Aus Wählern werden Stammeskrieger“, „SPIEGELONLINE“, 29.1.'17.

 

„Bildung umfaßt: eine allgemeine Kenntnis des Menschlichen; das Vermögen, sich zurückzuversetzen in die Geschichte und das Werdende mitzufühlen; eine sprachliche Kultur, die sich daraus ergibt, daß die Dinge des Intellekts als Tatsache und als Macht anerkannt werden.“

Heinrich Mann, „Verfall einer geistigen Welt“, 1934 in der „Weltbühne“.

Alle Welt sieht es, hört es, merkt es, weiß es: Donald Trump lügt, verdreht und erfindet „Tatsachen“, denunziert Gegner, erniedrigt Frauen, Schwarze und Linke usw. etc. pp.

Dagegen formiert sich weltweit Protest, da nun auf der Hand liegt, daß diese egomane Politik eines reaktionären Milliardärs eine Politik von den Reichen und Mächtigen für die Reichen und Mächtigen ist und daß sie auf Lügen, Willkür und Brutalität baut, was weiter Lügen, Willkür und Brutalität gebiert.

Friedlicher, sozialer, gerechter, gebildeter, kultivierter und somit menschenwürdiger soll die Welt – nicht zuletzt auch: die Politik – werden.

Und wenn dies gelingen soll, ist das eine gemeinsame Aufgabe für eine positive Zivilisationsentwicklung: von der großen Mehrzahl, für die große Mehrzahl – in der unauflöslichen Einheit von „Freiheit, Gleichheit und Solidarität“.

In dem Bewußtsein, daß die gesellschaftliche Welt weitaus bessere Möglichkeiten bereithält, als sie zur Zeit verwirklicht bzw. behindert, verletzt und deformiert werden.

Diese Wahrheit kann eine große Rolle spielen, wenn sie von Vielen in die Tat umgesetzt wird. Das hat die Realisierung vieler Errungenschaften ziviler, demokratischer und sozialer Tatsachen – auch des öfteren die Stärke des Rechts – gezeigt.

Den Wissenschaften kommt dabei die verantwortliche Aufgabe zu, daß eine Gesellschaft nicht hinter die Maßstäbe der Aufklärung zurückfällt. Die Mitglieder der Hochschulen sollten sich getrost dabei zumessen – bei allen Unterschieden –, auf der notwendig richtigen Seite zu lehren, zu forschen, zu lernen und zu handeln. Politik ist nicht reduzierbar auf ein „schmutziges Geschäft“, sondern dagegen und darüber hinaus die ambitioniert rationale Emanzipation Aller.

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Politisches Handeln mit neuem Gewicht
Eine wichtige Tendenz

„Es gibt also Anzeichen für eine Repolitisierung nach Jahrzehnten der Entpolitisierung. Viel zu lange litt die westliche Demokratie, gerade auch in Deutschland, nicht nur unter der vermeintlichen Unfähigkeit ihrer Amtsträger, sondern auch an der Teilnahmslosigkeit ihrer Teilnehmer. An Bürgern, die sich in der digitalen Biedermeierlichkeit eingerichtet und weite Teile ihres Lebens für den Konsum von Unterhaltungselektronik freigeräumt hatten. Deren Engagement sich auf die körperliche und berufliche Selbstoptimierung beschränkte. (...) Es scheint, als kehre ein Bewusstsein zurück, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde von aufgeklärten und engagierten Vorfahren erkämpft wurden – und von ihren Nachfahren auch wieder verspielt werden können.“

Markus Feldenkirchen, „Ende des Biedermeiers“, „SPIEGEL“ Nr. 6/2017, S. 8.

 

„»Ohne die Studenten hätten wir nie so schnell reagieren und eine erfolgreiche Klage einreichen können«, sagt Professor Muneer Ahmed. Er leitet die »Worker & Immigrant Rights Advocacy Clinic« (WIRAC) der Yale University, in der jedes Semester etwa 35 Studenten reale Fälle bearbeitet und für die Rechte von Arbeitern und Einwanderern kämpft. Die Motivation der Studenten, sich für die armen und marginalisierten Teile der Gesellschaft einzusetzen, sei enorm, so Ahmed.“

Matthias Kolb, „Amerikas Juristen – Helden der Anti-Trump-Bewegung“, „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“), 6.2.'17.

 

„In den Fragen im gemeinen Leben, wie man etwas am besten tun könnte, wird ein gewisses Maximum gesucht.“ (37)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft A, 1765-1770.

Wer das Allgemeinwohl bekämpft, bekämpft die Menschen; wer die Wissenschaften bekämpft, bekämpft die Wahrheitsfindung, wer die Wahrheitsfindung bekämpft, bekämpft mögliche positive Entwicklung; wer dies tut, bekämpft das Allgemeinwohl. Trump negiert die Wissenschaften.

Diese politische Barbarei von höchster Stelle ruft ambitionierten Widerstand auf den Plan.

Für den 22. April dieses Jahres, dem „Tag der Erde“, ist in den USA ein „March of Science“ geplant, der Zehntausende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf die Straße bringen soll, die für ein aufgeklärtes Weltbild und gegen US-Präsidenten Donald Trump demonstrieren wollen.

Da empirisch belegte Tatsachen, analytische Deutungen, kritische Schlußfolgerungen, die Menschenrechte, demokratische Regeln, die Gewaltenteilung, die Menschenwürde, faires Verhalten und soziale Zwecke nicht mehr gelten sollen, bewegen sich immer mehr Menschen (weltweit) bzw. gesellschaftliche Bereiche in positiv orientierten politischen Widerstand.

Neu daran ist nicht nur die Vielzahl und Internationalität, sondern auch, daß ebenso im Bereich der Wissenschaften politisch gedacht, sich positioniert, geäußert und gehandelt wird. Hier wird erfreulicherweise zunehmend die „machtgeschützte Innerlichkeit“ (Thomas Mann, 1933) verlassen.

Die Wahrheit gerät in Opposition zur Lüge, die Aufklärung widerstreitet der groben Manipulation, das aufrechte Argument steht gegen die schräge Behauptung, die Wissenschaften nehmen Partei für die (sozialen, demokratischen und kulturellen) Menschenrechte.

Dieses Engagement hat überall und jederzeit Sinn, Zweck und Bedeutung.

Somit wird Politik zu einer „sauberen Angelegenheit“ – für Alle.

Real
Munter ist am meisten dann,
Wer sich gut entfalten kann.
Jeder Mensch zu jeder Zeit –
Solidarisch und gescheit.

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Der Fall Höcke
Wie rechts darf es sein?

„Der AfD-Bundesvorstand beschloss am Montag in einer knappen Entscheidung, dass Höcke wegen seiner Dresdner Rede ausgeschlossen werden soll. Die Rede hatte bundesweit Empörung ausgelöst und auch innerhalb der AfD Unmut hervorgerufen. Höcke hatte darin eine »erinnerungspolitische Wende um 180 Grad« gefordert und beklagt, dass die positiven Elemente der deutschen Geschichte im Vergleich zu den Gräueltaten der Nazi-Zeit nicht genügend beachtet würden.“

Jens Schneider, „Fall Höcke wird zur Machtprobe in der AfD“, „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“), 13.2.'17.

 

„Eines Tages wird aber auch die AfD ein Angebot machen müssen, das nicht nur von Provokationen, rechter Ideologie und Tabubrüchen lebt. Tanzen ihr die Höckes stattdessen weiter auf der Nase herum, wird sie aus demselben Grund zur Splitterpartei, warum bislang noch jede »rechte« Neugründung in Deutschland gescheitert ist: Sie bietet keine Alternative.“

Jasper von Altenbockum, „Höcke auf der Nase“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 13.2.;17.

 

„Bevor man ein Urteil fällt, muß man versuchen: Bei der Betrachtung der Wirklichkeit sollte man nicht in Ekstase geraten, sondern man sollte sie kritisch betrachten.“

Frederico Fellini, „Der Konflikt zwischen Erinnerung und Wirklichkeit“, 1973.

Wegen seiner Rede am 17. Januar in Dresden, in der er das Berliner Holocaust-Denkmal als „Denkmal der Schande“ denunziert hatte, von einer „dämlichen Bewältigungspolitik“ gesprochen und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert hatte, ist der AfD-Politiker von der Gedenkstätte Buchenwald zur unerwünschten Person erklärt worden und von der Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes am 27. Januar dieses Jahres ausgeladen worden. (Da er dieser Ausladung nicht nachgekommen war, ist Höcke am Tor der Gedenkstätte abgewiesen worden.)

Eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ bedeutet, das „Nie Wieder!“ von Faschismus und Krieg, von Diktatur, Massenvernichtung und Krieg fundamental in Frage zu stellen. Bedeutet auch, das Grundgesetz mit seinen Grundlinien einer sozialen Demokratie, die UN-Charta mit ihrem Gewaltverbot, die Erklärung der (politischen, sozialen und kulturellen) Menschenrechte zu negieren. Somit ist eine grundlegende Kampfansage an alles formuliert, was an Hoffnung und Schlußfolgerungen aus der Befreiung von Faschismus und Krieg 1945 zum Ausdruck gebracht und versucht worden ist. Björn Höcke ist demnach auch passend in der NPD zu platzieren.

Ein möglicher Ausschluß Höckes aus der AfD wäre allerdings eher ein taktisches Zugeständnis an die massive Kritik aus der Öffentlichkeit, da es in der AfD Viele gibt, die seine braunen Auffassungen teilen und wo ja auch Frauke Petry nicht weit von seinen schrägen Ansichten entfernt ist.

Dagegen bleiben historische Wahrheiten und entsprechende Schlußfolgerungen wie Frieden, soziale Gerechtigkeit, internationale Solidarität, ein aufgeklärtes Menschenbild bzw. die kultivierte Wohlentwicklung aller Menschen unbedingt auf der gesellschaftlichen und politischen Tagesordnung.

„Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig“

„Schwur von Buchenwald“ nach der Selbstbefreiung des KZ im April 1945.

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Nur ein „Stimmungswechsel“?
Laune und Aussicht

„Deutschland hat die besten Politiker der Welt. (...) Ja, es stimmt, der durchschnittliche Spitzenpolitiker ist weder besonders charismatisch noch irgendwie draufgängerisch. Er ist eher abwägend und abwartend, geduldig und langsam, manchmal sogar langweilig. Aber genau das macht ihn in Zeiten wie diesen so wertvoll. (...) Man spricht nicht umsonst davon, dass die SPD einen Stimmungswechsel erreichen will. Wir merken uns: Wer Kanzler werden will, darf nicht nur fröhlich sein. Er muss.“

Lars Haider, Chefredakteur des „Hamburger Abendblattes“, Kommentar auf NDR-Info am 19.2.'17.

 

„Die leitende Frage muss doch sein, welche Ästhetik eine demokratische Haltung braucht.“

Verena Lueken, „Ein Festival der Wirklichkeit“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 18.2.'17, Leitkommentar zur Berlinale (Filmfestival in Berlin).

 

„Die kapitalistische Produktion hat es dahin gebracht, daß die Arbeit der Oberleitung, ganz getrennt vom Kapitaleigentum, auf der Straße herumläuft. Es ist daher nutzlos geworden, daß diese Arbeit vom Kapitalisten ausgeübt werde. Ein Musikdirektor braucht durchaus nicht Eigentümer der Instrumente des Orchesters zu sein, noch gehört es zu seiner Funktion als Dirigent, daß er irgend etwas mit dem »Lohn« der übrigen Musikanten zu tun hat.“

Karl Marx, „Das Kapital“, dritter Band, Hamburg 1894, Marx-Engels-Werke, Bd. 25, S. 400.

Die ständige und nur in leichten Variationen wiederholte Suggestion, wir lebten in der besten aller Welten, geht schon gehörig auf die Nerven: Die offizielle Menge der Erwerbslosigkeit von 2,8 Millionen Menschen – es sind ja viel mehr – wird als „Vollbeschäftigung“ ausgegeben, die Masse der prekär Beschäftigten sei eine Aufstiegschance und diene der internationalen Wettbewerbsfähigkeit; die Kriegseinsätze gälten der Schaffung der Menschenrechte, Waffenexporte brächten Arbeitsplätze und Sicherheit; geschlossene Grenzen sicherten „unsere Identität“; die Konsumlaune befinde sich auf dem Höhepunkt – und nun noch: wir hätten die besten Politiker der Welt. Der Gute-Laune-Bär geht um. (Seht Ihr den Ring in seiner Nase?)

Dabei zeigt der „Stimmungswechsel“ in den Wahlumfragen an, daß ein Wechsel in der Politik bzw. in der gesellschaftlichen Entwicklung gewollt wird. Es geht nicht um Karneval und entsetzlich aufgesetzte Fröhlichkeit, sondern um soziale Gerechtigkeit, Frieden, internationale Solidarität, ökologische Vernunft, demokratische Entwicklung bzw. die Verwirklichung des Allgemeinwohls auf allen Ebenen. Aus dieser Orientierung entstehen Optimismus, besseres Gestimmt-Sein und entsprechende Aktivitäten.

Hierbei spielt eine nicht unwesentliche Rolle, rechter Demagogie und Politik kultiviert entgegenzuwirken. Die Ära des Neoliberalismus, die scheinbare Alternativlosigkeit, ist zu verlassen. Das Verbleiben in engen Zeiten ist keineswegs akzeptabel.

Die Verbesserung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen ist entscheidbar und von Allen zu gestalten. Dieser Wechsel steht direkt auf der Tagesordnung.

Heiterkeit ist nicht ausgeschlossen.

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Ist Kritik Dummheit?
Eine Richtigstellung

„Der Deutsche ist gerade, sagen wir, nicht ganz einfach zu verstehen. Da macht der Staat die höchsten Überschüsse seit einem Vierteljahrhundert. Die Wirtschaft schafft Arbeitsplätze wie Brötchen. In Umfragen berichten viele, sie hätten relativ wenig Angst, ihren Job zu verlieren. Und was macht der Deutsche? Läuft plötzlich diesem Schulz hinterher, der behauptet, dass es alles nicht gerecht zugeht und wir dringend eine neue Regierung brauchen. So was! (...)
Wie Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kürzlich auswerteten, haben sage und schreibe 40 Prozent der Menschen im Land heute spürbar weniger Realeinkommen als 1999 – und nicht mehr als vor 25 Jahren. Trotz Aufschwung. Bei zwei von fünf Deutschen muss umso befremdlicher klingen, dass es »den Deutschen« angeblich »so gut wie lange nicht« geht. Zum Vergleich: seit 1991 haben sich die Einkommen von Aktienbesitzern gemessen am Deutschen Leitindex Dax im Schnitt verachtfacht (Anfang 1991 rund 1.500 – heute rund 12.000 Punkte). Glückwunsch. Bei denen in der Mitte kam auch nicht viel dazu – dafür stieg die Wahrscheinlichkeit, sozial abzusteigen.“

Thomas Fricke, „Woher kommt der Schulz-Hype“, „SPIEGELONLINE“, 24.2.'17.

 

„Schade, daß das Wort Fleisch
Allein noch nicht sättigt, schade
Daß das Wort Anzug so wenig warm hält. (...)
Je weniger zu essen, desto mehr Propaganda.“

Bertolt Brecht, „Notwendigkeit der Propaganda“, Gedichte 1934-1939.

Das nörgelnde Volk ist wieder einmal der große Lümmel. Wenn die Gewinne steigen, mag es trotz prekärer Beschäftigungsverhältnisse und Mehrfachjobs nicht lustig sein.

Ebenso kommen nicht akzeptable Mißstimmungen auf, wenn trotz stark sprudelnder Steuereinnahmen – die noch besser sein könnten – die öffentlichen Aufgaben und Einrichtungen (Bildung, Soziales, Kultur, Gesundheit, Infrastruktur) weiter leiden. Es wird weiter an der „Schuldenbremse“ festgehalten, damit da ja nichts in Fahrt kommt...

Wenn dann noch der Genosse Wahltrend in Richtung soziale Gerechtigkeit geht, wird das konservative Ensemble von Politik, Medien und ökonomischer „Wissenschaft“, auch Statistik, unruhig. Dann muß kraftvoll beschönigt werden, was sich nach nüchterner Analyse nicht halten läßt. Es habe niemand Grund zur Unzufriedenheit. Nichts müsse in Frage gestellt, geändert oder gar verbessert werden.

Dennoch wandeln sich die Mentalitäten in der Bevölkerung, zumindest die Wahlorientierungen gehen in eine andere als die von rechter Seite gewünschte Richtung.

Wenn dies auch nicht reichen mag – auf die gegenwärtige SPD ist wenig Verlaß –, so löst sich nach und nach die politische Erstarrung, die ja auch die AfD auf den Plan gerufen hat.

Die Meinungsmehrheiten für soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft kommen Schritt für Schritt mehr zum Ausdruck. Propaganda schafft keine tariflichen und sinnvollen Arbeitsplätze, Schönreden deckt nicht den Bedarf öffentlicher Einrichtungen, Exportüberschüsse machen Hart IV nicht fett, polierte Statistiken beseitigen nicht die Demütigungen des aktuellen Sozialsystems – und die Aufrüstung der Bundeswehr schafft keinen Frieden.

Das alles ist erkannt und wird nicht gewollt. Eine Wende in Politik und Gesellschaft ist dringend erforderlich und wird auch wachsend gewollt. Dieser Trend ist zu stärken.

Mit Kritik, Wahrheit, berechtigten Ansprüchen und verantwortlichem Engagement.

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Wahrheit und Menschenwürde
Wer ist der Souverän?

„Mit all seinen künstlerischen Taten war Harry Belafonte auch deshalb erfolgreich, weil er so unprätentiös daherkam, nie den Star herauskehrte, der er eigentlich war, und sein gewinnendes Sunnyboy-Image stets mit einer überzeugenden humanen Haltung in Einklang brachte, die allen Widrigkeiten zum Trotz Optimismus verbreitete. Als Sänger ist er schon lange nicht mehr aktiv, das öffentliche Geschehen in Amerika aber verfolgt er immer noch mit hoch aufgerichteten Antennen. Erst kürzlich hat er im amerikanischen Politmagazin ‚Democracy Now‘ neben Noam Chomsky den amerikanischen Präsidenten scharf attackiert und dazu aufgerufen, durch zivilen Ungehorsam das Land für Donald Trump ‚unregierbar‘ zu machen. ‚Ich helfe den Leuten, die Dinge anders zu sehen‘, so hat er früher einmal hintersinnig bescheiden seine Aufgabe beschrieben. Die Hilfe scheint nötiger denn je, auch in seinem Alter von neunzig Jahren, das er heute erreicht hat.“

Wolfgang Sandner, „Bürgerrecht auf Calypso“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 1.3. ́17, S.11.

 

„Die gemeinsame Anstrengung, die aus der Gesellschaft für Bürgerrechte entstanden war, trug zu Beginn der [19]sechziger Jahre großartige Früchte für dieses Land [USA]. Die Kräfte der Unterdrückung, die seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr ernstlich herausgefordert worden waren, trafen nun auf einen erwachten Gegner. Ein Sturzbach humanistischen Denkens und Handelns fegte durch das Land und errang erst kleine, dann größere Erfolge. Die Masse der Erwachenden wurde immer breiter, und die Streitfragen schlossen immer mehr soziale Probleme ein. Eine geschlossene Front zuverlässiger junger Aktivisten verwahrte sich dagegen, im Verborgenen zu wirken, und ließ das Gefühl für verantwortungsvolle Rebellion wiederaufleben. So entstand eine Friedensbewegung.“

Martin Luther King, „Jugend und soziale Aktion“, 1967.

Diese weit reichende Vitalität ist bemerkenswert: Harry Belafonte war schon in den 1960er Jahren ein politischer Aktivist in den USA an der Seite von Martin Luther King gegen die US-amerikanische Apartheid und den Vietnamkrieg. Aber auch in der BRD in den 1980er Jahren nahm er an den Aktivitäten der Friedensbewegung teil. In den USA setze er sich im jüngst vergangenen Präsidentschaftswahlkampf für den linken Kandidaten der Demokraten, Bernie Sanders, ein. Seine Überzeugung ist, daß „Künstler die Pförtner am Tor zur Wahrheit sind. Ihre eigentliche Mission ist, die Wahrheit aufzuzeigen und die Menschen emotional zu berühren.“ Auf diese Weise vereinen sich Kunst, Demokratie und soziales Friedensengagement im unverbrüchlich persönlichen Einsatz für menschenwürdige Lebensbedingungen.

Donald Trump ist eine weltweite Herausforderung. Seine Wahl zum Präsidenten der USA, sein reaktionäres Programm, seine Aufrüstung, seine Lüge, die Skrupellosigkeit und Brutalität der Macht fordern eine umfassende und grenzenlos positive Gegnerschaft heraus.

Die Zivilisation steht an einem Scheideweg: Barbarei oder neu realisierte Menschenwürde. Krieg oder Frieden. Gnadenlose Konkurrenz oder sozialer Fortschritt. Ohnmacht oder Aufrichtung. Isolation oder Kooperation. Lüge oder Wahrheit. Trübsal oder Freude.

Für die progressive Seite der Entwicklung gibt es viele Beispiele, Erfahrungen und Möglichkeiten. Das menschliche Erbe ist, trotz mancher Rückschläge, reich an Errungenschaften und Erkenntnissen, die sich niemand ausreden lassen muß. Was vergangen schien, ist wieder aktuell.

Zur Wahrheit gehört, daß nichts alternativlos ist. Diese Erkenntnis kann Menschen zusammenbringen. Die Welt ist gestaltbar. Sie soll besser werden. Wir haben es in der Hand.

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Merkel und Trump
Eine Begegnung

„New York. Ein Blizzard, der die Ostküste der USA treffen soll, lässt die Reise von Angela Merkel in die USA platzen. Der Schneesturm scheint einen Flug von Deutschland in die USA unmöglich zu machen.“

„Hamburger Abendblatt“, 13.3.'17.

 

„Angela Merkel bringt gewöhnlich so schnell nichts aus der Ruhe. Und Erfahrung mit heiklen ersten Begegnungen hat die Kanzlerin auch. Dennoch ist die Nervosität vor dem Abflug nach Washington an diesem Montag größer als vor den Begegnungen etwa mit dem Griechen Alexis Tsipras oder der Britin Theresa May, bei denen immerhin die Zukunft der Eurozone beziehungsweise der EU auf dem Spiel stand. Das Treffen mit Donald Trump am Dienstag stellt eine andere Herausforderung dar. Grund dafür sind nicht nur machtpolitische Kategorien von oben und unten, sondern eine charakterliche Eigenschaft, welche Merkel gar nicht zu schätzen weiß: Unberechenbarkeit.“

Andreas Ross, Majid Sattar, „Reise ins Ungewisse“, Frankfurter Allgemeine Zeitung („FAZ“), 13.3.'17.

 

„7.1.42
die relativitätsphysiker machen die eigenschaften des raums abhängig von der verteilung der materie. Ich bin unfähig, solche sätze zu lesen, ohne an so was wie »soziale räume« zu denken.“

Bertolt Brecht, „Arbeitsjournal“ (im Zeitraum des US-amerikanischen Exils).

Donald Trump, extrem rechter Präsident der USA, ist in der Welt nicht beliebt.

In diesem Zusammenhang hat es Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht leicht, ihn unter den Augen der Öffentlichkeit zu besuchen.

Denn die brutale Beantwortung der Krise durch die US-Administration der Milliardäre und Militärs wird von vielen Bevölkerungen der Welt und von etlichen Regierungen auf verschiedenen Kontinenten nicht geteilt bzw. strikt abgelehnt. Die dumm-dreiste Verneinung von Wahrheit, Wissenschaften, Demokratie, Gewaltenteilung, Recht, Pressefreiheit, sozialen Errungenschaften, Abrüstung und Friedensbemühungen stößt – auch in den USA selbst – auf wachsenden Widerstand vieler gesellschaftlicher Bereiche, unterschiedlicher politischer Akzente und wachsenden außerparlamentarischen Bewegungen. So geht es nicht! Die Uhr soll – in Achtung der Menschenwürde respektive auf der Grundlage sozialer, demokratischer und kultureller Maßstäbe – nicht zurückgedreht werden. Erkenntnisse und gebildete Strukturen sollen durch solidarisches Handeln für die Verbesserung der gesellschaftlichen Lebensverhältnisse genutzt werden. Negative historische Ergebnisse sollen nicht wiederholt sein.

Insofern sind auch die kritischen Aktivitäten zu begrüßen, die angesichts des G-20-Gipfels im Juni in Hamburg durch vielfältige Bündnisse intensiv vorbereitet werden.

Die Entwicklung der Zivilisation ist umstritten. Das heißt nicht zuletzt, daß diese Entwicklung positiv entschieden werden kann. Für Frieden, internationale Solidarität, verantwortliche Vernunft, soziale Gerechtigkeit, demokratische Dynamik, kulturelle Entfaltung und somit ein erfreuliches Leben der Mehrheit der Menschen auf der Welt. An dieser Herausforderung kommen auch die Wissenschaften nicht vorbei. Stellen wir uns dieser Aufgabe.

Everything must change.

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Mr. 100 Prozent?
Ein Einspruch gegen das Abwarten

„Was hat Martin Schulz für die Wirtschaft übrig? Was bietet die SPD unter ihrem neuen Vorsitzenden eigentlich den Unternehmern im Land? Das ist die große offene Frage der Sozialdemokraten. Dass sie auf dem Berliner Sonderparteitag überhaupt thematisiert wurde, war Sigmar Gabriel zu verdanken. Der erinnerte seine Partei zum Abschied eindringlich daran, dass Unternehmer nicht die Klassenfeinde seien, auch Manager zur Gesellschaft gehörten und die SPD keine Verteilungspartei sei. (...) Schulz griff die Vorlage nicht auf. Unternehmen kommen bei ihm allenfalls vor, wenn sie »engagierte« Arbeitsplatzlieferanten sind. Zu den Gruppen, die nach Schulz mehr Respekt verdienen, gehören Unternehmer bisher nicht“

Heike Göbel, „Frage an Schulz“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 20.3.'17, S. 15.

 

„Die bisherige Begeisterung für Martin Schulz hat damit zu tun, dass er die Antwort zu sein scheint auf ein allgemeines Unbehagen: Erstens das Unbehagen über den wachsenden Rechtsextremismus, als dessen Ursache soziale Ungleichheit auch bei Konservativen anerkannt ist. Zweitens ein Verdruss über die sozialen und ökonomischen Verhältnisse und die Politik der schwarzen Null, gleichzeitig aber auch eine Angst, dass die radikale Abkehr von dieser Politik die wirtschaftliche Situation verschlechtern könnte. Dies zusammen ergibt den Schulz-Effekt: Schulz suggeriert Läuterung und Abkehr vom »Weiter so!«, verspricht aber mit seiner politischen Biografie zugleich das Gegenteil – dass sich also nichts groß ändern wird. Schulz ist Merkel minus Raute plus Furor. Reicht das für einen Wahlsieg?“

Heribert Prantl, „Schulz ist Merkel minus Raute plus Furor“, „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“), 19.3.'17.

 

„Nationalökonomie ist, wenn die Leute sich wundern, warum sie kein Geld haben. Das hat mehrere Gründe, die feinsten sind die wissenschaftlichen Gründe, doch können solche durch eine Notverordnung aufgehoben werden.“

Kurt Tucholsky, „Kurzer Abriß der Nationalökonomie“, 1931.

Entgegen allen neurotischen Schwärmereien, wir lebten in der besten aller Welten, in einer freien, offenen, wertebasierten Gesellschaft, seien alle zufrieden und glücklich, hätten nicht zu mahnen und zu mäkeln – es gibt ja schließlich die Pharmaindustrie –, nichts zu fordern, nichts zu ändern – außer ein paar Kleinigkeiten, und: „Wenn nur die Ausländer nicht wären!“ –, hat der Paritätische Wohlfahrtsverband ermittelt: Die Armut nimmt weiter zu. Demzufolge gelten hierzulande 12,9 Millionen Menschen als arm. 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche sind von sogenannten Hartz-IV-Leistungen abhängig. Zu den strukturellen Risikogruppen zählen Alleinerziehende, Familien mit mehr als drei Kindern (Idealbild der „AfD“), Erwerbslose, Menschen mit niedriger Qualifikation sowie Menschen aus anderen Ländern bzw. mit Migrationshintergrund. Ebenso bei Rentnerinnen und Rentnern nimmt die Armutsquote weiter zu. Das sind, allein auf dem rein sozialen Gebiet, die Probleme, die gesellschaftlich respektive politisch gelöst werden müssen. Hinzu kommen Arbeitsverdichtung und eine mangelnde Entwicklungsperspektive.

Auch Kriege, Aufrüstung und Waffenexporte sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

Dies alles ist bekannt, wird kritisiert und soll anders (besser) werden.

(Das betrifft auch den Bildungsbereich bzw. die Hochschulen. Studienreform, bedarfsgerechte Finanzierung und ein rundum verantwortlicher Gesellschaftsbezug seien die Stichworte einer Wende und positiven Entwicklung.)

Mr. 100 Prozent ist dafür ein Indikator und eine Projektionsfläche. Gleichwohl ist als historische Erfahrung bekannt, daß auf die SPD, die, diplomatisch gesagt, widersprüchlich bleibt, allein kein Verlaß ist. Für einen wirklichen Wechsel bedarf es nach wie vor der eigenen Aufmerksamkeit und des eigenen gemeinsamen Engagements. Mit 'n Avec. Sonst kommt bei der Inszenierung wenig heraus. Jeder Versuch lohnt sich.

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Geht es uns (zu) gut?
Ein Plädoyer für Gutwollen und Schlechtreden

„Die Worte der Schwarzmalerei gehören in die Mottenkiste des politischen Feuilletons. Weder ist die Bundesrepublik unregierbar, noch sind die politischen Eliten korrupt noch die Parteien leblos oder abgehoben. Wer das Gegenteil glauben machen will, der setzt Fake News in die Welt. Altmodisch gesagt: Mit dem Schlechtreden wurde Schindluder getrieben. Das ist jetzt vorbei.“

Günter Bannas, „Fest der Demokratie“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 27.3.'17, Leitkommentar zum Ausgang der Wahlen im Saarland.

 

„Der Wohlstand in Deutschland wächst deutlich, doch nicht für alle. (...) Viele Menschen haben Arbeit, ja, aber oft handelt es sich um prekäre Beschäftigungsverhältnisse mit schlechter Bezahlung. (...)Es kann auch von Nachteil sein, wenn ich aus Angst vor dem Absturz den erstbesten schlechten Job annehmen muss, anstatt etwas länger nach einer Arbeit zu suchen, in der ich produktiver und auch volkswirtschaftlich sinnvoller eingesetzt werde. (...) Wir sollten Hartz IV abschaffen und die alte Arbeitslosenhilfe wieder einführen.“

Der Ökonom Peter Bofinger im „SPIEGEL-Streitgespräch“ mit seinem Kollegen Clemens Fuest, „SPIEGEL“ Nr. 13/2017, S. 72-74.

 

„Genügt diese Gesellschaft, die so reich ist, den eigenen Kriterien, was Fairness, Gleichheit, Gerechtigkeit angeht? Und da, würde ich sagen, leben wir nicht über, sondern weit, weit unter unseren Verhältnissen.“

Der Publizist Mathias Geffrath („Marx durchlüftet den Kopf“) im „SPIEGEL-Gespräch“, „SPIEGEL“ Nr. 13/2017, S. 118-121, hier S. 119.

Die weitere Entwicklung der Gesellschaft bleibt umstritten.

Nach dem unerwarteten Wahlsieg der CDU und Annegret Krump-Karrenbauer (auch CDU) im Saarland kann die „FAZ“ („Zeitung für Deutschland“) kaum an sich halten: „Triumph für die CDU im Saarland“, so der Aufmacher auf Seite 1 am Tag nach der Wahl (27.3.'17).

Hieraus spricht eine große (verdeckte) Erleichterung. Der Drang nach progressiver Veränderung scheint gebremst, die „rote Gefahr“ abgewandt.

Dabei entspricht der Zustand dieser Gesellschaft wahrlich nicht den nach wie vor berechtigten Kriterien von Frieden, Freiheit, Gleichheit, Solidarität und kultivierter Sinnhaftigkeit.

Zu diesem Resultat kommt auch – zumindest auf arbeitspolitischem Gebiet – der moderat sozialkritische Ökonom Peter Bofinger (Mitglied des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“, s.o.).

Dennoch freuen sich die Konservativen zu früh. Allein auf der Wahlebene zeigt sich: SPD und LINKE haben mehr Zustimmung als die CDU, die FDP hat den Hüpfer ins Parlament nicht geschafft und die „AfD“ ist in ihrem Aufwärtstrend deutlich gestoppt. (Was nicht heißt, daß man diesen rechten Haufen nicht weiter ernst nehmen muß!)

Auf jeden Fall geht es uns in keiner Hinsicht zu gut. Darüber mag auch kein konservativer Triumphalismus hinwegtäuschen. Wir befinden uns am Beginn von positiven Veränderungen.

Das Engagement ist von Bedeutung.

„Geffrath: Bei Marx steht am Schluss seiner Überlegungen eine Mahnung: Wenn ihr euch nicht zusammenschließt, organisiert, vor allem bildet, werdet ihr nur eine unterschiedslose Masse armer Teufel sein,denen keine Erlösung helfen kann. Das heißt, auf dem Weg hin zu einer sozialistischen Gesellschaft ist es erforderlich, dass Menschen Politik machen. Und für deren Ausgang gibt es keine Garantien, die passiert unter dem offenen Himmel der Geschichte. Das ist Marx.“

(Quelle: siehe oben.)

Die Wahrscheinlichkeit des Gelingens von Verbesserungen steigt mit jeder Beteiligung.

Von der überwiegenden Mehrzahl für die überwiegende Mehrzahl. Das ist der Sinn der Aufklärung.

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Jakobinersperling