„SPIEGEL: Was müsste passieren, damit Jamaika klappt?
Trittin: Die FDP müsste sozialer, die CSU liberaler und die CDU ökologischer werden.
SPIEGEL: Und was müssen die Grünen?
Trittin: Wir müssen uns darauf einstellen, unsere Positionen unter Bedingungen einer nach rechts verschobenen gesellschaftlichen Stimmung umzusetzen.“Jürgen Trittin (Grüne), im „SPIEGEL-Interview“, „SPIEGEL“ Nr. 39a, S. 18.
„Jetzt müssen die Grünen annehmen, was der Wähler da so zusammengewählt hat.“
Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident des grün-schwarz regierten Bundeslandes Baden-Württemberg auf dem kleinen Grünen-Parteitag am 30. September in Berlin.
„Euphemisten [Schönredner] trauen sich nicht, Dinge beim Namen zu nennen, sie könnten sich sonst die Zunge verbrennen an dem heißen Eisen der Wahrheit. Sie nehmen uns nicht an die Hand, sondern auf den Arm, das heißt, sie verspotten uns. Aber bekommen das reflektierte Menschen tatsächlich immer mit?“
Ursula Kals, „Triumph der Schönfärber und Wortklauber“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), „Beruf und Chance“, 30.9.'17, S. C2.
Ja, reflektierte Menschen bekommen das tatsächlich mit: Eher werden die Grünen neoliberaler, nationaler und konservativer, als daß CDU/CSU und FDP nach links gehen, d.h. spontan und ohne entsprechende sowie stärkere gesellschaftliche Einflüsse sozialer, demokratischer, aufgeklärter und friedenspolitischer werden.
Wenn es aus frei werdenden Ämtern hustet, können programmatische, ethische und politische Grundsätze, die mittlerweile ohnehin schon stark minimiert sind, schweren Herzens für die staatspolitische Räson aufgegeben werden. Dafür sind inzwischen hinlänglich negative Beweise erbracht. Auf „Jamaika“ läßt sich keine Hoffnung bauen. Vielmehr ist nun speziell die SPD gefordert, sozialer, liberaler im Sinne der Grundrechte, ökologischer, friedenspolitischer, d.h. auch: selbstkritischer und mutiger, zu werden.
Insgesamt ist die Relevanz der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition gewachsen. Sie ist nicht nur nicht „Mist“, sondern ein notwendiger Faktor gegen Rechts und für positive gesellschaftliche Veränderungen.
Damit sind Alle aufgerufen, sich an dieser sinnvollen Aufgabe zu beteiligen. Immer wieder nur das „Kleinere Übel“ führt zu keiner Besserung. Die Bedeutung jedweden kritischen Engagements hat zugenommen. Das, was ist, kann nicht so stehenbleiben.
Auch sei durch Tucholsky erinnert:
Zurück zum Anfang„Es gibt Leute, die wollen lieber einen Stehplatz in der ersten Klasse als einen Sitzplatz in der dritten. Es sind keine sympathischen Leute.“
Kurt Tucholsky, „Schnipsel“, 1932.
„Eine entscheidende Frage dieser Tage ist, gerade nach dem Wahlerfolg der AfD, wie der Rassismus in die Gesellschaft kommt. Oder genauer, wie die Gesellschaft Rassismus schafft, duldet oder fördert. (...) Es ist eine mittlerweile schon eingeübte Routine: Bei islamistisch motivierten Morden oder Mordversuchen, wie auch immer genau sich diese islamistische Verbindung herstellen lässt, sucht man nach einer Verschwörung; bei rechtsextrem motivierten Morden, selbst wenn die Verbindung klar ist, sucht man nach Verständnis. (...) Es scheint, dass es leichter ist, den Feind außen zu sehen als den Feind innen, in der eigenen Gesellschaft, in der eigenen Realität, aus der Mitte heraus und angetrieben von einem Ressentiment, das eben nicht nur eng umgrenzt den Täter betrifft.“
Georg Diez, „Gewaltdebatte – Wir müssen über Rassismus reden“, „SPIEGELONLINE“, 8.10.'17.
„Ausländer, Fremde, sind es meist,
Die unter uns gesät den Geist
Der Rebellion. Dergleichen Sünder,
Gottlob! Sind selten Landeskinder.“Heinrich Heine, „Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen“, 1853.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat nach der Bundestagswahl mit dem Satz brilliert, sie wisse nicht, was sie anders machen solle, danach die SPD für „nicht regierungsfähig“ erklärt, folgend sich mit dem CSU-Seehofer de facto auf eine „Obergrenze“ bei den Flüchtlingen geeinigt und strebt nun eine Regierungskoalition mit der FDP und den Grünen an. Das wird nicht leicht, wird lange dauern, aber doch wahrscheinlich „gelingen“.
Es ist bekannt und nachgewiesen: Die größten Fluchtursachen, die wesentlich und „westlich“ genährt und nicht bekämpft werden, sind Krieg (inkl. Waffenexporten), politische Repressionen, Umweltkatastrophen und soziales Elend, d.h. das globale soziale Gefälle von Nord nach Süd.
Gleichfalls ist die gesellschaftliche Lage in den neoliberal geprägten Industrieländern sozial und kulturell sehr angespannt: Prekäre Arbeitsverhältnisse, streßhaft verdichtete Arbeitsbedingungen, hohe Lebenshaltungskosten, verminderte Daseinsvorsorge (Bildung, Soziales, Kultur, Gesundheit), Verunsicherungen über die zukünftige Entwicklung (nicht zuletzt Frieden und Umwelt) bestimmen aktuell den nicht menschenwürdigen Alltag. Auf diesem Boden gedeihen Legenden, Ablenkungen, Lügen und Vorurteile.
Dem ist kein Glauben zu schenken oder gar Nachgiebigkeit angemessen.
Dagegen helfen lediglich Aufklärung, Rationalität, Kritik, Widerstand und gemeinsames Entdecken, Denken und Handeln für Frieden, soziale Gerechtigkeit und eine solidarische Entwicklung von Gesellschaft, Gemeinschaft und Persönlichkeit. In allen Bereichen. Zu jeder Zeit. Von Allen.
So läßt sich die Sinnfrage zunehmend heiter und wirkungsvoll beantworten – als aktive Entfaltung der leidenschaftlichen Vernunft.
Man sollte den ironischen Dichter beim Wort nehmen und das Gegenteil der vermeintlichen Aufforderung praktizieren:
Zurück zum Anfang„Vertrauet eurem Magistrat,
Der fromm und liebend schützt den Staat
Durch huldreich hochwohlweises Walten;
Euch ziemt es, stets das Maul zu halten.“Heinrich Heine, s.o.
Semesteranfangszeitung Wintersemester 2017/2018
„Zurzeit haben viele politische Parteien ihr Profil verloren. Und hinzu kommt: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Wähler in all diesen Ländern wollen einen starken Mann an der Spitze, der ihre Wünsche erfüllen und ihnen ihre Orientierung zurückgeben sollte. Sie waren bereit, substanzlosen, populistischen Heilsversprechen zu glauben, und sie wollten sich nicht die Mühe machen, sie auf Plausibilität zu überprüfen. Die Wahl Trumps war das Ergebnis eines Regressionsbedürfnisses, das sich durch die Überforderung der Menschen ergeben hat. Und jetzt sonnen sich die Trump-Wähler im Glanz seiner vermeintlichen Grandiosität. Statt wie aktive, verantwortungsvolle Bürger zu handeln, lehnen sie sich an und suchen Sicherheit. (...) Wir haben mehr Möglichkeiten, uns selbst darzustellen und unserem Egozentrismus zu frönen. Denken Sie doch nur mal an die vielen sozialen Netzwerke. (...) Das ist das Gegenteil von Gemeinsinn.“
Die Psychologin Bärbel Wardetzki im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“), 15.10.'17, S. 12.
„Das Mißverhältnis zwischen der Quantität der Einflüsse und der Kleinheit des ihnen sich anpassenden Menschen, die sich in der Unbestimmtheit und Geringfügigkeit seiner Handlungen kundgibt, ist zu groß.“
Bertolt Brecht, [Notizen über] „Individuum und Masse“, „Schriften zu Politik und Gesellschaft“, Frankfurt/M., 1991, S. 639.
Zur beruhigenden Entwarnung ist wenig Anlaß. Nur dies: Zwar hat die SPD die Landtagswahl in Niedersachsen (nicht gerade üppig) gewonnen, die CDU ist weiterhin deplatziert, aber die AfD ist (minimiert) in den Landtag gekommen und eine soziale Wende in der Gesellschaft ist keineswegs garantiert. In Österreich ist nach der Wahl für das Bundesparlament ein deutlicher politischer Rechtsrutsch zu verzeichnen. Donald Trump ist aus der UNESCO ausgetreten und steigert seine gefährlichen kriegerischen Ambitionen.
Nun ist nicht schwarz zu malen, es gibt auch aufgeklärte, engagierte Gegenaktivitäten, Haltungen und Ergebnisse — weltweit.
Dennoch befinden wir uns in einer Zeit der dringenden erkenntnis-, handlungs- und wirkungsvollen Selbstüberprüfung: Ist die Gesellschaft Schicksal oder positive Gestaltungsmöglichkeit? Sind Krieg, Umweltzerstörung, Hunger, Elend und Verzweiflung alternativlos? Besteht Freiheit in den Ablenkungen und Zerstreuungen aller Art? Sind Solidarität und Gleichheit von gestern oder von heute für morgen? Ist sich jeder selbst der Nächste oder schafft globale Gemeinsamkeit erst eigentliche Nähe? Wird die Unruhe betäubt oder hat sie ein Ziel? Ergibt sich Sinn aus Vorrang oder aus Kooperation? Läßt sich nur im Moment leben oder aus der Geschichte lernen? Ist der Einzelne bedeutungslos oder erweitern sich Alle mit Ihresgleichen?
Die Beantwortung dieser Fragen lassen einen neuen, einen besseren Weg wählen und beschreiten. Der erste Schritt besteht darin, das eigene Unbehagen über die alltäglichen Zumutungen gesellschaftskritisch zu bedenken, mit anderen zu erörtern und aus den so gewonnenen Erkenntnissen bedeutungsvolle Konsequenzen folgen zu lassen. Der Mensch ist kein Stuhl. Er kann nicht nur denken, sondern auch erkennen, sich versammeln und positiv verändern. Das war schon immer so und wird auch so bleiben bzw. erkennbar und machbar sein.
„Den meisten Leuten sollte man in ihr Wappen schreiben: Wann eigentlich, wenn nicht jetzt?“
Kurt Tucholsky, „Schnipsel“, 1932.
„Die brisante These, die der Fonds [Internationaler Währungsfonds (IWF)] der globalen Finanzwelt präsentiert, lautet: Zu viel Ungleichheit schadet dem Wirtschaftswachstum. (...) Die Ungleichheit sei in mehreren Industrieländern gestiegen, sie bleibe in vielen Aufsteigerländern hoch. Das müsse die Regierungen beunruhigen, denn Ungleichheit schade dem sozialen Zusammenhalt und begünstige politische Polarisierung – mit der gefährlichen Folge, dass Wachstum dann nicht mehr nachhaltig sei.“
Winand von Petersdorff; „Währungsfonds warnt – Reiche immer reicher“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 14. Oktober 2017.
„Der unbeirrbare Stumpfsinn, mit dem diese Kapitalisten ihre törichte Geldpolitik fortsetzen, immer weiter, immer weiter, bis zur Ausblutung ihrer Werke und ihrer Kunden, ist bewundernswert. Alles, was sie seit etwa zwanzig Jahren treiben, ist von zwei fixen und absurden Ideen beherrscht: Druck auf die Arbeiter und Export.“
Kurt Tucholsky, „Die Herren Wirtschaftsführer“, 18. August 1931.
„Ein politischer Kurswechsel ist notwendig. Erhebliche staatliche Investitionen und Ausgaben für öffentliche Aufgaben wie Soziales, Bildung, Wissenschaft, Kultur und Infrastruktur sind dringend erforderlich. Sie können sofort durchgesetzt werden: die vorhandenen Steuer(mehr)einnahmen sind entsprechend zu verwenden und die Steueransprüche gegenüber den Reichen und Superreichen müssen konsequent eingetrieben werden, und: dem politischen Gebot der ‚Schuldenbremse‘ ist eine Absage zu erteilen.“
„Die Schuldenbremse abschaffen: Sozialer Fortschritt in globaler Solidarität!“, Beschluss des Studierendenparlaments der Universität Hamburg, 28. September 2017.
Da liegt erheblich etwas in der Luft. Sogar die Ideologen des „IWF“ sind ob der Dimension sozialer Ungleichheit besorgt und die Direktorin regt öffentlich Steuererhöhungen für Spitzenverdiener an. Die Damen und Herren Wirtschafsführer dieser Welt haben über Jahrzehnte – nicht zuletzt auch angefeuert vom Währungsfonds – eine aggressive Politik des Lohndumpings, der Steuergeschenke für die Reichen, der Privatisierungsdogmatik, des Exportkonkurrenzkampfs und des entsprechenden weltumspannenden Freihandels betrieben. Nun ist die obszöne Spannung zwischen gesellschaftlichem Reichtum und massenhafter Armut kaum mehr aufrechtzuerhalten. Mit „sozialem Zusammenhalt“ ist da allerdings wenig zu verrichten.
Die Antwort auf die tiefe soziale Spaltung darf getrost ambitionierter ausfallen. Zu allererst sei ihr Maßstab weniger ein technokratisches „Wirtschaftswachstum“, sondern vielmehr der Mensch selber: ein würdiges Leben für Alle, in gewaltfreien Verhältnissen, mit ausreichend Wasser und Nahrung, einer frei zugänglichen Gesundheitsversorgung, sinnvoller Arbeit, gebührenfreier Bildung, emanzipatorischer Kultur, komfortablem Wohnraum und uneingeschränkter öffentlicher Mobilität.
Für die Durchsetzung einer solchen erfreulichen Perspektive hat das Studierendenparlament eine Kampagne für das Ende der „Entsagungspolitik“ („Austerität“), für eine erhebliche Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums und insbesondere für die Befreiung von der Geißel der „Schuldenbremse“ ins Leben gerufen. Deren Funktion ist im Kern, die Ansprüche der großen Mehrheit klein zu halten. Diese Bremse zu lösen, hat weitreichende positive Bedeutung: Für das Ende des verordneten Elends der griechischen Bevölkerung, für den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge für jeden und jede, egal welcher Herkunft, für ausreichend Studienplätze für Alle, einschließlich einer Masterplatzgarantie für alle Bachelor-Absolventen. (Für Letzteres bedarf es laut des ehemaligen Vizepräsidenten der Uni lediglich ca. 5 Millionen Euro pro Jahr zusätzlicher Mittel).
Nicht zuletzt ist das auch wirksam gegen die demagogische Benutzung der Krise von Rechts: mit sozialem Fortschritt und internationaler Solidarität gegen Ungleichheitsideologie und Rassismus, mit Friedensperspektive gegen nationalen Chauvinismus, Geschichtsrevisionismus und militärisches Säbelrasseln, mit Emanzipation und kultureller Weite gegen die Beklemmung von Familienideal und „Leitkultur“.
Hinaus aus der Enge! Luft für eine neue Dynamik sozialer und ziviler Entwicklung!
„Die Abschaffung der Schuldenbremse ist eine Wiederherstellung von Demokratie. Diese bedarf kritischer, aufgeklärter, kultivierender, anspruchsvoller, solidarisch denkender und kooperativ verantwortlich engagierter Menschen. Nehmen wir die Geschichte in unsere Hand!“
„Die Schuldenbremse abschaffen: Sozialer Fortschritt in globaler Solidarität!“, s.o.
„Die Entscheidung, den Friedensnobelpreis 2017 der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen zu verleihen, steht voll im Einklang mit dem Willen von Alfred Nobel. (...) ICAN arbeitet intensiv darauf hin, nukleare Abrüstung zu erreichen. ICAN und die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten haben zur Brüderlichkeit zwischen Nationen beigetragen, indem sie Humanitarian Pledge initiierten. Durch ihre inspirierende und neuartige Unterstützung der UN-Verhandlungen über einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen spielte ICAN eine größere Rolle dabei, etwas zu bewirken, was heutzutage einem internationalen Friedenskongress gleichkommt.“
Aus der Begründung des Nobelkomitees.
Der diesjährige Friedensnobelpreis ist eine bedeutende Ermunterung für die gesamte Bewegung gegen Atomwaffen und ein starkes politisches Signal gegen die aktuelle atomare Bedrohung. ICAN – International Campaign to Abolish Nuclear Weapons – hat über zehn Jahre auf ein völkerrechtliches Verbot von Atomwaffen hingearbeitet und es durchgesetzt. Die Aktivisten brechen dabei gezielt „sicherheits-“ und abschreckungspolitische Dogmen und heben die katastrophalen humanitären Konsequenzen, die der Einsatz von Atomwaffen bedeutet, als prinzipiell unmenschlich und inakzeptabel hervor.
Die demokratische Bewegung wurde vor zehn Jahren von zwei Ärzten in Australien gegründet. Nicht zufällig schlossen sich zunächst vor allem Organisationen aus dem globalen Süden der Initiative an; dort ist die Erfahrung alltäglich, daß die Atommächte ihr Drohpotential nutzen, um die soziale Ungleichheit aufrechtzuerhalten. Es wurde mit Menschen aus den Bereichen Gesundheit, Entwicklungshilfe, Menschenrechte, aus der Friedens- und Umweltbewegung und Kirchen sowie mit den überlebenden Atombombenopfern aus Hiroshima und Nagasaki zusammengearbeitet. Neben den zivilgesellschaftlichen Akteuren wurde die Kampagne nach und nach auch von einigen Regierungen atomwaffenfreier Staaten unterstützt.
Daraus entstand wiederum die „Humanitäre Initiative“, ein Zusammenschluß von mittlerweile über 150 Staaten, die sich für das UNO-Verbot der Herstellung, des Besitzes, des Einsatzes und der Lagerung von Nuklearwaffen eingesetzt hat. Am 7. Juli 2017 – parallel zum G20-Gipfel in Hamburg – stimmten zwei Drittel der UN-Mitgliedsstaaten dem Vertrag zu, der jetzt nach dem Völkerrecht für alle Staaten bindend ist, die den Vertrag mittragen. Darunter ist keine der Atommächte. „Wir senden Botschaften an alle Staaten, vor allem die mit Atomwaffen!“, betont daher die Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees.
Ein weiterer großer Erfolg, bei dem ICAN eine der treibenden Kräfte der Aufklärung war, ist das Atomabkommen mit dem Iran, das 2015 nach jahrelanger intensiver Arbeit zustandekam. Der Friedenspreis ist daher als eine bewußte Absage an den gefährlichen Versuch Donald Trumps zu verstehen, diesen Meilenstein der Diplomatie zu sabotieren und erhöht zudem den Druck auf die USA und Nordkorea, politische Gespräche aufzunehmen statt die gesamte Menschheit zu gefährden.
ICAN besteht inzwischen aus über 450 Gruppen (auch in Hamburg gibt es eine studentische Abteilung), ist in mehr als hundert Ländern aktiv und hat prominente Unterstützer wie Ban Ki-moon, Desmond Tutu und Herbie Hancock. Sie engagiert sich „für eine Welt, in der die Menschen Konflikte gewaltfrei und in Achtung der menschlichen Würde bearbeiten.“
Nicht nur dieses Beispiel zeigt: Jede und jeder kann Teil davon sein, grenzenlose Bedeutung und erfreuliche Bündnispartner haben. Der Kampf für Abrüstung und eine lebenswürdige Welt findet nicht zuletzt an der Universität statt – in der Wissenschaft, den politischen Gremien und der studentischen Interessenvertretung. Letztlich: Das Humane überwindet das Häßliche.
„Wenn der Mensch
von den Umständen
gebildet wird, so muß
man die Umstände
menschlich bilden.“
Karl Marx/Friedrich Engels,
„Die heilige Familie“
1844/45, MEW 2, S.138.
„Wir Menschen können das: Nein sagen zum schnellen Fix. Ethik kann über Belohnungssucht siegen. Und hat das gerade in den letzten Jahrzehnten wieder und wieder getan.“
Christian Stöcker, „Die Ratte in uns“, „SPIEGELONLINE“, 20.11.'16.
„Freilich, die geistigen Interessen müssen immer mit den materiellen Interessen eine Allianz schließen, um zu siegen.“
Heinrich Heine, „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“, Erstes Buch, 1834.
Wenn der Mainstream falsch fließt, ist es falsch, in seine Richtung zu schwimmen bzw. sich treiben zu lassen. Was aber ist der Mainstream?
Die größte Auflage? Das höchste Amt? Das lauteste Geschrei? Die ungebremste Emotionalität?
Jedenfalls entwickeln sich hinter den Gesichtern des Alltags neue Mentalitäten: Für Frieden, soziale Gerechtigkeit, Solidarität mit den Flüchtlingen, für die Studienreform, gegen das Tina-Prinzip („There is no alternative“) und für die Gestaltbarkeit menschenwürdiger gesellschaftlicher Lebensbedingungen sowie eine andere Kultur im Alltag.
Es lohnt sich, mehr darüber zu reden. Daraus ergeben sich neue Einsichten bzw. erweiterte Möglichkeiten der Veränderung. Tatsächlich.
Der Mensch ist vielfältig und will sich – sozial, politisch und kulturell – verwirklichen.
Das gilt in Hochschule und Gesellschaft. Das sei gesagt und getan.
So kooperieren wir mit anderen fortschrittlichen Gruppierungen in den Gremien der studentischen Interessenvertretung, in der Akademischen Selbstverwaltung und in außerparlamentarischen Bewegungen: in Fachschaftsräten, in der Fachschaftsrätekonferenz, im Studierendenparlament, im Akademischen Senat, in Fakultätsräten, in der Friedensbewegung, in Bündnissen gegen Neofaschismus, in Aktivitäten gegen Sozialabbau. Wir sind bundesweit als Gründungsmitglied im Hochschulgruppen- verband Die Linke.SDS organisiert.
Dieses Engagement ist uns alltägliche und sehr menschliche Angelegenheit. Allseitige Emanzipation als erstes Bedürfnis. Dem sollte sich auf Dauer niemand entziehen.
„Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“
Bertolt Brecht, „Lob der Dialektik“, 1934.
„Je mehr ich weiß, heißt das, desto mehr weiß ich, was ich nicht weiß! Ein folgenreicher psychischer Mechanismus, der leicht ins Pathologische überschwappen kann. (...) Das Problem bei Optimierung: Sie hat keine Obergrenze, man bleibt immer unter der Grenze des Möglichen. Der Körper wird zu einem endlosen Projekt der Verbesserung. Aber nicht nur der Körper. Längst gibt es Apps, die den eigenen Gefühlsstand messen. Psychologisch gesprochen handelt es sich bei all dem um eine gesteigerte Form der Selbstaufmerksamkeit, was im wirklichen Leben Anzeichen für eine Depression sein kann. Der Wunsch, Kontrolle über sein Leben zu gewinnen, schlägt in sein Gegenteil um: Denn wer so etwas benutzt, geht ja nicht mehr davon aus, dass sein Leben an sich ganz in Ordnung sei, sondern irgendwie mangelhaft.“
Harald Welzer, Soziologe und Sozialpsychologe, „Muss passen“, „arte-Magazin“, 11/2017, S. 35.
„Ja, renn nur nach dem Glück
Doch renne nicht zu sehr!
Denn alle rennen nach dem Glück
Das Glück rennt hinterher.“Bertolt Brecht, „Das Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“, aus: „Die Dreigroschenoper“, Entstehung 1928.
Sollen wir gänzlich in Trance versetzt werden?
Die „Selbstoptimierung“ dient der Gewinnmaximierung, sie ist individualisierte Ökonomie; die Übernahme der Fremdkontrolle ist katholisch, sie versenkt die „Schuld“ tief ins Innere; das Hamsterrad der Eigenmodellierung ist ein großes Geschäft, die Krankenkassen schwingen die Peitsche; die Leistungssteigerung vermehrt die Konkurrenz und macht unehrlich; sie ist teuer und verdrängt das Lachen; sie bereitet große Mühe und macht unglücklich.
Was ist zu tun?
Der Blick ist kritisch umzulenken und zu weiten – auf die Welt, die Unzulänglichkeiten, die Mitmenschen, die Möglichkeiten, das bisher Ungedachte: Solidarität, Kooperation, Kollegialität und Fairneß sind nicht von gestern, sondern von heute und für morgen: Die politische Gestaltung der menschlichen Gesellschaft, das eigene respektive gemeinsame Engagement für Frieden, soziale Gerechtigkeit, ökologische Vernunft, die Ausweitung demokratischer Partizipation, die Kultivierung des Alltags sowie die Lebendigkeit der menschlichen Bezugnahme stehen auf der Tagesordnung der Gesellschaft und der individuellen Ambition.
Es läßt sich viel sparen und gewinnen, wenn auf die verordnete Selbstkasteiung verzichtet wird.
Politik, in einem weiteren Sinne, soziales und kulturelles Engagement sind garantiert kein schmutziges Geschäft, wenn damit die Verbesserung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen, das Allgemeinwohl sowie Aufklärung, Emanzipation und Lebensfreude verbunden sind.
Zurück zum Anfang„Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird; aber so viel kann ich sagen, es muß anders werden, wenn es gut werden soll.“ (293)
Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft K, 1793-1796.
„Noch nie haben diese Parteien im Bund miteinander regiert. Sie haben zum Teil deutlich unterscheidbare Standpunkte, Schwerpunkte und Ziele. Mitunter gab es zwischen ihnen in der Vergangenheit heftige Animositäten. (...) In der Debatte kann man derzeit fast den Eindruck gewinnen, die »Jamaika«-Parteien seien eine von den Wählern ungeschickt zusammengewürfelte Zwangsgemeinschaft, die aus schlechten Voraussetzungen mit viel Glück gerade mal ein noch schlechteres Ergebnis zusammenschustern könnte. Eine Fehldeutung, die sich im eigenen Vorurteilsspeck ach so schrecklich langweilt. Viel mehr spricht dafür, dass in Berlin eine konstruktive Koalition entstehen kann. Deren habituell missgelaunte, pränatale Verdammung fußt auf der allgemeinen Lagertheorie, der zufolge die Grünen entlaufene Sozialdemokraten seien. In Wahrheit sind sie eine bürgerliche Formation: Diese einstigen Aufsteiger in die Sozialdemokratie einzugemeinden war Willy Brandts großes, zunächst scheinbar florierendes, aber eben letztlich gescheitertes Vorhaben.“
Volker Zastrow, „Jamaika, ein bürgerliches Projekt“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 12.11.'17, S. 12.
„Und Sozialismus ist nichts anderes, als der pflichtgemäße Entschluß, den Kopf nicht vor den dringendsten Anforderungen der Materie, des gesellschaftlichen, kollektiven Lebens in den Sand der metaphysischen Dinge zu stecken, sondern sich auf die Seite derer zu schlagen, die der Erde einen Sinn geben wollen, einen Menschensinn.“
Thomas Mann, Vorwort zur ersten Ausgabe der Zeitschrift „Maß und Wert“, 1937.
Thomas Mann war gewiß ein „bürgerlicher Autor“: kommend aus dem lübischen Kaufmanns-Patriziat, selten in sozialer Not, zuerst Politik ablehnend und für den Ersten Weltkrieg votierend, wandte er sich angesichts der aufkommenden faschistischen Gefahr deutlich der engagierten Aufklärung, der Politik, dem Frieden, der konsequenten sozialen Demokratie und der Arbeiterbewegung zu – eine bemerkenswert positive Entwicklung. Ein „bürgerliches Projekt“ kann auch nachdrücklich humanistisch sein.
Ganz anders die kleinbürgerlichen Grünen in ihrem Mainstream: Pazifismus, Feminismus, Ökologie, demokratische Partizipation der Mehrheit, Momente sozialer Gerechtigkeit ließen Willy Brandt einst zu Recht hoffen, sie seien Teil der linken politischen Landschaft in der Republik – Bündnispartner in der positiven Gestaltung der Gesellschaft.
Da dies aber (zur Zeit) nicht so ist, lassen sich auf „Jamaika“ tendenziell keine Hoffnungen bauen.
(Die FDP fordert gar die Auflösung des Acht-Stunden-Tages, während die IG-Metall aktuell ein Modell zur Arbeitszeitverkürzung — leider ohne vollen Lohnausgleich — fordert.)
Für Frieden, Abrüstung, die Rekonstruktion des Sozialstaates, ökologische Rationalität, den Ausbau der Mitbestimmung, für Aufklärung, Solidarität, und die starke Eindämmung der AfD haben wir also selbst zu sorgen. Es gibt dafür viele Möglichkeiten. Die Persönlichkeiten wachsen daran. Wir haben es in der Hand.
Relevanz
Das Politische:
allgemeine Bedeutung
im Tun der Person.
„Die Lindner-FDP hat die Sondierungsgespräche dazu missbraucht, um sich nach Vorbild des ehemaligen FPÖ-Chefs zu »haiderisieren« — um dann gegebenenfalls bei einer Neuwahl der AfD Stimmen wegzunehmen. Parteichef Lindner wollte potenziellen AfD-Wählern zeigen, dass sie auch bei seiner FDP gut aufgehoben sind. Es war der bemerkenswerteste Satz dieser Sondierungsgespräche, dass CSU-Chef Seehofer darüber klagte, die FDP versuche in der Flüchtlingsfrage, die CSU von rechts zu überholen.“
Heribert Prantl, „Deutschland braucht jetzt eine große Koalition“, „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“), 20.11.2017.
„In den Verhandlungen hatte es bis zuletzt mehrere strittige Punkte gegeben, etwa bei der Energie- und Finanzpolitik. Entscheidend war dem Vernehmen nach aber der Dissens in der Flüchtlingspolitik, vor allem zwischen CSU und FDP auf der einen und den Grünen auf der anderen Seite.“
Marc Felix Serrao, „Jamaika ist gescheitert“, „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“), 20.11.2017.
Die FDP war's. Christian Lindner hat nun die braune Karte. Die Liberalen sind weiter denn je von ihrer positiven Position und Tradierung des Sozial- und Bürgerrechtsliberalen entfernt. Die FDP hat sich gehörig verzockt. (Warnungen kamen schon frühzeitig von ihrem langjährigen Mitglied Gerhard Baum.)
Auch wenn man kein Anhänger der Grünen ist, so läßt sich ihnen die „Schuld“ nicht zuschieben.
Die SPD steht nach ihrem eigenen Bekunden nicht für eine Fortsetzung der sogenannten Großen Koalition zur Verfügung. (Alsbaldige Neuwahlen sind deshalb wahrscheinlich.)
Was ist also zu tun?
An erster Stelle scheint angemessen, die bloße Zuschauerrolle in Frage zu stellen.
In diesem Zusammenhang bekommt die Friedensbewegung eine gewachsene Bedeutung: Frieden, Abrüstung, das Einfrieren der Rüstungsexporte sowie die zivile Konfliktregulierung haben globale Relevanz, an der sich Alle beteiligen können.
Ebenso die Klimaproblematik bleibt eine zu lösende politische Aufgabe. Sie läßt sich nur durch internationales staatliches Handeln lösen, das durch soziale Bewegungen stärker initiiert wird.
Den Wissenschaften als aktive Aufklärung durch ihre Subjekte, ihre verantwortliche (Persönlichkeits-) Bildung und als lebendiger gesellschaftlicher Organismus von Problemlösungsbewußtsein kommt somit eine gestiegene soziale Bedeutung zu.
Neu gewonnene Erkenntnisse respektive gestaltende Einmischung sind zunehmend erforderlich.
In diesem Sinne:
„Lessings [Gotthold Ephraim Lessing, 1729-1781] Wahrheitsliebe ist die radikalste, sein Talent, die Wahrheit, wie er sich ausdrückt, »bis in ihre letzten Schlupfwinkel zu verfolgen«, ist unbändig und bei solcher Verfolgung natürlich am behendesten, wenn es sich um Selbsterkenntnis handelt.“
Thomas Mann, „Rede über Lessing“, 1929.
Wahrheit auf diese Art ist auch das beste Mittel gegen die AfD und gleichfalls entscheidend für die Wahlen zum Studierendenparlament und zum Akademischen Senat.
Zurück zum Anfang„Eine der Ursachen für die schwache Bilanz des dritten Merkel-Kabinetts liegt in der Linksverschiebung der Union. Früher standen CDU und CSU für eine wirtschaftsfreundliche, konservative Politik und die Sozialdemokraten für eine soziale und liberale Gesellschaftspolitik. Heute gerieren sich große Teile der CDU wie eine zweite SPD und drängen die Sozialdemokraten nach links. Entsprechend radikal lesen sich die SPD-Forderungen nach höheren Mindestlöhnen, der Rente mit 63 oder einem Einstieg in die Bürgerversicherung. Damit würden die Sozialdemokraten ihr großes Erbe der Agenda 2010 endgültig neutralisieren.“
Matthias Iken, „Die Risiken der GroKo“, „Hamburger Abendblatt“, 27.11.’17.
„Die Politiker hätten ihren Job nicht richtig gemacht, beschweren sich nun all jene, die sich am liebsten gut und gerne regieren lassen. Dabei könnte der Bruch im Beton politischer Selbstverständlichkeiten einen Spalt öffnen, durch den ein paar neue Ideen eindringen könnten.“
Harald Staun, „Genug gehandelt“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 26.11.’17, S. 49.
„Die einen haben nichts zu essen und machen sich darüber Gedanken, das kann zur Erkenntnis ihrer Lage führen: und das ist dann Marxismus; die andern haben zu essen und machen sich keine Gedanken darüber: und das ist dann die offizielle Religion. So verschieden ist es im menschlichen Leben!“
Kurt Tucholsky, „So verschieden ist es im menschlichen Leben!“, 1931.
Egal, ob mit oder ohne Neuwahlen – die Verhandlungen auf dem Wege zu einer Neuauflage der sogenannten Großen Koalition sind mit großem Aufwand versehen.
Die Lage ist schwierig, die politischen Spannungen, zumal nach dem zweistelligen Einzug der AfD in das Bundesparlament, sind groß. Das komplizierte „Jamaika“- Bündnis bzw. die naßforsche FDP ist daran gescheitert. Auch wenn die SPD ihre Forderungen im Sozialen (s.o., erster Kommentar) ausweitet, so hat sie sich immer noch nicht von den unsozialen Beschränkungen der „Agenda 2010“ verabschiedet. Dafür wird sie wohl noch – innere Kämpfe und soziale Bewegungen – brauchen.
In diesem Bereich geht es gesellschaftlich nach wie vor darum, die „schwarze Null“ aus dem politischen Haushalt respektive die „Schuldenbremse“ aus der Verfassung zu tilgen. Eine Rückkehr zum Sozial-, Gesundheits- und Kulturstaat – als Fortschritt des Allgemeinwohls –, besonders im Gegensatz zur AfD, ist unerläßlich.
Aber auch in der Außenpolitik ist ein grundlegender Politikwechsel notwendig, hilfreich und sinnvoll: Die Beendigung von Kriegseinsätzen der Bundeswehr, das Verbot von Rüstungsexporten, das globale Primat der Diplomatie und der politischen Kooperation sowie die Schaffung von fairen Handelsbedingungen stehen für eine gedeihliche internationale Entwicklung bzw. die Beseitigung der Fluchtursachen.
Im Inneren korrespondiert diese friedenspolitische Linie der positiven Zivilisationsentwicklung mit der radikalen Abrüstung, der Rüstungskonversion in der Produktion, der rein zivilen Bildung in Schulen und Hochschulen sowie einer bedarfsgerechten und freundlichen Aufnahme von Flüchtlingen.
Da diese gedeihlichen Ergebnisse nicht von unzuverlässigen Verhandlungspartnern auf der oberen Ebene zu erwarten sind, bedarf es des Engagements von Vielen. Diese Logik drängt sich unweigerlich auf und ist zu begrüßen.
24. bundesweiter und internatonaler
Friedensratschlag 2017
Sa./So. 2./3. Dezember – Universität Kassel
„Nun heißt es, die Partei [AfD] sei weiter nach rechts gerückt, was bizarr klingen mag bei einer Partei, die eh schon so weit rechts ist, dass man es dort okay findet, von der Wehrmacht zu schwärmen, auf flüchtende Menschen zu schießen und eine Politikerin in Anatolien zu »entsorgen«. Offensichtlich ist es in Deutschland immer möglich, noch »weiter nach rechts« zu rücken, solange man noch nicht dabei erwischt wurde, freudig erregt eine Hitlerbüste abzulecken.“
Margarete Stokowski, „Der wahre Kern der AfD“, „SPIEGELONLINE“, 5. 12. 2017.
„der faschismus ist eine regierungsform, durch welche ein volk so unterjocht werden kann, daß es dazu mißbraucht ist, andere völker zu unterjochen.“
Bertolt Brecht, „Arbeitsjournal“, 28. 6. 1942.
„Siegreich und triumphierend wird meistens derjenige seine geistigen und leiblichen Sklavenfesseln zersprengen, der sich fest und unerschütterlich vornimmt: Ich will sie zersprengen!“
Gottfried August Bürger, „Ermunterung zur Freiheit“, 1790.
Dreister Rechtsextremismus ist nicht nur eine Meinung: Die Geschichte lehrt uns, daß er, gesellschaftlich durchgesetzt, Krieg, Diktatur, extreme soziale Ungleichheit, Massenvernichtung, Lüge, Mißtrauen, ein deformiertes Menschenbild und unermeßliche Zerstörung bedeuten kann.
Dagegen ist stets zu opponieren: „Wehret den Anfängen!“ „Nie wieder Krieg und Faschismus!“
Damit war, ist und sei ebenso stets verbunden: Die Schaffung von Frieden, internationale Solidarität, die Überwindung sozialer Ungleichheit, eine vitale Demokratie (und ihre Ausweitung), ein aufgeklärtes Menschenbild, die Achtung der Mitmenschen, die förderliche Entwicklung von Kunst, Kultur und Wissenschaft respektive die Entfaltung von mündigen und verantwortlich kooperativen Persönlichkeiten.
Am meisten hilft gegen die Verunsicherung der sozialen Lage sowie das bedrohlichen Wachsen rechter Kräfte, aus der Vereinzelung hinauszutreten. Ausgreifendes Lernen und die Assoziierung zu gemeinsamen Zwecken haben Sinn und Wirkung. – Freude inklusive.
Den Wissenschaften kommt in dieser gesellschaftlichen Entwicklungskrise neue Bedeutung für die Aufklärung, Orientierung, Sinnstiftung und Problemlösung zu.
Es ist somit ein gewichtiger Unterschied, ob sie sich „neutral“ verhalten oder widersprechen bzw. eine humane Perspektive engagiert zum Ausdruck bringen. Zu diesem Zweck sind auch die Studienreform sowie die bedarfsgerechte Finanzierung (nicht nur) der Hochschulen von wachsender Bedeutung.
Diese Ziele, Werte und Zwecke müssen auch mehr Anliegen und Gegenstand der akademischen Selbstverwaltung (z.B. Akademischer Senat) sowie der studentischen Interessenvertretung (Studierendenparlament und AStA) sein.
Darauf kommt es bei den Wahlen an.
Zusammenhang
Mit der Reichweite
sozialer Perspektive
wachsen Mut und Tat.
„Sind Sie eigentlich schon in Weihnachtsstimmung? Ergebnis: Ja 23 %, Nein 77 %. Abgestimmt haben 2030 Leser, Stand: 18 Uhr.“
Onlineumfrage des „Hamburger Abendblattes“ vom 13.12.’17.
„Alle drehen durch. Man bekommt bunte E-mails von ganzen Abteilungen, die wie Abschiedsgrüße klingen – obwohl man doch bald wieder miteinander arbeitet. Ich fiel keineswegs auf, denn die Straßen waren voller Menschen, denen es so ging wie mir. Sie eilten zum Optiker, zum Anwalt, zum Steuerberater, zum Zahnarzt – nicht wegen dringender Anliegen, sondern wegen der nahenden Weihnachtspause, die man sich vorstellen muss, wie auf alten Bildern der Rand der flachen Erde dargestellt wurde: als ein Ende, von dem alle in ein schwarzes Loch purzeln, und die unbearbeiteten Rechnungen und leeren Formulare wehen hinterher wie ein tragischer Schleier zu Ehren des bürokratisch-administrativen Komplexes. (...) Nun driftet Deutschland ganz ohne ordentliche Bundesregierung in die Innerlichkeit, und das wirft die Frage auf, ob das Fest dann auch nur geschäftsführend gefeiert wird.“
Nils Minkmar, „Kurz davor“, „SPIEGEL“ Nr. 51/2917, S. 117.
Man könnte die Nerven verlieren: Zu dem Erledigungsstreß (s.o.) gehören – zumindest in der City – Grell-Licht, Baßgewummer, unerträglicher Süßduft und dichtes Menschengedränge. Vor den obligaten Familienzusammenkünften wächst die Reizbarkeit durch den Druck von originellem Geschenkezwang, besonderem kulinarischem Gelingen und die grimmige Vorahnung nerviger Verwandter.
Dann, wenn äußerlich alles zur Ruhe kommt, setzt unvermittelt das Harmoniegebot ein. Es sitzt aufdringlich lächelnd mit zu Tische. Es soll zwanghaft oberflächlich, bedeutungslos und im flachen Einklang zugehen. Die Unruhe geht unter der Haut rastlos auf und ab.
Dies ist der Moment – zur Vermeidung von Niedergestimmtheit –, bedeutende Themen anzusprechen:
Die wankende Skrupellosigkeit von Donald Trump, das rassistische Problem der AfD, die Regierungskrise hierzulande, das interessante Thema einer Hausarbeit, die Notwendigkeit des Friedens in der Welt, eine gelungene Theateraufführung, die Triftigkeit von bestimmten Wahlentscheidungen, bemerkenswerte Aspekte der Familiengeschichte und auch die Maßstäbe eigenen Handelns.
Da mag dann erstaunlich sein, welche Gesprächsdynamik sich daraus entwickelt. Alle können diese Bedeutung und lebendige Gesprächstiefe realisieren. Es kommt lediglich darauf an, die Initiative zu ergreifen. Nach möglicherweise anfänglicher Angst steigt dann die Laune mit jedem Schritt. Die Schwere ist somit abgeschüttelt. Eine solche gute Erinnerung läßt ebenso frohgemuter auf das nächste Jahr zugehen. Jeder Versuch ist lohnend.
Zurück zum AnfangMit ’n Avec
Bedachte Frechheit,
zusammen wohlverstanden,
kann vorwärts landen.
„Und wir werden noch mehr in einen starken Staat investieren müssen, der die Regeln unseres Zusammenlebend verteidigt und für Ihre Sicherheit – für unser aller Sicherheit – sorgt.
Ich danke deshalb an dieser Stelle ganz besonders den Polizistinnen und Polizisten, die auch heute Abend für uns da sind und zum Beispiel die vielen Silvesterfeiern im Land schützen, wie auch den Soldatinnen und Soldaten, die hierzulande oder in den Auslandseinsätzen ihren Dienst für unser Land tun.“Neujahrsansprache von Angela Merkel (CDU), 31. 12. 2017.
„Von der Dankbarkeit, die wir unseren lieben, hochverehrten, heldenhaften, gesegneten und zum Glück stummen Gefallenen schulden, von diesem Hokuspokus bis zum nächsten Krieg ist nur ein Schritt. Was hier gemacht wird, ist Reklame.“
Kurt Tucholsky, „Über wirkungsvollen Pazifismus“, 1927.
Hokuspokus: Weitere Aufrüstung (im europäischen Zusammenhang), die Fortsetzung der Militäreinsätze im Ausland, uneingeschränkte Rüstungsexporte – dies sind die von hier ausgehenden Fluchtursachen für Menschen aus armen Ländern, die keinesfalls das Leben – hier wie dort – sicherer, sozialer, solidarischer oder menschenwürdiger machen.
Die Noch-Kanzlerin beschwört zudem den „Zusammenhalt“, d.h., wer seine Füße stillhält und ißt, was auf den Tisch kommt, der soll sich beruhigen können. Frau Merkel will baldigst für eine ordnungsgemäße Regierung sorgen, die sich um die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes bekümmern will. Wichtig ist dabei für die CDU – wie seit eh und je – der private Ort der Familie, auf den möglichst viele sich beschränken sollen. Dem entspricht mental der „Schutz unserer Außengrenzen“ sowie die Stärkung der Polizei. Soziales ist – gewohntermaßen – an dieser Stelle nicht zu erwarten. Merkel repräsentiert das Dogma, daß durch Innovation, internationale Konkurrenzfähigkeit und Wirtschaftswachstum Arbeitsplätze gesichert und geschaffen würden.
Bedarfsgerechte Sozial-, Kultur-, Gesundheits- und Bildungsaufgaben der öffentlichen Einrichtungen spielen hier eine eindeutig untergeordnete Rolle.
Diese Ansprache für das neu begonnene Jahr war also wiederholt eine reine Beschwörungsrede. Auf die Kanzlerin ist kein Verlaß.
Für Frieden, Soziales, Demokratie, Menschenwürde und kultivierte Lebensfreude müssen wir also selber sorgen. Das lohnt sich und bildet ungemein. Alle können entsprechend entschieden wirken.
Zurück zum Anfang„Und darum geht es beim Nachdenken darüber, wie wir leben und vor allem wie wir zusammenleben wollen, beim Nachdenken also speziell über Gesellschaft und Politik – um Bedeutung, Sinn, Prinzipien, um einen Begriff des Guten und des Richtigen, um eine Reflexion dessen, was wir sind und, mehr noch, was wir sein könnten. Es geht um den Horizont und um das, was dahinter kommt.“
Georg Diez, „Uns fehlen die Träume“ (Essay), „SPIEGEL“ Nr. 2/2018, S. 116-117, hier S. 116.
„Eine eventuelle Koalition soll nach dem Wunsch der Beteiligten Elemente von Veränderung und Modernisierung aufweisen, um sie von ihrer zuletzt zäh laufenden Vorgängerin abzusetzen. (...) In der SPD streben beachtliche Kräfte dennoch danach, eine Regierungsbeteiligung zu vermeiden.“
Peter Carstens, „Sondierung II“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 7.1.’18, S. 1.22
Eigentlich ist die „Realpolitik“ – Merkel-Raute oder TINA, „There is no alternative“ – am Ende.
„Jamaika“ ist zerbröselt, der freie Lindner hat das Weite, mit Nähe zur AfD, gesucht. Die sogenannte GroKo kann mit einer Neuauflage die real existierenden Probleme (Frieden, Soziales, gesellschaftliche Perspektive) nicht lösen. Zu groß sind, bei aller Verwandtschaft, die politischen Differenzen, insbesondere die zwischen SPD und CSU. Die SPD muß sich auf die positiven Elemente ihrer Geschichte (z.B. die Willy-Brandt-Regierung der 1970er Jahre) ernsthaft besinnen, um legitimiert respektive halbwegs souverän wirksam zu sein.
Darauf läßt sich allerdings nicht, schon gar nicht allein, warten. Die Krise verlangt eine kritische Gemeinschaft. Zur sozialen und kulturellen Wirklichkeit gehört das eigene und gemeinsame Wirken.
Das neu gewagte Engagement in Parteien, Gewerkschaften, Bewegungen und Initiativen sowie in der Interessenvertretung; die erweitert unternommene Meinungsbildung in Lektüre, Gesprächen, Diskussionen mit Mut zum Streit; ambitionierte Wahlentscheidungen und das Aufbrechen des Alltagstrotts – all dies steht vermehrt zur Entscheidung: für Alle und zu jeder sich bietenden oder zu schaffenden Gelegenheit. Man gehe dabei lediglich der eigenen und bei anderen zu bemerkenden Unzufriedenheit, aber auch „Sehnsüchten“, kritischen Impulsen sowie heiteren Distanzierungen nach. Die Gesellschaft muß besser werden, die Nebel und fahlen Inszenierungen einer vermeintlich schönen Welt sollen weichen. Wir haben es in der Hand. Wir können daran arbeiten. Erste Schritte zeigen das Wachsen von Möglichkeiten. Auch „Visionen“ können dabei hilfreich sein. Wer dem nachgeht, ist kein „Spinner“! Das sei ebenso bedacht bei allen Wahlen.
Zurück zum Anfang„Die Möglichkeit ist nicht die Wirklichkeit, doch auch sie ist eine Wirklichkeit: daß der Mensch eine Sache tun oder lassen kann, hat seine Bedeutung, um zu bewerten, was wirklich getan wird. Möglichkeit bedeutet »Freiheit«. Das Maß der Freiheit geht in den Begriff des Menschen ein. Daß es objektive Möglichkeiten gibt, nicht Hungers zu sterben, und daß dabei Hungers gestorben wird, hat anscheinend seine Bedeutung.“
Antonio Gramsci, „ Gefängnishefte“, Heft 10 (1932-1935), „§ 48 Einführung in das Studium der Philosophie“.
„Montgomery lehnt einen obligatorischen Alterstest grundsätzlich ab
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sieht das jedoch ganz anders: »Die Untersuchungen sind aufwendig, teuer und mit großen Unsicherheiten belastet«, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Dabei könnten weder medizinische noch psychologische Verfahren den Geburtstag juristisch sicher bestimmen. Montgomery lehnt einen obligatorischen Alterstest grundsätzlich ab. »Wenn man das bei jedem Flüchtling täte, wäre das ein Eingriff in das Menschenwohl«, sagte er: »Röntgen ohne medizinische Indikation ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.« Nach den Regeln des Strahlenschutzes sei es nur im Rahmen eines Strafprozesses zulässig, das Alter medizinisch zu überprüfen. In Kandel, zum Beispiel, könnte der Afghane nun zu Recht untersucht werden — schließlich stehe er unter Verdacht. Zuletzt hatte die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer Ende 2016 angezweifelt, dass ärztliche Altersfeststellungen wirklich zuverlässig und verfassungsgemäß sind. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder kritische Ärztetagsbeschlüsse, erstmals im Jahr 1995.“Kristiana Ludwig, „Bundesärztekammer lehnt systematische Alterstests für Asylbewerber ab“, „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“), 2.1.2017.
Die Weltgesundheitsorganisation (englisch: World Health Organization, WHO) ist die Koordinationsbehörde der Vereinten Nationen für das internationale öffentliche Gesundheitswesen.
Die Gesundheit wird in der Verfassung der WHO definiert als einen „Zustand von vollständigem physischen, geistigen und sozialen Wohlbefinden, der sich nicht nur durch die Abwesenheit von Krankheit oder Behinderung auszeichnet“. Darüber hinaus ist angestrebt, allen Menschen ein sozial und wirtschaftlich produktives Leben zu ermöglichen. Dies ist ein positiver und anspruchsvoller Gesundheitsbegriff, der über die Abwesenheit von Krankheit, Not und Elend hinausgeht und jegliche Kommerzialität der medizinischen Systeme bei weitem übersteigt.
In diesem Zusammenhang gilt ebenso das ärztliche Prinzip primum non nocere (zuallererst nicht schaden) sowie das juristische Prinzip in dubio pro reo (im Zweifel für den Angeklagten), der rechtsstaatliche Grundsatz nullum crimen, nulla poena sine lege (kein Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz), ebenso der Datenschutz, die körperliche Unversehrtheit und, nicht zuletzt, Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Dessen ungeachtet fordern Politiker des konservativen Lagers – selbstverständlich inklusive der „Bild-Zeitung“ – das generelle Vermessen von Asylbewerberinnen und -bewerbern.
Schon jetzt werden diese Menschen seit einigen Jahren in den Bundesländern Hamburg und Berlin immer wieder zu entwürdigenden Untersuchungen in die jeweilige Universitätsklinik geschickt. Dort werden nicht nur die Hände geröntgt, sondern auch Brust und Geschlechtsteile gemessen sowie Gewicht, Größe und Zähne quantitativ bestimmt. Diese unwürdige Praxis betrifft also auch das Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf. Eine solche ethisch fragwürdige Handlungsweise bedarf der näheren Untersuchung, der kritischen Beurteilung bzw. Veränderung.
Zurück zum Anfang„Doch auch so, mit einem »Einstieg« in eine Einheitsversorgung im Gesundheitswesen, mit einem weiteren Schritt weg von der »Agenda 2010« und mit Lockerungen in der Flüchtlingspolitik, fragt es sich, wie es der SPD gelingen soll, ein »Weiter so« auszuschließen, indem sie weiter so regiert wie bisher.“
Jasper von Altenbockum, „Zwergen-SPD“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 22.1.’18, Leitkommentar S.1.
„Wenn die Kaufleute minderwertige Waren verkaufen und hohe Preise verlangen können; wenn man die Besitzlosen dazu zwingen kann, für wenig hart [Hartz] zu arbeiten; wenn man die Erfindungen mit Gewinn von den Menschen abhalten kann; wenn man die Familienmitglieder in Abhängigkeit halten kann; wenn man durch Gewalt etwas erreichen kann; wenn Betrug nützt; wenn Findigkeit Vorteile bringt; wenn Gerechtigkeit Nachteile verursacht – dann ist man egoistisch. Wenn man keinen Egoismus haben will, dann muß man nicht gegen ihn reden, sondern einen Zustand schaffen, wo er unnötig ist.“
Bertolt Brecht, „Me-ti, Buch der Wendungen“, „Über den Egoismus“, entstanden im Exil der 1930er Jahre.
Einen Zustand schaffen, wo Egoismus unnötig ist? Der knappe Ausgang des SPD-Parteitages für die Aufnahme von GroKo-Verhandlungen macht die starke Widersprüchlichkeit der politischen Lage deutlich: Die gesellschaftlichen Kräfte – auch in der SPD –, den Neoliberalismus mitsamt seiner antisozialen Politik, der umfassenden Krisenhaftigkeit und Kriegspolitik zu verlassen, sind noch nicht reif genug gediehen. Höhere Steuern bei den Reichen für die bedarfsgerechte Entwicklung der öffentlichen Einrichtungen (Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur und Infrastruktur), die Beendigung der Kriegseinsätze, der Stopp von Rüstungsexporten, die Schaffung sinnvoller Arbeit und tariflicher Bezahlung, die volle Wiederherstellung des Asylrechts, die Opposition gegen Lügen und Vorurteile, der Ausbau der betrieblichen und institutionellen Mitbestimmung, allgemein: die Verbesserung des gesellschaftlichen menschlichen Lebens – all das steht gleichwohl auf der sozialen Tagesordnung. – Trotz AfD und alledem.
Ähnliches gilt auch für die Verfaßte Studierendenschaft sowie die Akademische Selbstverwaltung: Die konsequente Fortsetzung der Studienreform, die bedarfsgerechte Finanzierung (nicht nur) der Hochschulen, gesellschaftlich verantwortliche Wissenschaften sowie der Ausbau demokratischer Teilhabe klopfen energisch an die Tür.
Nach den Ergebnissen der StuPa-Wahl sind diese Aufgaben nicht leichter geworden, stehen aber drängend auf der zu verwirklichenden Agenda.
CampusGrün ist nach wie vor die stärkste Gruppierung, hat aber an den Fake „Die Grünen“ einen Sitz verloren. Die „Juso-Hochschulgruppe“ konnte durch den Anschein, sie sei gegen die GroKo, etwas hinzugewinnen. Die vermeintliche „CampusLINKE“ (ohne Praxis, mit unwichtigen konservativen Forderungen) hat mit zwei Sitzen den eigentlichen Hochschulgruppen Der LINKEN (SDS* und Liste Links) einen Sitz genommen, womit allerdings die linke Seite im Parlament nominell hinzugewonnen hat.
Die rechten Gruppierungen („Bier und Glühwein...“, RCDS und LHG) haben verloren. Das Mittelfeld (mit vielen unernsten Listen) bleibt unübersichtlich bzw. wenig politisch oder perspektivreich. Programmatische Bewegung ist hier sicher sinnvoll.
Die erforderlichen Aufgaben (s.o.) – nicht zuletzt durch die bisherige AStA-Arbeit – sind gesetzt. Ein neuer AStA kann so gebildet werden. Die Herausforderung ist stark vorhanden.
(in Klammern die Veränderung zum Vorjahr)
Liste | Sitze | Prozent | Stimmen | |||
---|---|---|---|---|---|---|
Wahlbeteiligung: | 14,4% | (+0,4) | 6122 | (+237) | ||
Liste LINKS | 2 | (±0) | 4,1% | (-1,1%) | 254 | (-52) |
harte zeiten | 1 | (±0) | 2,1% | (-0,3%) | 127 | (-15) |
SDS* | 3 | (-1) | 5,9% | (-1,5%) | 358 | (-75) |
CampusGrün | 10 | (-1) | 20,5% | (-3,2%) | 1253 | (-139) |
Studium & Job | 0 | (n.a.) | 0,3% | (n.a.) | 21 | (n.a.) |
Campus Cannabis | 1 | (±0) | 1,8% | (±0) | 110 | (+4) |
Alternative Linke | 1 | (-1) | 2,0% | (-2,8%) | 119 | (-159) |
UKEler vereint | 3 | (-1) | 7,2% | (-0,8%) | 443 | (-27) |
Juso | 4 | (+1) | 8,5% | (+1,9%) | 522 | (+132) |
„Die Grünen“ | 1 | (n.a.) | 1,9% | (n.a.) | 118 | (n.a.) |
„Campuslinke“ | 2 | (n.a.) | 4,3% | (n.a.) | 262 | (n.a.) |
Schöne Zeiten | 2 | (n.a.) | 4,6% | (n.a.) | 278 | (n.a.) |
Unicorns | 3 | (-1) | 6,8% | (-1,1%) | 413 | (-46) |
Alle Leute | 0 | (n.a.) | 0,5% | (n.a.) | 33 | (n.a.) |
Jura-Liste | 1 | (±0) | 1,8% | (+0,2%) | 108 | (+17) |
Die Liste | 2 | (±0) | 4,8% | (-0,5%) | 291 | (-18) |
Liberale HG | 1 | (±0) | 1,9% | (-1,2%) | 118 | (-66) |
WiWi-Liste | 3 | (+1) | 5,5% | (+1,3%) | 338 | (+89) |
MIN-Liste | 3 | (±0) | 6,4% | +0,5% | 392 | (+45) |
RCDS/CDU | 4 | (±0) | 8,2% | (-0,6%) | 504 | (-17) |
Bier & Glühwein | 0 | (-1) | 0,9% | (-0,7%) | 54 | (-38) |
n.a. = im letzten Jahr nicht angetreten
„Grundsätzliche Kritik an Deutschlands Rolle als Exportweltmeister ist hierzulande eher selten. Da mögen ein paar Ökonomen, vorzugsweise aus anderen Ländern, die Ungleichgewichte im Welthandel kritisieren oder zu mehr Binnenkonsum auffordern. Die meisten Bundesbürger stört es nicht, dass in China deutsche Autos fahren, tschechisches Bier ausschließlich durch deutsche Abfüllanlagen fließt oder der amerikanische Präsident über unfaire Handelspartner klagt. Sie genießen Wohlstand und Prestige. Für eine Branche gilt das Wohlwollen nicht. In Bezug auf die Rüstungsindustrie ist von Export-»Erfolg « nie die Rede, im Gegenteil.“
Ralph Bollmann, „Die Waffen und das Geld“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 28.1.2017, S. 20.
„Die Türkei hat angekündigt, sie plane, ihren Feldzug gegen kurdische Freischärler in Syrien bis an die irakische Grenze auszudehnen.“
Michael Martens/Lorenz Hemicker, „Erdogan kündigt Ausweitung der Offensive in Syrien an“. „Frankfurter Allgemeine Zeitung („FAZ“), 27.1.2018, S. 6.
„Ziele der Universitätsentwicklung:
Geleitet von diesem Bild einer weltoffenen, wissenschaftlich leistungsfähigen Universität setzt sich die Universität Hamburg die · Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft für eine friedliche und menschenwürdige Welt, · Zusammenarbeit mit der Stadt und der Region, · fächerübergreifende Kooperation zur Entfaltung der wissenschaftlichen Potentiale, · höchstmögliche Qualität der Aufgabenerfüllung, · individuelle und korporative Verantwortlichkeit und · Offenheit des Zugangs zu Bildung und Wissenschaft als Ziele ihrer künftigen Entwicklung.“Leitbild der Universität Hamburg (1998).
„Deutsche Waffen, deutsches Geld...“
Einst hat Bundespräsident Horst Köhler dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen im Flugzeug vor laufender Kamera die „Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesrepublik Deutschland“ erklärt: Die Existenz und der Einsatz der Bundeswehr dienen der „Sicherung“ von Rohstoffquellen, Absatzmärkten und Handelswegen. So schlicht, so klar. (Hinzu kommt noch die Stützung genehmer Regierungen, sie dürfen auch eindeutig undemokratisch sein.)
Denselben Zwecken, nebst guter, gesicherter Gewinne durch den Verkauf meist an Staaten, dient auch die Ausfuhr von Rüstungsgütern in NATO-Länder. Der Export in „Krisengebiete“ und an Staaten, die nicht der NATO angehören, sind zwar durch das „Außenwirtschaftsgesetz“ sowie durch das „Kriegswaffenkontrollgesetz“ geregelt, werden aber lax gehandhabt (siehe z.B. Saudi-Arabien).
Politik und Ökonomie geben sich hier die feuchten Hände. Krieg, Zerstörung, Elend, Vertreibung, die starke Behinderung demokratischer Prozesse und internationaler Kooperation sind die Folge.
Die humane und zivile Alternative besteht in der Beendigung von Kriegen bzw. Auslandseinsätzen der Bundeswehr – von der Mehrheit der Bevölkerung so gewollt –, dem Stopp von Rüstungsexporten, der zivilen Konfliktregulierung, einer entsprechenden Konversion der Rüstungsindustrie, dem Schuldenerlaß gegenüber den armen Ländern der Welt, einer echten und nützlichen Entwicklungshilfe, der Wiederherstellung des Asylrechtes sowie der Rekonstruktion des hiesigen Sozialstaates.
Diese positive politische Agenda betrifft Alle und kann von Allen unternommen werden.
Nicht zuletzt die Wissenschaften haben somit die gemeinsame Aufgabe, alles Erdenkliche für den Frieden zu tun.
Zurück zum Anfang„Wenn der Krieg beginnt
Werden eure Brüder sich vielleicht verändern
Daß ihre Gesichter nicht mehr kenntlich sind.
Aber ihr sollt gleichbleiben.Sie werden in den Krieg gehen, nicht
Wie zu einer Schlächterei, sondern
Wie zu einem ernsten Werk. Alles
Werden sie vergessen haben.
Aber ihr sollt nichts vergessen haben.Man wird euch Branntwein in den Hals gießen
Wie allen andern.
Aber ihr sollt nüchtern bleiben.“Bertolt Brecht, Svendborger Gedichte 1939.
„Der 68er ist ganz schön praktisch. Zumindest für die eher zum Konservativen Neigenden unter uns. Egal was schiefläuft, der 68er ist schuld. Ob an Heimatverlust, osteuropäischen Banden, flächenweit mangelndem Patriotismus oder, noch schlimmer, Gleichstellung der Frau. Und irgendwie auch an so komplizierten Dingen wie der ›Geldmengeneskalation‹ der Europäischen Zentralbank, also dem Nullzins. (...)
Das wirkt dann eher wie ein ziemlich dreister konservativer Versuch der Geschichtsumdeutung.
In Wahrheit liegt das Gros der tieferen Probleme heute ja weniger bei den Langhaarigen von anno dazumal, sondern im Gegenteil in den Spätfolgen jener konservativen Wende, mit der die Hippiegarde um Ronald Reagan, Margaret Thatcher und Helmut Kohl in den frühen Achtzigern die Ära vom Glauben an heilige Marktkräfte und das Durchsickern des großen Geldes hin zu den Armen einleiteten – samt späterem Kontrollverlust und Heimatkrise. Dann hilft gegen unsere Probleme aber auch nicht, jetzt den nächsten konservativen Unsinn noch draufzulegen. Geschichtsgott, hilf!“Thomas Fricke, „Das Märchen vom bösen 68er“, „SPIEGELONLINE“, 26.1.’18.
„Die Unterdrücker arbeiten nicht zu allen Zeiten auf die gleiche Art. Sie können nicht zu allen Zeiten in der gleichen Weise dingfest gemacht werden. Es gibt so viele Methoden, sich der Vernehmung zu entziehen. Ihre Heerstraßen taufen sie Autostraßen. Ihre Tanks sind bemalt, daß sie wie die Büsche des Macduff [Figur aus Shakespeares „Macbeth“] aussehen. Ihre Agenten zeigen Schwielen an den Händen vor, als wären sie Arbeiter. Nein, den Jäger in das Wild zu verwandeln, braucht Erfindung.“
Bertolt Brecht, „Volkstümlichkeit oder Realismus“, 1938.
Seit langem ist eigentlich die historische Tatsache ins gesellschaftliche Bewußtsein eingegangen und anerkannt, daß die internationale Bewegung von 1968 in den europäischen Ländern sowie den USA – gegen den Vietnamkrieg, konservative Erstarrung bzw. Nazismus, für Frieden, Gerechtigkeit, die soziale Öffnung des Bildungssystems, kulturelle Liberalisierungen und Demokratisierungen der Gesellschaft in Kontroverse zu autoritär erstarrten Verhältnissen – zu den positiven Phasen der Zivilisationsentwicklung gehört, deren Errungenschaften und Erbe auch aktuell von Bedeutung sind.
Damit „so etwas“ nicht etwa wieder drohe bzw. der Neoliberalismus gerettet werden kann, wird 68 von der (bis extrem) konservativen Seite des politischen und medialen Spektrums zum Sündenbock für alles Üble, was uns die letzten Jahrzehnte der brutalen Kommerzialisierung des sozio-kulturellen Lebens eingebrockt haben, erklärt. Darin spiegelt sich nicht die geschichtliche Realität, sondern die Angst der Verstockten vor einem neuen gesellschaftlichen Aufbruch, vor sozialer Progression, dem Auflösen der Nebelschwaden, vor einer anspruchsvolleren Mehrheit der Bevölkerung.
Alt daran ist, daß Aufklärung, Opposition, Widerstand, d.h. mündig assoziierte Menschen, das schlecht Gegebene in Frage stellen und im Interesse und Sinne des Allgemeinwohls zu verändern drohen. Deswegen werden entsprechende historische Erfahrungen geradezu dämonisiert.
Neu daran ist die Heftigkeit, mit der das geschieht. Dadurch wird deutlich, wie sehr das Ungenügende nicht bleiben kann. Frieden, internationale Solidarität, soziale Gerechtigkeit, eine aktive Demokratie, Aufklärung, das Verlassen der Privatheit, Fairneß, Lebensfreude und Emanzipation stehen neu auf der Agenda. Die Bewegung findet statt.
Zurück zum Anfang„Auf dieser Regierung liegt ein Fluch
Nicht jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Manchmal wohnt da nur das Grauen. Erst sprengt sich die Jamaika-Gruppe in die Luft. Jetzt zerfetzt es die SPD. Der Weg zu Angela Merkels viertem Kabinett ist nicht mit Rosen bestreut, sondern mit Minen bestückt. Wer das immer noch alles für einen Zufall hält, dem ist nicht zu helfen. Man möchte fast sagen: auf dieser Regierung liegt ein Fluch. (...)
Die beste Lösung wären jetzt Neuwahlen – ohne Angela Merkel. Sie böten SPD und Union die Chance für die dringend notd wendige Zäsur, die Rückbesinnung auf die eigene Identität. Alle Beobachter sind sich darin einig, dass vor allem die SPD eine solche Rückbesinnung dringend braucht.
Uneinig sind sie sich nur, ob das innerhalb oder außerhalb der Regierung zu machen sei. Spätestens das Chaos der vergangenen Tage gibt die Antwort: die Macht verändert alles, ihren Mechanismen entkommt man nicht, es bleibt da kein Raum mehr für Seelensuche – fragt mal Schulz und Scholz und Gabriel. Wer die SPD zur gleichen Zeit in die Regierung drängt und ihr die Pflicht zur Selbstsuche auferlegen will, wie das in den vergangenen Wochen vor allem die „Süddeutsche Zeitung“ unermüdlich getan hat, verlangt das Unmögliche.“Jakob Augstein, „Bitte keine GruselKo!“, „SPIEGELONLINE“, 12.2.’18.
„Eine Partei, die neben dem Glauben an die Gesetze auch den Adel verwerfen würde, hätte sofort das ganze Volk hinter sich, aber eine solche Partei kann nicht entstehn, weil den Adel niemand zu verwerfen wagt.“
Franz Kafka, „Zur Frage der Gesetze“, 1920.
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD verheißt wesentlich nichts Gutes: Die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die militärische Aufrüstung Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), entsprechendes auslands- und rüstungspolitisches Zusammenwirken in der EU, die Politik der „Agenda 2010/Hartz IV“, die mögliche Privatisierung der Autobahnen über „public-private-partnership“, die Steuerbegünstigungen für die Reichen der Republik – das alles wird nicht im geringsten in Frage gestellt. Hinzu kommt noch das Bekenntnis unseres ins Bundesfinanzministerium forteilenden Bürgermeisters:
„SPIEGEL: Die SPD soll künftig das Finanzministerium besetzen. Ist die schwarze Null, auf die Wolfgang Schäuble immer pochte, auch für ihre Partei unantastbar? Scholz: Ja, das gilt auch für uns. Die Sozialdemokraten stehen für solide Finanzen. Mit einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik steigen auch die finanziellen Spielräume.“ „SPIEGEL-Gespräch“, Nr. 7/2018, S. 14.
Damit ist klar, daß sich die SPD dem konservativen Lager unterordnet, das mit dem „Heimat“-Anteil im Innenministerium für Horst Seehofer (CSU) gleichzeitig der AfD ein Geschenk macht.
Dagegen bzw. für eine positive Wende in der Gesellschaft hilft nur eins – selbst aktiv zu werden: In der souveränen Meinungsbildung, im alltäglichen Gespräch (oh Wunder!), in einigen Parteien, in Gewerkschaften, Bewegungen, Initiativen, der Interessenvertretung, politischen Veranstaltungen, Aktivitäten sowie in der Veränderung der Alltagskultur.
Die Politik, d.h. die Gestaltung der Gesellschaft, hin auf menschenwürdige Bedingungen und Möglichkeiten, ist nicht einigen wenigen – meist überforderten – Leuten zu überlassen, die sich für repräsentativ halten. Demokratische, soziale, kulturelle und friedenspolitische Veränderungen gelingen am besten dann, wenn sie von der – tendenziellen – Mehrheit für wirkliche Mehrheit ambitioniert und gemeinschaftlich unternommen werden. Das geht einher mit einer Politisierung des sozialen Alltags, der Kultivierung der Gesellschaft, dem Hinaustreten aus der aufreibenden Langeweile bzw. Bedeutungslosigkeit und der Entwicklung mündiger Persönlichkeiten. So können der „Adel und seine Gesetze“ in Frage gestellt werden – für ein gelingendes Leben.
Zurück zum Anfang„Politik: Das sollte das Gegenteil von Heimatverwaltung sein. Nicht, weil sie das alles ignoriert oder geringschätzt. Weder den Butterkuchen zur Konfirmation noch den Maibaum, weder das Zuckerfest noch die Mikwe oder den Karneval. Sondern weil das Privileg der Demokratie die gemeinsame Zukunft ist und nicht die private Vergangenheit. Weil es nicht darauf ankommen soll, woher du kommst, sondern darauf, wohin du willst. Und nicht nur darauf, wer du sein willst, sondern vor allem: in welchen Verhältnissen du leben willst. Heimat ist, was man sich nicht aussuchen konnte. Die schöne und bedrückende Gemütlichkeit, die einfache oder auch unglücklich komplizierte Vergangenheit, die sich in der Erinnerung amalgamiert, zu etwas, von dem man erzählen, aber mit dem man nicht argumentieren kann. Das Gegenteil von Politik. (...) Es ist aber mehr, auch mehr als ein grober Unfug; vor allem ist es eine Fahrlässigkeit: indem es einen patriarchalen Gestus pflegt, eine Art Tröstung suggeriert, die an das Gemüt appelliert und den Bürger zum Kinde macht.“
Elke Schmitter, „Heimat“, „SPIEGEL“ Nr. 8/2018, S. 117.
„Friede auf unserer Erde!
Friede auf unserem Feld!
Daß es auch immer gehöre
Dem, der es gut bestellt!“Bertolt Brecht, „Friedenslied“ (nach Pablo Neruda, erste Strophe), Gedichte 1949-1953.
Horst Seehofer (CSU), der mögliche Bundesminister für Inneres, Bauen und „Heimat“ einer künftigen GroKo, hat sicher nichts gegen die sogenannte Globalisierung, wenn es um gute Geschäfte hiesiger, besonders bayerischer, Unternehmen geht; gewiß auch nichts gegen Rüstungsgeschäfte, Kriegseinsätze des heimatlichen Militärs und miese soziale und Arbeitsbedingungen in den Ländern, wo geschossen, gehungert und gelitten wird. Allerdings wenn die Menschen in den so betroffenen Ländern und Gebieten es wagen, hierher zu kommen, dann brauchen wir eine „Obergrenze“ gegen die „Ausländerflut“ und müssen uns vor „Überfremdung“, gierigen bärtigen Männern (unsere Frauen!), der Überlastung unserer Sozialsysteme und der unziemlichen Störung der „German Gemutlichkeit“ (internationales Wort) schützen.
Schließlich braucht die CSU ihre eigene Duftnote – der Phantasie sei keine Grenze gesetzt –, sind am 14. Oktober Wahlen in Bayern, und die CSU wollte schon immer das politisch integrieren (diesmal die rechtsextreme AfD), was rechts von ihr steht (das ist nicht leicht, aber möglich). Deshalb bilden die biedere, engstirnige, gestrige, anti-politische (s.o.), untertanengerechte, muffige und erzkatholische (schon gebeichtet?) „Heimat“ auf der einen und die vorurteilsbeladene, autoritäre, hierarchiebildende und menschenunwürdige Ausländerfeindlichkeit auf der anderen Seite eine ideologisch schlagende Einheit.
Mit Frieden, Freiheit, sozialer Gerechtigkeit, demokratischer Aufgeschlossenheit, internationaler Solidarität, einem positiven Entwicklungsverständnis sowie einem aufgeklärten Menschenbild hat diese hinterwäldlerische Trachtenpropaganda nichts und rein gar nichts zu tun.
Mit dieser emotionsgeladenen Einengung sollen wieder einmal die berechtigten sozialen Ansprüche für die positive Entwicklung der Gesellschaft(en) auf die selbst gekochte Marmelade reduziert werden. „Mir san mir“ ist viel zu klein für die produktive Bewältigung der Probleme und Aufgaben. Da hat die Welt schon Besseres gesehen und erlebt.
Zurück zum Anfang„Diese Elite. Das sind doch nicht irgendwelche Beamten in zu glänzenden Anzügen, keine Journalisten, die es nicht zum Erfinder brachten, keine unterbezahlten Künstler oder Wissenschaftler. Die Elite besteht aus den Angehörigen der zwei Prozent, denen nicht einsichtig ist, wozu ein Staat benötigt wird, weil sie an sich und ihre Arbeit glauben, an ihr Erbe, an ihre Überlegenheit. Das würden wir vielleicht auch tun, hätten wir Ikea erfunden.
Es gab nie eine Gleichheit aller. Es gibt nur ein paar utopische Ideen der Fürsorge und den Gedanken, dass auch das Mittelmaß und jene, die am Rande der Gesellschaft leben oder die auffallen durch ihr unnormiertes Sein, unbehelligt menschenwürdig leben können. Es ist gerade in Mode, alles, was irgendwie links ist, lächerlich zu machen. Die Häme ist der neue Ausdruck ungezügelter Menschenfeindlichkeit geworden. (...) Daran erkennt man doch Menschlichkeit, daran erkennt man doch eine Entwicklung. Eine Verbesserung für alle, denen es nicht langt, Ikea zu erfinden oder Apple oder einen Stahlkonzern zu erben. Was ist falsch daran, zu hoffen, dass die Anzahl der Toleranten steigt, jener, die nicht hungern und frieren, die sich bilden?“Sibylle Berg, „Endlich sind wir wieder wer“, „SPIEGELONLINE“, 24.2.’18.
„Hände küssen, Hüte rücken,
Knie beugen, Häupter bücken,
Kind, das ist nur Gaukelei,
Denn das Herz denkt nichts dabei!“Heinrich Heine, Gedichte 1844-1851.
Zynismus ist die letzte Notwehr der Bedrängten. Die bedrängten reichsten Nutznießer der politischen Kapitalbegünstigung sowie ihre politischen und medialen Erfüllungsgehilfen werden von der gesellschaftlichen Realität der sozialen Ungleichheit, der Regierungskrise, dem wachsenden Unmut in der Bevölkerung, kritischen Aktivitäten, den gewollten Verbesserungen einerseits und den zunehmenden Problemen andererseits, die auf die herkömmliche Art und Weise schon lange nicht mehr bewältigt werden können, in Frage gestellt.
Wenn die dreisten Beschönigungen des vermeidbaren bzw. änderungswürdigen Elends nicht mehr ausreichen, wird die Alternative – auch solche der Vergangenheit, z.B. „68“ – herabgewürdigt, als „versponnen“, „gestrig“, „unrealistisch“ bezeichnet oder gar als schuldig an allen gegenwärtigen Übeln denunziert. Wer für den Frieden (wirklich: kein Krieg, keine Rüstungsexporte, ziviler Umbau der Rüstungsindustrie, keine Bundeswehrwerbung an den Schulen, rein zivile Forschung und Entwicklung), die Rekonstruktion des Sozialstaates, den Ausbau der betrieblichen sowie institutionellen Mitbestimmung, sinnvolle Arbeit bei Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohn- und Personalausgleich, für Bildung, Gesundheit und Kultur für Alle – durch die Lösung der „Schuldenbremse“ – sowie nachdrücklich für Steuergerechtigkeit und für ein aufgeklärtes Menschenbild, auch für die Wiederherstellung des Asylrechts eintritt, wird von den Genannten zum marginalen Außenseiter, „Gutmenschen“ – was soll daran schlecht sein? – abgestempelt.
Diese häßliche und geistig hilflose Gegenwehr zeigt allerdings an, wie sehr das Gute, die Verbesserung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen, auf der Tagesordnung steht. Lassen wir uns nicht beirren und fortgesetzt dafür wirken. Mitstreiter, positive Wirkungen und mehr Lebensfreude werden sich so herausbilden. Jeder Anfang ist eine Eröffnung.
Zurück zum Anfang„Was die Wahl in Italien und die Entscheidung der SPD-Mitglieder über Ja oder Nein zur Koalition mit der CDU/CSU verbindet, das ist die Frage danach, warum die Kräfte der linken Mitte nicht in der Lage sind, ihre Geschichte, ihre Gegenwart und vor allem ihre Probleme klar zu sehen und daraus die Konsequenzen zu ziehen. Oder, anders gesagt, warum sie die Angst vor dem eigenen Abstieg immer mehr zu Antworten treibt, die diesen Abstieg noch befördern, weil sich diese Parteien, die SPD wie die PD von Matteo Renzi, von ihrem eigentlichen Sinn und Zweck entfernen, eine emanzipatorische und gerechte Politik zu erfinden für den digitalen Kapitalismus des 21. Jahrhunderts, im Idealfall für alle Menschen. (...) Was gerade geschieht, ist eine grundsätzliche Neusortierung des Parteienspektrums, und die wird auch noch eine Weile anhalten. Was viele so unsicher macht, ist der Umstand, dass sie das spüren, aber nicht weit genug nach vorne blicken können, um zu sehen, was kommt. Oder, mit einem bekannten Zitat des wieder sehr aktuellen Antonio Gramsci: »Die Krise besteht gerade in der Tatsache, dass das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann.«“
Georg Diez, SPD-Mitgliederentscheid/„Das leere Spektakel“, „SPIEGEL-ONLINE“, 4.3.’18.
„Über die Winde wundere ich mich nicht, aber über die Windstillen.“ (1642)
Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft J, 1789-1793.
„Man muß etwas Neues machen, um etwas Neues zu sehen.“ (1770)
Derselbe, ebenda.
Die öffentliche Verkündigung des nominell eindeutigen Abstimmungsergebnisses der SPD über die Beteiligung an einer Regierungskoalition mit der CDU/CSU auf Bundesebene glich eher einer Trauerveranstaltung als einer Jubelfeier. Nicht einmal eine Art von Erleichterung brach sich Bahn. Hier kamen deutlich Resignation bzw. das Sich-Fügen in das vermeintlich Unvermeidbare, die Angst vor Neuwahlen – und dem möglichen schlechten Ergebnis sowie dem schlechten Stimmenverhältnis zur AfD –, aber ebenso ein (noch) zurückgehaltener Unmut der Mitgliedschaft über die institutionelle Anpassung der verantwortlichen Parteileitung zum Ausdruck.
Eigentlich bedürften die Gesellschaft – Stadt, Land, die Allgemeinheit, die SPD und die Mehrheit der Menschen –, das soziale, politische und kulturelle Leben einer entschiedenen Abkehr vom Neoliberalismus, der „marktkonformen Demokratie“ (die keine ist), der Kriegspolitik, dem „Weiter so!“ oder dem Tina-Prinzip („There is no alternative“).
Eine bessere Politik wird mit und in einer Fortsetzung der „GroKo“ kaum gelingen. Gleichfalls ist eine Rekonstruktion des tatsächlich Sozialdemokratischen in einer solchen Einbindung nur sehr schwer möglich. Die Mitglieder der SPD müssen schon erhebliches Engagement aufbringen, um einen positiven Wandel unter diesen Bedingungen zu erwirken.
Darüber hinaus ist von gewachsener Bedeutung, daß sich – in einigen anderen Parteien, Gewerkschaften, Bewegungen, in der Interessenvertretung, in Kultur und Wissenschaft – immer mehr Menschen für die wachsende Wiederherstellung des Allgemeinwohls engagieren. Für Frieden und zivile Entwicklung, internationale Solidarität, ein rationales Verhältnis zur Natur, sinnvolle Arbeit, die Aktivierung demokratischer Teilhabe, die Vitalisierung der Mitbestimmung sowie die Kultivierung des Alltags und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Alle sind gefordert und haben Bedeutung. Jeder Schritt zu jeder Gelegenheit ist ein richtiger Anfang. Die Freude mag dabei nicht zu kurz kommen. Die Schaffung menschenwürdiger Bedingungen bildet mündige Persönlichkeiten.
Zurück zum Anfang„Am Donnerstag [15.3.‚18] geht es endlich an die normale Parlamentsarbeit. Dann steht die Verlängerung von fünf Bundeswehreinsätzen an, im Irak [!], in Afghanistan, Südsudan, Darfur und im Mittelmeer. Die Zeit drängt, denn die Mandate laufen Ende des Monats aus.“
Frank Pergande, „Frühling in Berlin“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („ FAS“), 11.3.‘18, S. 1.
„In wenigen Wochen ist das 50. Jubiläum des Mai 1968, und es kann einem zu recht grausen vor den Dämonisierungen wie vor den zu erwartenden Interviews mit Langhans und Co. Aber den Übermut jener Zeit, den könnte man ruhig wieder aktivieren. »Fantasie an die Macht« war ein ziemlich guter Zauberspruch, und er trug auch weit. Klassenräume ohne prügelnde Lehrer, dass Adel, Klerus und Militär keine Furcht mehr einflößen und Frauen an anderes denken dürfen als an die Reinheit von Gardinen – solche Dinge waren auch mal nichts als Lufttaxis.“
Nils Minkmar, „Mehr Lufttaxi wagen“, „SPIEGEL“ Nr. 11/2018, S. 119.
„Das bismarcksche Kaiserreich ist ein Militärstaat gewesen kraft eines natürlichen Schicksals. Es ist auf dem Schlachtfeld geboren, und es setzte damit nur die alte brandenburgisch-preußische Tradition fort, deren Entwicklung nicht friedliche Politik bestimmt hat, sondern der Krieg. Die deutsche Republik aber ist aus einem entgegengesetzten Prinzip heraus entstanden. Sie ist nämlich das Produkt eines verlorenen Krieges. Sie ist errichtet auf den Trümmern eines Systems, das mitten in einer kaum zu bewältigenden Aufgabe zusammengebrochen war. Die Republik muß also, wenn sie leben will, diesem entgegengesetzten Prinzip Rechnung tragen.“
Carl von Ossietzky, „Gedanken eines Zivilisten“, „Weltbühne“, 16.2.1932.
Die „FAS“ („Zeitung für Deutschland“) titelt konservativ realpolitisch und militärisch; Nils Minkmar plädiert im „SPIEGEL“ für den Mut zu Kreativität, Aufbruch und Alternative; Carl von Ossietzky (Namensgeber der Staats- und Universitätsbibliothek/StaBi) weist nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) und kurz vor dem Zweiten Weltkrieg (1938/1939-1945) nachdrücklich auf die zwingende Einheit von prinzipieller Zivilität und Republik hin.
Sind Nationalisten Realisten und Pazifisten – mit Verlaub –: Spinner, untauglich für den Wettbewerb?
Nach 1945, infolge der Befreiung von Diktatur und Krieg, stand neben der Entnazifizierung, der Demokratisierung und der Ent-Monopolisierung die Entmilitarisierung auf der Agenda einer neuen Gesellschaftsordnung – also: kein Armee, keine Rüstungsproduktion und somit auch keine Rüstungsexporte und keine Auslandseinsätze. Mit der politischen und ökonomischen Westanbindung, der (umstrittenen) Re-Militarisierung und Wiederaufnahme der Rüstungsproduktion in den 1950er Jahren wurden diese positiven Nachkriegsgebote jedoch unterlaufen.
Immerhin aber waren Einsätze der Bundeswehr, welche die reine Verteidigungsfunktion überschreiten, laut Grundgesetz verboten. Es galt die „Wehrdienstpflicht“, aber die Möglichkeit der „Wehrdienstverweigerung“ war grundgesetzlich garantiert.
Mit den 1990er Jahren wurde nicht nur von Bush Senior eine „Neue Weltordnung“ ausgerufen und weltweit die Militäreinsätze erhöht, sondern auch in der Bundesrepublik Deutschland der Armee der Zweck einer Interventionstruppe zur Sicherung von Rohstoffen, Märkten und Verkehrswegen gegeben. Diese negative Umwandlung hat bis heute Gültigkeit und wird weiter fortgesetzt – im europäischen Verbund sowie mit weiterer Aufrüstung. Dies ist gemeint, wenn die „FAS“ von „normaler Parlaments“- und Regierungsarbeit schreibt. Dem stehen die begründeten Forderungen und Anliegen der Friedensbewegung entgegen.
Die Forderungen für eine Welt ohne Rüstung und Krieg sind:
Alles spinnert?
Ostermontag, 2. April
12:00 Uhr Auftaktkundgebung,
St.-Georgs-Kirchhof (Hbf)
13:30 Uhr Abschlusskundgebung und Friedensfest,
Carl-von-Ossietzky-Platz
„Der italienische Philosoph Antonio Gramsci, ein Marxist, hatte einst die These aufgestellt: Wer das intellektuelle Leben beherrsche, beherrsche das [politische/kulturelle] Klima im Land. Die deutschen Achtundsechziger haben Gramsci gelesen und seine Theorie von der kulturellen Hegemonie umgesetzt. Seit einem halben Jahrhundert stand der Geist hier links. Doch nun hat die Rechte Gramscis Theorie gekapert. Noch ist sie weit davon entfernt, das intellektuelle Leben zu beherrschen. Uwe Tellkamps Auftritt aber könnte ein Markstein sein. Von seinem Roman »Der Turm« hat er knapp eine halbe Million Exemplare verkauft, allein im deutschsprachigen Raum, sein Werk ist in 15 Sprachen übersetzt. Einen derart prominenten intellektuellen Fürsprecher hatte die AfD bislang nicht.“
Xaver von Cranach, Georg Diez, Sebastian Hammelehle, Ulrike Knöfel, Nils Minkmar, Volker Weidermann, Steffen Winter, „ Der Riss/Meinungskampf“, „SPIEGEL“ Nr. 12/2018, S. 112-115, hier S. 113.
„Jede Entwicklung, welches ihr Inhalt sei, läßt sich darstellen als eine Reihe von verschiedenen Entwicklungsstufen, die so zusammenhängen, daß die eine die Verneinung der anderen bildet.“
Karl Marx, „ Die moralisierende Kritik und die kritisierende Moral“, 1847, Marx-Engels-Werke (MEW), Band 4, S. 336.
„Nun, das Geistige, unter dem politisch-sozialen Gesichtswinkel gesehen, ist das Begehren der Völker nach besseren, gerechteren, glücklicheren, dem Stande des menschlichen Selbstbewußtseins richtiger angepaßten Lebensbedingungen,– es ist dieses Begehren in seinem Bejahtsein durch alle, die guten Willens sind.“
Thomas Mann, „Spanien“, 1937, zum spanischen Bürgerkrieg (1936-1939).
Der Neoliberalismus mit seiner wilden und spekulativen Kapitalbegünstigung, den hohlen glänzenden Glücksverheißungen, der tiefgreifenden Kommerzialisierung des gesellschaftlichen Lebens, der Privatisierung von sozialen Einrichtungen bzw. der Isolierung von Menschen, der zunehmenden Kriegsführung und der vermeintlichen Alternativlosigkeit ist am Ende und steckt in einer ernsthaften Legitimationskrise.
Frieden, soziale Gerechtigkeit und bedarfsgerechte öffentliche Einrichtungen (Bildung, Kultur, Gesundheit, soziale und mobile Infrastruktur) werden mehr und mehr von der Bevölkerung gewollt.
Die Forderungen nach Beendigung der Kriege, dem Stopp von Rüstungsexporten, Steuergerechtigkeit, sozialem Wohnungsbau, auskömmlichen Renten, repressionsfreiem und ausreichendem Arbeitslosengeld, sinnvoller Arbeit und insgesamt „glücklicheren, dem Stande des menschlichen Selbstbewußtseins richtiger angepaßten Lebensbedingungen“ werden deutlicher denn je gestellt und engagiert zum Ausdruck gebracht.
Dagegen richten sich AfD, Pegida und Co. KG. In diesem Spiel machen, auf dunkler Welle schwimmend, einige Intellektuelle mit, die so tun, als seien Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit, Mief und Muff, Blut und Boden, Frau und Herd, Mann und Soldat, Brav und Bieder, Keuschheit und Demut respektive das Ewiggestrige nicht eine schon erlebte Katastrophe, sondern die Lösung der sozialen, ökologischen und Friedensprobleme des internationalen und zivilisatorischen Zusammenlebens. – Und dann wird, meist plump emotionalisiert, auch noch so getan, als müsse dies alles doch mal gesagt sein dürfen.
Gesagt sein soll hingegen, daß eine rundum menschenwürdige Gesellschaft ohne Aufklärung, kulturelle Emanzipation, soziale Progression und solidarisches Handeln nicht zu verwirklichen ist.
Das ist Allen möglich, die die schrillen Flötentöne alt- und neurechter Propaganda häßlich finden und sich in ihren berechtigten, begründeten, notwendigen, möglichen und zu verwirklichenden Ansprüchen nicht beirren lassen. Das sei gemeint, gewollt, getan.
Zurück zum Anfang„Aber wie bezahlt man für Facebook? Ganz einfach, indem man es benutzt. Denn das Produkt, so stellt sich heraus, ist nicht Facebook. Der Deal ist ein anderer: Das Produkt ist der Benutzer. Man zahlt hier nicht mit Geld, man zahlt hier mit seinem Leben. Die Frage ist nur: Wusste es niemand? Oder wollte es niemand wissen? Anders gesagt: Wie mächtig ist die Kraft der Illusion oder der Dummheit, wenn doch sonst alles bezahlt werden muss in dieser Welt?
Alles kann zur Ware werden
Facebook zeigt das nur auf besonders radikale Art und Weise: Alles kann zur Ware werden. Freundschaften werden zur Ware, Erinnerungen werden zur Ware, Menschen werden zur Ware. Facebook ist damit, ganz freudianisch, das Es des rabiaten Kapitalismus. (...) Facebook muss und wird reguliert werden, so wie all die anderen Monopolisten des digitalen Zeitalters reguliert werden müssen, so wie es auch im ersten monopolistischen Zeitalter des zu Monopolen neigenden Kapitalismus war, im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.“Georg Diez, „Facebook-Skandal/Die verlorenen Illusionen des Internets“, „SPIEGEL-ONLINE“, 25.3.’18.
„Wenn damals [vor 1933] die deutsche Intelligenz, alles, was Namen und Weltnamen hatte, Ärzte, Musiker, Lehrer, Schriftsteller, Künstler, sich wie ein Mann gegen die Schande erhoben, den Generalstreik erklärt, manches hätte anders kommen können, als es kam.“
Thomas Mann an Walter von Molo, 7. September 1945.
Von Beginn an oder mindestens im Verlaufe der Entwicklung war nicht nur den üblichen Kritikern (Nörglern) klar, daß die Milliarden des Mark Zuckerberg – auch von Google und Verwandten – aus der systematischen sowie gnadenlosen Vermarktung der Nutzerinnen und Nutzer bzw. ihren persönlichen Daten resultieren.
Auch lag schnell auf der Hand, wie wenig die Ansammlung von oberflächlichen elektronischen Kontakten von sozialem Gewinn, kultureller Qualität, geistiger Anregung und substantieller emotionaler Befriedigung sind. Vielmehr bedeutet die Ausweitung der flimmernden Begegnung eine Zunahme an individueller Isolation.
Darüber hinaus erweist sich immer mehr, daß die virtuelle Welt ausgedehnt von rechten Kräften – siehe die Wahlunterstützung für Donald Trump und Ähnliches – zu niederen Zwecken respektive gefährlichen Interessen, die gegen das Allgemeinwohl gerichtet sind, genutzt werden können und ebenso gnadenlos genutzt werden.
Nun sind die Beweise dafür eindeutig erbracht – jegliche Illusionen über die sogenannte Freiheit des Internets (an sich) sind wie der tönerne Riese zu Staub zerbröselt.
Somit steht nicht nur auf der politischen Tagesordnung, diese Konzerne entsprechend – wie Georg Diez, s.o., es fordert – staatlich zu regulieren, auch zu besteuern!, sondern es liegt auch nahe, sich heiter und guten Gewissens aus „Facebook“ zu verabschieden und stattdessen dem realen kulturellen Leben, den realen menschlichen Begegnungen, persönlich zuzuwenden.
Das kann und sollte praktisch bedeuten: länger schlafen, mehr lesen, sich mit Freunden treffen, mehr Zeit zum Nachdenken zu haben – und sich gesellschaftlich zu engagieren.
Die Entscheidung mag nicht schwerfallen.
Zu guter Letzt eine Anregung von jemandem, dessen Geburtsjahr 200 Jahre zurückliegt:
Zurück zum Anfang„Das Tier formiert nur nach dem Maß und Bedürfnis der species, der es angehört, während der Mensch nach dem Maß jeder species zu produzieren weiß und überall das inhärente Maß dem Gegenstand anzulegen weiß; der Mensch formiert daher auch nach den Gesetzen der Schönheit.“
Karl Marx, „ Ökonomisch-philosophische Manuskripte“ (1844), Marx-Engels-Werke (MEW), Ergänzungsband 1, S. 517.