Wintersemester 2021/2022

Flugblätter

Semesteranfangszeitung Wintersemester 2021/22

Die „Freiheit“, ein leeres Versprechen
Emanzipation erfordert persönliche Gemeinschaft

„Was ist Freiheit?
Was macht mich glücklich? Es sind Fragen wie diese, die Felix von der Laden sich immer wieder gestellt hat. Und das nicht nur in einem Jahr, in dem das Thema Freiheit die ganze Bundesrepublik beschäftigt – nie haben wir nach Fragen zum Thema »Freiheit« öfter gegooglet als im Mai 2021.
Seit zehn Jahren veröffentlicht der 26-jährige Kölner Felix von der Laden Videos auf YouTube und hat bei seiner täglich wachsenden Community einen Riesenerfolg. Hier erzählt Felix, welche Fragen er sich stellt.
Freiheit bedeutet für mich erst einmal ganz allgemein die Freiheit, Entscheidungen treffen zu können und nicht nur irgendetwas machen zu müssen und dem Trott sprichwörtlich hinterherzulaufen. (….)
Durch meine Videos möchte ich andere Menschen inspirieren, selbst Anregungen zum Glücklichsein zu finden – sei es durch einen neuen Job oder ein neues Hobby.“

Google-Anzeige („Jede Suche bringt dich weiter“).

 

„Die Unabhängigkeit von gegebenen Bedingungen, nicht nur als anthropologisches Merkmal, sondern als metaphysisches Prinzip alles Seienden, muß zur Annahme einer absoluten oder metaphysischen Freiheit und konsequenterweise zu einem streng idealistischen Standpunkt führen, der die Außenwelt als eine Setzung des Subjektes und das mit Selbsttätigkeit begabte Ich als die einzige unmittelbare Wirklichkeit ansieht.“

„Wörterbuch der philosophischen Begriffe“, Felix Meiner Verlag Hamburg, 2005, Stichwort „Freiheit“, S. 227.

 

„So fest wie die Hand den Stein hält. Sie hält ihn aber fest, nur um ihn desto weiter zu werfen. Aber auch in jene Weite führt der Weg.“

Franz Kafka, Aphorismus, notiert zwischen dem 12. und 17. November 1917.

 

„Die Ersparung von Arbeitszeit ist gleich der Vermehrung der freien Zeit, d.h. Zeit für die volle Entwicklung des Individuums, die selbst wieder als die größte Produktivkraft zurückwirkt auf die Produktivkraft der Arbeit.“

Karl Marx, „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“, 1858, Marx-Engels-Werke (MEW), Band 42, S. 607.

Die einfache Freiheit, auch die von direkten Zwängen, ist die idealistisch gesetzte, konforme Daseinsbewältigung unter gegebenen Bedingungen.

Die erweiterte und positive Freiheit setzt voraus und beinhaltet die solidarische Gestaltung der gesellschaftlichen Bedingungen hinsichtlich erweiterter sozialer Gleichheit als kulturelle Emanzipation gesellschaftlicher Individuen.

So ist beispielsweise die – gemeinschaftlich zu erwirkende – Reduktion der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich sowie dem rationalen Ausbau der betrieblichen und institutionellen Mitbestimmung inklusive dem bedarfsgerechten Ausbau öffentlicher Einrichtungen (Bildung, Kultur, Gesundheit, Soziales) ein wesentlicher Gesamtbeitrag zur positiven Gestaltung der Gesellschaft – ökonomisch, sozial, kulturell und ökologisch sinnvoll – bzw. der Entwicklung von mündigen Persönlichkeiten.

Die aktive Freiheit für friedenspolitisches Engagement, die ökologische Transformation, internationale Solidarität, die kooperative Gestaltung sinnvoller Arbeitsbedingungen sowie die Kultivierung des Alltags sind erforderliche Beiträge zur Überwindung der Zivilisationskrise.

Diese Orientierung bringt uns weiter.

In diesem Zusammenhang können auch die Wissenschaften – bei Wiederöffnung der Hochschulen – eine sorgfältig zu bestimmende Verantwortung realisieren.

So bekommen auch die ausreichende Finanzierung (nicht nur) der Hochschulen, die Reformierung des engen Ba-/Ma-Systems, die soziale Absicherung der Studierenden und die Beteiligung an der studentischen Interessenvertretung sowie der Akademischen Selbstverwaltung einen übergreifenden positiven Sinn. Jedes Engagement ist hilfreich. Alle sind gefragt zu antworten.

Die Not mit den Noten
oder
Solidarität ist einzig sinnvoll

„Mittels der vordergründigen Ideologie von „Leistungsgerechtigkeit“ reproduziert und verschärft sich (hintergründig und unbemerkt) gesellschaftliche Ungleichheit. Sozial benachteiligte junge Menschen erhalten eben trotz guter bzw. adäquater Leistungen faktisch schlechtere Beurteilungen als sozial „Höhergestellte“, wodurch ihnen schliesslich – und im festen Glauben daran, die Messinstrumente des Bildungswesens hätten mit sozialer Herkunft, Habitus und dergleichen nichts gemein, wären also „objektiv“ und gerecht – in überwiegender Mehrheit die gesellschaftlichen Positionen ihrer Eltern weiter-„vererbt“ werden (können).
Doch, Moment, denken Sie, das kann ja nicht sein? Das bedeutete ja, das (hoch-)schulische Bewertungssystem mache sich doch mit sozialer Selektion gemein, sortiere nicht nach Leistung - sondern sozial?“

Jens Wernicke, „Der Mythos von der Chancengerechtigkeit: Was PISA mit sozialer Selektion mit Benotung mit Leistungsideologie zu tun hat“, studis-online, 26.6.2006.

 

„Die Funktionalität solcher Bewertungsarithmetik versteht sich zunächst als Perfektionierung der geschilderten Techniken „normierender Sanktionen“ samt ihrer Ritualisierung in Prüfungen: Die Individualisierung erfolgt hier nicht nur als quantifizierende Differenzierung einzelner Leistung, sondern über die abstrahierende Berechnung von „Gesamtqualifikation“ als Differenzierung des „Wertes“ der jeweiligen Gesamtperson (….)“

Klaus Holzkamp, „Lernen“ (1993), Kapitel 4.1 „Mystifikation von Noten als numerische Daten: Totalität individualisierender Bewertung als Legitimation „gerechter“ Zuweisung unterschiedlicher Berufslaufbahnen/Lebenschancen“, Seite 377-384, hier Seite 380.

 

„Ziel universitärer Lehre ist es, Bildung durch Wissenschaft zu ermöglichen. Das schließt die Aufgabe ein, alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Studierenden hohe wissenschaftliche Kompetenz erwerben, ihre Fähigkeiten selbsttätig entfalten und sich als mündige Mitglieder der Gesellschaft weiterentwickeln können, die bereit und in der Lage sind, an deren sozial und ökologisch nachhaltiger, demokratischer und friedlicher Gestaltung maßgeblich mitzuwirken und für ihre Zukunftsfähigkeit Verantwortung zu übernehmen.“

Leitbild universitärer Lehre der Universität Hamburg, beschlossen durch den Akademischen Senat auf seiner 719. Sitzung am 10.07.2014.

Da Noten ihrem Wesen nach ebenso sozial selektiv wie rassistisch diskriminierend und ohnehin willkürlich sind beziehungsweise stark von der persönlichen Einstellung der Bewertenden abhängen, vereinzelt kurzfristige Glücksgefühle bereiten, aber wesentlich bedrückend wirken, Stress bereiten und krank machen, an die Stelle gleichberechtigter Lehr-Lern-Beziehungen hierarchische Kontroll- und Abhängigkeitsverhältnisse setzen und zwischen den Lernenden – sollten das nicht Alle und immer sein? – schlechte Stimmung schaffen: Was soll das ganze Elend eigentlich?

Wie alle Übel hat auch dieses eine Geschichte: Erstmals in Deutschland schrieb 1530 die sächsische Schulordnung eine halbjährliche Leistungsbeurteilung vor; wer sich positiv hervortat, bekam zur Belohnung „Semmeln oder dergleichen“. Richtig ernst wurde es erst nach der Einführung der allgemeinen Schulpflicht (technischer Fortschritt verlangte nach höherer Allgemeinbildung), insbesondere im 19. Jahrhundert. Um 1850 etablierte sich in Preußen eine dreistufige Bewertungsskala, die auf vier und später fünf Stufen erweitert wurde. Der Siegeszug der Aufklärung war nicht mehr aufzuhalten und bescherte dem aufstrebenden Bürgertum ein Dilemma: Wie ist zu legitimieren, daß einerseits alle Menschen einschließend gilt „Freiheit, Gleichheit, Solidarität“, andererseits aber die einen Fabriken besitzen, während die anderen sich darin totarbeiten? So muss seither die ideologische Konstruktion von individueller „Begabung“ und „Leistungsfähigkeit“ herhalten, um die tiefe soziale Ungleichheit als gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Die Zensur sei dabei das Maß. Vorgeblich wird Ungleichheit gemessen, tatsächlich wird sie aber hergestellt und manifestiert. Damit einher geht die Selektion, wer was und wieviel lernen darf. Das ist im strengen Wortsinne pervers.

Zensuren können ersatzlos gestrichen werden. Die Zurückweisung von Leistungsdruck und Konkurrenz in Bildungseinrichtungen durch Reformpädagogen wie Pestalozzi (1746-1827) ist so alt, wie die Notenvergabe selbst. An ihre Stelle sollten kooperative Gespräche über die wissenschaftliche Arbeit und qualifizierte Einschätzungen über den individuellen soziokulturellen Lernfortschritt treten. Die Herausforderungen der Zeit (UN-Nachhaltigkeitsziele oder Sustainable Development Goals), verlangen nach mehr kritischen Subjekten, nach umfassender aufgeklärter Bildung für Alle. Die Selektion ist dazu ein Kontra. Solidarisch lernt es sich besser und sinnvoller. Das macht auch mehr Freude.

Krieg oder Frieden – Grundsätzliche
Gegensätze der Menschheitsgeschichte

„Ratsherr: (...) Was nur wolltet ihr, daß ihr unsere Akropolis mit Riegeln versperrt habt?
Lysistrate: Das taten wir, um das Geld in Sicherheit zu bringen, und damit ihr nicht deswegen Krieg führt.
Ratsherr: Wegen des Geldes führen wir also Krieg?
Lysistrate: Ja, und deswegen wird alles Übrige aufgerührt. (...)
Ratsherr: Und wie sollen wir sonst für unsere Sicherheit sorgen?
Lysistrate: Wir werden euch Sicherheit bringen.“

Aristophanes, Lysistrate, Jahr 411 v.u.Z.

 

„Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt.“

Ehemaliger deutscher Verteidigungsminister Peter Struck, am 11. März 2004.

Die Friedensbewegung ist mindestens 2500 Jahre alt. Schon in der griechischen Antike wußte die Bevölkerung, daß Kriege des Geldes wegen geführt werden, nicht zu Sicherheit, sondern zu Elend und Zerstörung der Lebensgrundlagen führen und deshalb von ihr beendet werden müssen. In der Komödie „Lysistrate“ („Heeresauflöserin“) von Aristophanes verbünden sich deshalb die Frauen in Athen, mitten im 30-jährigen Peloponnesischen Krieg, mit den Feindinnen in Sparta, besetzen die Akropolis mitsamt der Staatskasse und machen so lange Sexstreik, bis die Herren Frieden schließen. So wurde ein Aufstand des Volkes humorvoll in Szene gesetzt und der interessengeleiteten Behauptung, Krieg sei natürlich und ewig, eine Kultur des Friedens entgegengesetzt. Das Theater griff als lebendiger Bestandteil der Demokratie mit Spott und Weitsicht in die öffentliche Debatte und die Staatsgeschäfte ein – auf Staatskosten (den Armen wurde der Eintritt bezahlt).

Heute wird von den Damen und Herren der Regierungen viel Aufwand betrieben, um die Erfahrungen der Geschichte vergessen zu machen. Als hätte es die Weltkriege (1914-18 und 1939-45), den Faschismus und die Atomwaffenabwürfe (Hiroshima und Nagasaki 1945) nie gegeben, wird heute unverdrossen aufgerüstet, sanktioniert, gedroht und angegriffen. Als hätte es das „Nie wieder!“ dazu nie gegeben, das Gewaltverbot der UN-Charta, das Friedensgebot des Grundgesetzes, die anti-kolonialen Befreiungsbewegungen und alternative solidarische Entwicklungswege nicht – das Recht des Stärkeren soll fortgesetzt auch militärisch durchgesetzt werden, zugunsten der großen Geschäfte.

Wird so unsere Sicherheit (am Hindukusch) verteidigt? Nein: Der Afghanistankrieg offenbarte schon vor dem abrupten Abzug der Truppen das krachende Scheitern der NATO-Strategie. Der Krieg hat – im Namen der Terrorbekämpfung, des Demokratieaufbaus und der Menschenrechte – zu hunderttausenden Toten auf allen Seiten, 6 Millionen Geflüchteten, noch mehr Armut und Analphabetismus, Drogenanbau und Korruption, Terror und Taliban geführt. Er konnte nicht gewonnen werden und nicht zum Frieden führen, weil es nie um die Bevölkerung, sondern von Anfang an um die Neuaufteilung der Welt und der Rohstoffe ging; weil weder die propagierten hehren Ziele noch eine westliche Vasallenregierung oder stabile Ausbeutungsbedingungen mit Krieg zu erreichen sind; weil der Versuch, die westliche (unterentwickelte) Demokratie mit Gewalt zu exportieren schon anti-demokratisch ist und wirkt.

Was aus dem Desaster folgen muß, ist eine zivile Zäsur der Weltgeschichte. Imperialistische Aggression und Einmischung müssen aufhören, die Bundeswehr gehört aus allen Auslandseinsätzen, auch in Mali, zurückgezogen. Die NATO hat ihre fehlende, bzw. falsche Existenzberechtigung eindeutig bewiesen und sollte durch die Stärke des Völkerrechts und die Kunst der Diplomatie abgelöst werden. Abrüstung und Entspannungspolitik müssen die Grundlagen der internationalen Beziehungen werden. Auch Rüstungsexporte und -produktion und Atomwaffen finden so ein friedliches Ende und setzen Ressourcen für eine souveräne soziale Entwicklung der Gesellschaften frei.

Verweigern wir uns dem Krieg und wagen den Aufstand für den Frieden mit allen kreativen Mitteln.

Strangers in the night
Sind wir Haustiere?

„Seit die Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 kein lästiges Provisorium zum Zweck des Gesundheitsschutzes mehr sind, sondern eine irrationale Eigendynamik entwickelt haben, sehen sich die Individuen durch den stummen Zwang der Verhältnisse aufgefordert, sich weniger als Staatsbürger denn als Bewohner ihrer jeweiligen Region zu verstehen. (…) Wegen der Wandelbarkeit der statistischen Daten sind die mit diesen Daten begründeten Maßnahmen ebenso vorläufig wie unberechenbar. Dass die Maßnahmen eher von Panik und Herrschsucht bestimmter Trial-and-Error-Politik als nachvollziehbaren Begründungen folgen, zeigt sich am Instrument der Ausgangsbeschränkung, das mittlerweile in fast allen westlichen Staaten zur Anwendung gekommen ist.“

Magnus Klaue, „Ausgangssperre / Wohin willst du noch so spät?“, „ZEIT ONLINE“, 7.4.2021.

In der Nacht sind alle Gestalten verdächtig. Außerdem hat die (lachende) Jugend noch nie etwas getaugt. Und: Vergnügungen aller Art sind prinzipiell verdächtig. Wie wäre es stattdessen mit einer neuen Anstrengung solidarischer Rationalität?

Mit der deutlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Personals im Gesundheitswesen, insbesondere in den Krankenhäusern, Gesundheitsämtern und Seniorenheimen? Mit der bedrafsgerechten Anhebung der Gehälter in der Pflege? Mit der Einführung einer sozial gerechten BürgerInnenversicherung? Mit Krankenhäusern (wieder) in öffentlicher Hand?

Bücher

„Wenn der Mensch
von den Umständen
gebildet wird, so muß
man die Umstände
menschlich bilden.“

Karl Marx/Friedrich Engels,
„Die heilige Familie“
1844/45, MEW 2, S.138.

Mit der Befreiung öffentlicher Einrichtungen von kommerziellen Interessen und Maßstäben?

Zu diesen begründeten Anliegen für das Allgemeinwohlgibt es mittlerweile eine Vielzahl von Aktivitäten.

Diese lohnenswerten Aufgaben fordern Alle und geraten zunehmend in das öffentliche Bewußtsein. Die kritische Vernunft erreicht den Alltag.

So kooperieren wir mit anderen fortschrittlichen Gruppierungen in den Gremien der studentischen Interessenvertretung, in der Akademischen Selbstverwaltung und in außerparlamentarischen Bewegungen: in Fachschaftsräten, in der Fachschaftsrätekonferenz, im Studierendenparlament, im Akademischen Senat, in Fakultätsräten, in der Friedensbewegung, in Bündnissen gegen Neofaschismus, in Aktivitäten gegen Sozialabbau.

Wir sind bundesweit als Gründungsmitglied im Hochschulgruppenverband Die Linke.SDS organisiert. Dieses Engagement ist uns alltägliche und stets menschliche Angelegenheit.

Allseitige Emanzipation als erstes Bedürfnis. Dem sollte sich auf Dauer niemand entziehen.

„Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“

Bertolt Brecht, „ Lob der Dialektik“, 1934.

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Selbstdarstellung zur Wahl zum Studierendenparlament

Keine Angst!
Für eine Renaissance der Kooperation

„Universitäten kämpfen als Organisationen gegeneinander um Geld, Attraktivität und Titel. (…) Es ist also nicht auszuschließen, dass die Idee des Wettbewerbs nicht nur nicht zu jedem Fach passt, sondern in ihren schädlichen Folgen sogar überwiegt. Anna Kosmützky und Georg Krücken zählen in ihrem Teilprojekt zu den unbeabsichtigten Folgen des multiplen Wettbewerbs nicht nur die Steigerung von Risiko, Unsicherheit und Stress. Sie vermuten auch, dass der Wettbewerb zunehmend zum Statuswettbewerb wird, der Stromlinienförmigkeit belohnt.“

Gerald Wagner, „Geisttötende Konkurrenz?/DFG-Forschungsgruppe untersucht Folgen des Wettbewerbs an den Hochschulen“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 17.11.2021, S N 4.

 

„Aber man hindert a l l e daran, wenn man nur e i n e m verbieten will, seinen Fortgang in der Erkenntnis andern mitzuteilen. Denn ohne diese Mitteilung im einzeln ist kein Fortgang im ganzen möglich.“

Gotthold Ephraim Lessing, „Anti-Goeze/Erster“, 1778.

 

„Der Begriff ›Realität‹ bleibt, trotz all der philosophischen Probleme, die er aufwirft, für die Arbeit der Historiker ebenso unverzichtbar, wie für jeden von uns in seinem Alltag. (…) Die akademische Republik wurde [in der frühen Neuzeit] als Ausdruck eines ›Traums von der Gleichheit‹ in einer hierarchischen Gesellschaft beschrieben.“

Prof. Peter Burke (Historiker), „Kultureller Austausch“, Frankfurt/M 2015, S. 70 und 83.

Angelegte Ketten zu (er)tragen oder sie gar noch zu umkränzen, ist extrem unangenehm und hinderlich. Normalerweise reicht es aber auch nicht aus, seiner oder ihrer Ketten lediglich zu spotten.

Strichmännchen gekettet an Fels mit der Aufschrift FEAR

Vielmehr ist es für eine aufgeklärte soziale und kulturelle Lebensweise erforderlich, den Gründen für Angst und Furcht nachzugehen, die Alternativlosigkeit der gesellschaftlichen Realität in Frage zu stellen, die Gewordenheit der (unangenehmen) Lage zu erkennen, bessere Möglichkeiten anzustreben, sich dafür mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen und in diesem Zusammenhang Forderungen aufzustellen und sie öffentlich zu machen, um die Lebensbedingungen zu verbessern. Das sei Sinn und Zweck von Assoziation, Interessenvertretung und Kooperation zur Bewältigung dieser notwendigen Aufgaben.

Die Hochschulen – und nicht nur sie – sind nach Maßgabe der neoliberalen Doktrin bzw. der entsprechenden Politik zunehmend in Konkurrenz zueinander gesetzt worden. Mit der sogenannten Exzellenzinitiative wird die anhaltend strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Bildungseinrichtungen fortgesetzt, werden „Leuchttürme“ extra finanziert und (s.o.) das Duckmäusertum erheblich unangenehm befördert.

Frans Masereel, Bilder gegen den Krieg (Holzschnitt)

Dagegen ist für die bedarfsgerechte Finanzierung (nicht nur) der Hochschulen zu wirken, damit die Vielfalt der Fächer erhalten bleibt oder wiederhergestellt wird, die Hochschulen besser miteinander kooperieren und die Kultur des Mißtrauens überwunden wird.

Auch die soziale Offenheit im Zugang zum Studium läßt zu wünschen übrig. Die gesellschaftliche soziale Ungleichheit wird so verstetigt und bestimmte soziale Inhalte in Forschung, Lehre und Bildung vernachlässigt. Hier ist beispielsweise hilfreich, sich für ein bedarfsgerechtes, elternunabhängiges und darlehensfreies BAföG einzusetzen.

Das modularisierte Ba-/Ma-Studium bleibt zu nicht unerheblichen Teilen eine Qual. Die Restriktionen sind lernfeindlich, Formalisierung und enge Taktung behindern Tiefe, Muße und Weite, die Konkurrenzsituation schränkt die kooperative Qualifikation ein. Die Studienreform muß fortgesetzt werden. Die Restriktionen fallen. Der Master muß zum zugangsoffenen Hauptabschluß werden.

Die Hochschulen sollten sich in größerem Ausmaße als bisher ihrer potentiell hilfreichen gesellschaftlichen Verantwortung stellen und vermehrt zur Lösung gesellschaftlicher und globaler Probleme beitragen. Zu diesen Zwecken ist die verbindliche Orientierung an den Nachhaltigkeitszielen der UNO (SDG/Sustainable Development Goals) wie Frieden, Umwelt, contra Armut und Unterentwicklung notwendig und sinnvoll.

Das mag begriffen sein als die kooperative Aufgabe in ForschungLehreBildung respektive in der Verfaßten Studierendenschaft (Studierendenparlament, AStA und Fachschaftsräten), der Akademischen Selbstverwaltung (Akademischer Senat und Fakultätsräte) sowie den Personalräten.

Die praktisch ambitionierte Einheit in der sinnvollen Zusammenarbeit schüttelt die Ängste ab und bildet eine erfreuliche Kultur des Vertrauens.

Die Meisten

Die Persönlichkeit
befindet sich im Wachstum
mit Ihresgleichen.

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Durchhalten?
Zur Neujahrsansprache des Bundeskanzlers

„Heute geht ein Jahr zu Ende, das einige Veränderungen mit sich gebracht hat. (...)
Das Jahr 2021 hat uns alle sehr gefordert. Die Corona-Pandemie mit ihren Belastungen und tiefgreifenden Einschränkungen steckt uns allen in den Knochen. Und auch das verheerende Hochwasser in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Rheinland-Pfalz wird niemand so schnell vergessen. So schlimm beides gewesen ist – unsere Reaktion darauf enthält auch eine durch und durch erfreuliche Botschaft: Als Gesellschaft haben wir in Deutschland diese Herausforderungen entschlossen angenommen.
Nach der Flut haben wir alle zusammen angepackt. Gemeinsam haben wir geholfen, aufgeräumt und mit dem Wiederaufbau begonnen. Und damit werden wir noch lange zu tun haben. Und im Kampf gegen die Pandemie haben sich inzwischen mehr als 60 Millionen in unserem Land impfen lassen - und es werden täglich mehr.
Manche beklagen in diesen Tagen, unsere Gesellschaft sei ›gespalten‹. Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit sagen: das Gegenteil ist richtig! Unser Land steht zusammen. Was ich überall wahrnehme, das ist eine riesige Solidarität, das ist überwältigende Hilfsbereitschaft, das ist ein neues Zusammenrücken und Unterhaken.“

Neujahrsansprache 2021/2022 von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

 

„Niedriges Einkommen – Denn Geringverdiener, dazu gehören nach Definition der OECD Personen mit weniger als 1500 Euro Nettoeinkommen, geben meist die gesamten Einnahmen für Miete, Stromrechnung, Lebensmittel oder Alltägliches aus. Zum Sparen bleibt nur wenig übrig. Die Preise für Nahrungsmittel sind im November im Vergleich zum Jahr davor um 4,5 Prozent gestiegen, ähnlich war es auch im September und Oktober.“

Sarah Huemer, „So unterschiedlich trifft die Inflation die Menschen“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 2.1.2022, S. 26.

 

„Wenn aber eine Kultur es nicht darüber hinaus gebracht hat, daß die Befriedigung einer Anzahl von Teilnehmern die Unterdrückung einer anderen, vielleicht der Mehrzahl, zur Voraussetzung hat, und dies ist bei allen gegenwärtigen Kulturen der Fall, so ist es begreiflich, daß diese Unterdrückten eine intensive Feindlichkeit gegen die Kultur entwickeln, die sie durch ihre Arbeit ermöglichen, an deren Gütern sie aber einen zu geringen Anteil haben.“

Sigmund Freud, „Die Zukunft einer Illusion“, 1927.

Es entspricht den Tatsachen: Olaf Scholz, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, ist Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und hat in seinem Amt die sogenannte Richtlinienkompetenz in einer Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP.

In seiner Neujahrsansprache bemüht er sich um den vertrauten Merkel-Stil – hier: gefaltete Hände mit sichtbarem Ehering – und will mit staatlichen Beruhigungsworten Gemeinschaftsgefühl schaffen. Eine Variante von: „Wir schaffen das!“

Über das zu bewältigende Schicksal der Flut und der Corona-Pandemie hinaus empfiehlt er sich als ideeller Gesamt-Ingenieur: Mit einer neuen Anstrengung für den technologischen Fortschritt sei die Klimakatastrophe (mit einigen wenigen sozialen Ausgleichsmomenten) zu bewältigen bzw. der internationale Wettbewerb für den Standort Deutschland optimistisch zu wuppen.

– „Richtlinienkompetenz“ in einer nach wie vor eher marktliberalen Regierung, denn die FDP hat hier starkes Sagen und SPD wie Grüne haben (noch) nicht genügend dazugelernt.

Kriege werden nicht in Frage gestellt, Rüstungsexporte nicht gestoppt, Aufrüstung steht im Regierungsprogramm; Reiche und Vermögende sollen steuerlich weiterhin geschont werden; Hartz IV bekommt neue Schminke, gleicher Lohn für gleiche Arbeit verbleibt lediglich im schlechten Gewissen; die Bahn (in öffentlicher Hand) soll zerteilt (Schiene für den Wettbewerb) und die Rentenkasse kapitalisiert werden.

Kann das alles beruhigen oder gar passiv zuversichtlich stimmen? Hier ist also kritische Aufmerksamkeit fortgesetzt geboten. Daraus mag eigenes und gemeinsames Engagement fortgeführt werden oder neu entstehen. Mündige Menschen bauen auf die Triftigkeit ihrer gesellschaftlichen Anliegen und machen diese zu einer persönlichen und solidarischen Angelegenheit. Wir haben die Wahl. Die gute Bedeutung ergibt sich in der Folge. Dann sehen wir weiter.

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Jakobinersperling