Wintersemester 2019/2020

Flugblätter

Mit Mäßigung gegen Rechts?
Eine Sortierung

„Die Republik marschiert seit Jahren nach links – und reißt alle mit. Das ist auch beim Schaulaufen der SPD-Kandidaten zu beobachten. Aus dem Kampf um den Vorsitz der traditionsreichen Partei ist ein Überbietungswettbewerb sozialer Versprechen geworden – derzeit an der Spitze liegen Norbert-Walter Borjans und Saskia Esken, die ein 500-Milliarden-Investitionsprogramm fordern. (...) Viele werden dabei gar nicht von linken Parolen angezogen, sondern von der AfD abgestoßen. Ganze Themenfelder gehen so kampflos an die Populisten. Das Problem dabei: Die Wähler ticken anders. Viele in der rechten Mitte sind heimatlos geworden. Diese politische Heimatlosigkeit könnte langfristig zu einer Gefahr für die Demokratie wachsen.“

Matthias Iken, „Ein Land rutscht nach links – die AfD ist Nutznießer“, „Hamburger Abendblatt“, 28. / 29. 9. 2019, S. 2.

 

„Tui Hoo [der Wind] hatte keinen Respekt vor Denkmälern. Nicht etwa, weil sie feist waren und rotlackierte Fingernägel hatten – nein, Tui Hoo war kein Spießbürger, der sich über seinen Nachbarn aufregte, weil er einen komischen Hut trug. Er verkehrte häufig mit Damen, die Zigarren rauchten und heiser waren wie Gießkannen oder mit Männern, die Ohrringe trugen und deren Hosenbeine weit waren wie Frauenkleider. Nein, kleinlich war Tui Hoo nicht.“

Wolfgang Borchert (1921-1947), „Tui Hoo“, Geschichten aus dem Nachlaß.

Beides stimmt: Immer mehr Menschen werden von „linken Parolen“ angezogen und von der AfD (und Trump und Johnson) abgestoßen. Diesen Zusammenhang mag Herr Iken, der konservative Kolumnist vom „Hamburger Abendblatt“, nicht erkennen oder zugestehen.

Was soll populistisch daran sein, die Beendigung von Kriegen, konsequente Abrüstung und zivile Konfliktregulierung bzw. Entwicklung; ausreichende Steuererhebung für einen Sozial-, Bildungs- und Kulturstaat; ein humanes Gesundheitssystem in öffentlicher Hand; erträgliche Mieten für den menschenwürdigen Wohnraum; sinnvolle und angemessen bezahlte Arbeit; gut ausgebildete Personen in KiTas, Schulen, Krankenhäusern und Hochschulen sowie ein angenehmes und freundliches soziales Leben zu fordern? Die internationale und nahe gesellschaftliche Welt ist bei Weitem nicht so, wie sie sein sollte und könnte.

Die (nicht ewige und unüberwindbare) Stärke der rechtsextremen Kräfte hat ihre Ursache in der gewalttätigen, neoliberal formierten Gesellschaft. Diese tiefgreifende Krise ruft das Monster aus der Höhle hervor, wo es sich bereithält, gesamtprogressive Entwicklungen der Menschheit zu verhindern oder schwer zu irritieren. Nicht die Lösung der Probleme – hin auf eine menschenwürdige Gesellschaft – ist das Problem, sondern die reaktionäre und schwer neurotisch nationalistische Antwort auf das beseitigenswerte Elend ist das Problem. So hilft es wenig, darauf mit Bangen, Bescheidenheit oder sozio-kultureller Zurückhaltung zu antworten.

Vielmehr ist das Wachsen von kritischen Erkenntnissen – von Einsicht und Aussicht –, das gemeinsame Handeln für allgemeine Zwecke und angemessene Annehmlichkeiten, die heitere Veränderung des Alltagstrotts sowie die tätige Entdeckung von Seinesgleichen die Befreiung aus der Bedrängnis respektive die Sinngebung des menschlichen Lebens. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Das gemeinsame Gelingen schafft erfreuliche Persönlichkeiten.

„Die Klugheit eines Menschen läßt sich aus der Sorgfalt ermessen, womit er das Künftige oder das Ende bedenkt. Respice finem.“ (964)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft F, 1776-1779.

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Semesteranfangszeitung Wintersemester 2019/20

Die Liste LINKS trifft sich freitags, 16 Uhr,
im Raum des FSR Erziehungswissenschaft.
(Von-Melle-Park 8, Raum 035b)

„Elite“ für Rendite?
Ein Vorschlag zur Besserung

„Aber was spricht schon gegen den Genuss, wenn dabei gute Gedanken abfallen? Das schlechte Gewissen rührt schon daher, dass Eliten an sich ein Verstoß gegen einen Grundsatz der Demokratie sind, denn sie postuliert die Gleichheit. Bei Wahlen soll jede Stimme das gleiche Gewicht haben, vor dem Gesetz sollen alle gleich sein. Aber die Menschen sind nicht gleich, sie entwickeln sich verschieden. Einige steigen auf und werden Elite.“

Dirk Kurbjuweit, „Das schlechte Gewissen der klugen Leute / Zeitgeist In Lech trafen sich vergangene Woche Philosophen, um über »Eliten und Demokratie« zu diskutieren. Die Gesellschaft driftet auseinander, das war der Konsens. Doch unter die Vorträge mischt sich das Unbehagen: was, wenn man selber Teil des Problems ist?“, „SPIEGEL“ Nr. 41/5.10. 19, S. 114-117, hier S. 114.

 

„Das stärkere Argument gewinnt. Wenn es mitspielen darf.“

Werbung der „Neuen Zürcher Zeitung“ für ein Online-Abo.

 

„Auch ein Grund, stolz zu sein: daß man Bürger ist! Für den Armen besteht es darin, die Reichen in ihrer Macht und ihrem Müßiggang zu erhalten. Dafür dürfen sie arbeiten unter der majestätischen Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.“

Anatole France (1844-1924), Zitat aus seinem Roman „Die rote Lilie“ (1894).

Es gibt ProfessorInnen, ÄrztInnen, ArchitektInnen, RichterInnen, RechtsanwältInnen, StaatsanwältInnen, MinisterInnen, StaatssekretärInnen, KünstlerInnen und leitende Angestellte aller Art – in Staat, Firmen und Betrieben –, die halten sich für „Elite“. Obgleich sie in dieser Gesellschaft zu Tausenden ausgebildet werden und in der Regel für Lohn oder Gehalt tätig sind, meinen sie, sie seien etwas Besonderes, Gehobenes – manche denken, sie seien außerordentlich klug. Hinzu kommt bisweilen die Einbildung, ein hohes Einkommen und ein entsprechender Status-Konsum (z.B. Parlieren in einem Alpen-Luxushotel, der Erwerb von Designer-Kleidung) seien ein Ausweis gehobener persönlicher Qualität. Die – auch geistige – Vornehmheit symbolisiere sich durch eine hohe Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie. Hühnerleiter!

Gemessen aber an der Menschenwürde, der Gleichheit vor dem Gesetz, dem demokratischen und sozialen Rechtsstaat (Grundgesetz); beurteilt gar an den Herausforderungen dieser Zeit in der Zivilisationsentwicklung (Aufklärung, Frieden, Demokratie, soziale Parität, rationales Mensch-Natur-Verhältnis, gebildete Kooperation zwischen allen Ländern und in allen gesellschaftlichen Bereichen), sind solche sogenannten Leistungsträger kulturelle Versager. Dieser Typus ist eher Teil des Problems als erfreuliche Persönlichkeit der Lösung im gemeinschaftlichen Erkenntnis- und Arbeitsprozeß.

Für die Hochschulen, ihre Bildung und Ausbildung, für die wissenschaftliche Praxis aller Beteiligten, ergibt sich daraus die Alternative, die Mühsal der menschlichen Existenz zu erleichtern oder zu erschweren; den Egoismus (Schein statt Sein) oder die gesellschaftliche Verantwortung solidarische Qualifikation) geistig und kulturell zu praktizieren.

Das betrifft ebenso die bedarfsgerechte Finanzierung der Hochschulen, die Studienreform bzw. das Engagement in der Akademischen Selbstverwaltung, in den Personalräten und in der Verfaßten Studierendenschaft. Wir haben stets die Wahl, auch wenn gerade nicht gewählt wird. Sinngebung geht vor Status.

„Die kürzesten Irrtümer sind immer die besten.“
(Molière, „Der Tollpatsch oder die Rückschläge“, 1655)
Für Nachdruck in der Studienreform

FAZ: Frau Bulmahn, die Bologna-Erklärung wird am 19. Juni 2019 zwanzig Jahre alt. (... ) Welches Fazit ziehen Sie heute?
Bulmahn: Langfristig war der Bologna-Prozess ein Erfolg. Kurzfristig gab es sicherlich Schwierigkeiten bei der Umstellung auf ein zweigestuftes Studiensystem. Kernziel war es, nicht nur ein wirtschaftlich starkes Europa zu schaffen, sondern ein »Europa des Wissens«. (... ) Der Bologna-Prozess stellt ja nicht das Humboldtsche Bildungsideal infrage.“

Edelgard Bulmahn (SPD, Bundesministerin für Bildung und Forschung 1998-2005), „Da ist etwas aus dem Ruder gelaufen“, Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“), 19.06.2019.

 

„Weltbürgertum ist jenes kollektive Band, das die Menschen, unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Sozialisation verbindet: Bei Humboldt heißt es: »Soviel Welt als möglich in die eigene Person zu verwandeln, ist im höheren Sinn des Wortes Leben«. Das Bemühen soll darauf zielen, sich möglichst umfassend an der Welt abzuarbeiten und sich dadurch zu entfalten. Zum Weltbürger werden heißt, sich mit den großen Menschheitsfragen auseinanderzusetzen: sich um Frieden, Gerechtigkeit, um den Austausch der Kulturen, andere Geschlechterverhältnisse oder eine andere Beziehung zur Natur zu bemühen.“

Jürgen Hofmann „Welche Bedeutung hat das Humboldt'sche Erbe für unsere Zeit?“, Vortrag bei der Humboldt-Gesellschaft, 08.01.2010.

 

„Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“

Karl Marx, „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung“, 1843-44, MEW Bd. 1 S. 385.

Die ehemalige Wissenschaftsministerin irrt: Der Bologna-Prozess war ein Kontra zu humanistischer Bildung und ist – bis heute – ein Desaster.

Weltbürgertum, internationale Völkerverständigung und die humane Veränderung der Welt als Persönlichkeitsentwicklung einerseits und die Unterordnung von Mensch und „Wissen“ unter das Ziel der ökonomischen und machtpolitischen Stärkung des „Standorts“ Europa andererseits sind ein Gegensatz.

Die Rückgewinnung und Erweiterung humanistischer Bildung und verantwortungsvoller Wissenschaft gelingt deshalb nur in kritischer Bilanz der neoliberalen Deformierung des Studiums. Selektierende Spaltung in Bachelor und Master, dauerhafter „studienbegleitender“ Prüfungsstress, konfektionierte Lernbausteine („Module“), nach Sudoku-Prinzip gebastelte Semesterpläne und durchgetaktete Studienverläufe bedeuten Konkurrenz zwischen den gemeinsam Lernenden, „Bulimielernen“, konforme Erstarrung der Wissenschafts inhalte, Entfremdung zwischen Studierenden, Lehrenden und Verwaltung und eine erhebliche Einschränkung der Teilhabe an der demokratischen Selbstverwaltung von Forschung, Lehre und Bildung.

Das alles ist eine enorme Hemmung für die in der Uni gewollte Bildung mündiger Persönlichkeiten in bewußter Verantwortung für die nachhaltige Entwicklung menschenwürdigen Lebens überall auf der Welt. Deshalb streitet eine Großzahl der Uni-Mitglieder für eine tiefgreifende Studienreform.

Das Studium muss neu bestimmt sein durch solidarisches Lernen, exemplarische und vertiefte Reflexion, Freude an der substantiierten Erkenntnis, lebendige Entwicklung von menschenfreundlichen Fragestellungen und Antworten, Persönlichkeitsbildung und souveräne Studiengestaltung sowie demokratische Teilhabe an der Weiterentwicklung der Wissenschaftseinrichtungen.

Notwendige und überfällige Reformen sind: ein selektionsfreier Übergang vom Bachelor zum Master, massive Reduzierung der (benoteten) Prüfungen, die Abschaffung aller Fristen und der Begrenzung von Prüfungsversuchen, die Ausweitung von Projektstudium und die umfangreiche Schaffung freier Wahlbereiche.

Dafür bedarf es auch der gesetzlichen Ermöglichung und unbedingt ausreichender – also erheblich gesteigerter – finanzieller Mittel. Auch deshalb gehört die „Schuldenbremse“ abgeschafft.

Frieden ist Menschenrecht!

„Artikel 1: Jeder hat das Recht auf den Genuss von Frieden unter Bedingungen, in denen alle Menschenrechte gefördert und geschützt werden und die Entwicklung voll verwirklicht wird.
Artikel 2: Die Staaten sollen Gleichheit und Nichtdiskriminierung, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit achten, verwirklichen und fördern und die Freiheit von Furcht und Not als Mittel zur Konsolidierung des Friedens innerhalb von und zwischen Gesellschaften garantieren.“

Erklärung über das Recht auf Frieden der UN-Generalversammlung 2016.

Bürgerliche Parteien und Medien reden meist nur dann von Menschenrechten, wenn sie zur Legitimation von „humanitären“ Militäreinsätzen herbeigezogen werden. Ob Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen oder Syrien – Menschenrechte wurden zum Synonym von formaler Demokratie und kapitalistischer „ Freiheit“ und als Kampfbegriff der westlichen „Wertegemeinschaft“ eingesetzt.

Doch was sind die Menschenrechte wirklich?

Mit der Französischen Revolution und dem Ausgang aus der feudalen und klerikalen Herrschaft wurden zum ersten Mal politische Voraussetzungen für ein freies, gleiches, solidarisches Leben für alle Menschen geschaffen. Die „ Menschenrechtserklärung“ von 1789 beinhaltete bereits Forderungen nach Freiheit, Gleichheit, Unveräußerlichkeit, Schutz des Lebens und des Eigentums, Schutz vor staatlicher Willkür und Widerstandsrecht gegen „irgendeine Regierungsform“, die „sich als diesen Zielen abträglich erweist“. Damit einher geht von Beginn an die Souveränität der Staaten und das Selbstbestimmungsrecht der Völker, was heute gerne vergessen wird.

Der zweite, soziale Teil der Revolution wurde erst 1917 in Rußland auf den Weg gebracht.

Im Kapitalismus wurde und wird vor allem das Privateigentum geschützt, was sich immer mehr im Widerspruch zu dem Wohl aller Menschen und den internationalen Beziehungen bewegt.

Nach der Befreiung vom Faschismus und Zweiten Weltkrieg wurde 1945 die UNO-Charta als neue Grundlage für ein weltweit ziviles und soziales Zusammenleben erarbeitet. In der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 sind weitreichende liberale Grundrechte, aber auch das Recht auf soziale Sicherheit, Arbeit, Bildung, Gesundheit usw. verbrieft. 1966 folgten der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ und der „Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“, mit denen die Menschenrechte verbindlich gemacht werden sollten. Allerdings wollten die kapitalistischen Regierungen nur den „Zivilpakt“, der „Sozialpakt“ wurde von den sozialistischen und Blockfreien Ländern durchgesetzt. Beide Pakte beinhalten das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Menschenrecht, d.h. eine Einmischung in oder Angriffe auf andere Staaten ist nicht vorgesehen.

Frieden als Menschenrecht kommt in den 80er Jahren, in Zeiten des Kalten Krieges, ernsthaft ins Gespräch. 1984 verabschiedete die UNO eine „Erklärung zum Recht der Völker auf Frieden“, mit der gegen die Gefahr des atomaren Wettrüstens Frieden zum ersten Mal als ein Menschenrecht qualifiziert wird und von den Staaten gefordert wird, ihre Politik auf die Beseitigung der Kriegsgefahr, auf Gewaltverzicht und die friedliche Beilegung von Konflikten auszurichten. Die Erklärung blieb nicht wirkungslos, wurde aber auch nicht verwirklicht.

Nach der „Wende“ war die Friedensbewegung weiter aktiv gegen die wachsende Aggressivität der expansiven Außenpolitik. Eine weltweite Allianz von NGO‘s arbeitete auf die „Erklärung von Santiago“ (de Compostela, Spanien) hin, einen umfangreichen Katalog von Friedensbildung über menschliche Sicherheit, das Recht auf eine gesunde Umwelt bis hin zu Abrüstung und Kriegsdienstverweigerung, der bis heute als höchster Standard für das Menschenrecht auf Frieden gilt.

Dem zufolge begann auf Vorschlag Kubas der UN-Menschenrechtsrat die Arbeit an einer Erklärung zum „Recht auf Frieden“. Dies richtete sich gegen den zunehmenden Interventionismus des Westens, entsprechend uneinig waren sich westliche und südliche Welt. Die Erklärung wurde schließlich stark reduziert 2016 mit den Stimmen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sowie Russlands und Chinas von der Generalversammlung angenommen. Im Unterschied zu „Santiago“ war das Recht auf Widerstand gegen Regimes, die internationale Verbrechen oder Verletzungen der Menschenrechte begehen, nicht mehr vorhanden. Es wird sich jedoch positiv auf die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) bezogen, der Kampf gegen Armut und für Entwicklung betont und auch der Einsatz gegen Rassismus und Intoleranz mit einbezogen. Streitfragen sollen im friedlichen Dialog gelöst werden und bei der Bekämpfung von Terrorismus seien die Menschenrechte zu wahren.

Die Geschichte zeigt: Krieg ist selbst die größte Menschenrechtsverletzung und gehört aus dem Leben der Menschheit gebannt. Alle haben ein Recht auf Frieden. Zum Frieden gehört Soziales und Bildung und Gesundheit. Das Menschenrecht muß erkämpft werden.

„Artikel 4: Es müssen internationale und nationale Einrichtungen für Friedenserziehung gefördert werden, um den Geist der Toleranz, des Dialogs, der Zusammenarbeit und der Solidarität unter allen Menschen zu stärken. In dieser Hinsicht soll die Friedensuniversität durch Lehre, Forschung, Postgraduierten-Ausbildung und Verbreitung von Wissen zu der großen universellen Aufgabe der Friedenserziehung beitragen.“

(a.a.O.)

Bücher

„Wenn der Mensch
von den Umständen
gebildet wird, so muß
man die Umstände
menschlich bilden.“

Karl Marx/Friedrich Engels,
„Die heilige Familie“
1844/45, MEW 2, S.138.

Frieden, Arbeit, Brot –
Veränderung tut not!

„Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat in Berlin den ›DGB-Index Gute Arbeit 2018‹ vorgestellt. Daraus geht hervor, dass sich 52 Prozent der deutschen Beschäftigten bei der Arbeit oft gehetzt fühlen und großem Zeitdruck ausgesetzt sind. Fast jede und jeder Dritte sieht sich häufig verschiedenen Anforderungen ausgesetzt, die schwer vereinbar sind. (...) Neben zeitlichem Stress am Arbeitsplatz gehören Konflikte mit Kunden, Patienten oder Klienten sowie Angst vor mangelnder Altersvorsorge zu den größten Belastungen.“

„DGB-Index“, „SPIEGELONLINE“, 22.11.’18.

 

„Wer die Krisis nicht fühlt, nicht mit dem eigenen Wesen daran teilhat, der lebt nicht. Wer sie zwar fühlt, aber sich rein konservativ dagegen verstockt und sich vergrämt ans Alte klammert, schließt sich gleichfalls vom Leben aus. Der Wahrheit ins Gesicht sehen zu können, dieser Mut ist die erste Bedingnis des Lebens; denn Wahrheit und Leben sind zu sehr ein und dasselbe, als daß ein Leben außerhalb der Wahrheit und gegen die Wahrheit überhaupt denkbar wäre.“

Thomas Mann, „Ansprache an die Jugend“, 1931.

Die Arbeitsbedingungen bzw. ihre Bewertung spiegeln den Zustand der Gesellschaft. Sinn, Bezahlung und Mitbestimmung liegen im Argen.

Wandlungen, die gemeinsam unternommen werden, sind erforderlich und treten hervor. Besserungen sind so in Aussicht.

Der Mensch ist gesellschaftlich und will sich – sozial, politisch, kulturell – verwirklichen.

Das gilt in Hochschule und Gesellschaft – gesagt und getan.

So kooperieren wir mit anderen fortschrittlichen Gruppierungen in den Gremien der studentischen Interessenvertretung, in der Akademischen Selbstverwaltung und in außerparlamentarischen Bewegungen: in Fachschaftsräten, in der Fachschaftsrätekonferenz, im Studierendenparlament, im Akademischen Senat, in Fakultätsräten, in der Friedensbewegung, in Bündnissen gegen Neofaschismus, in Aktivitäten gegen Sozialabbau. Wir sind bundesweit als Gründungsmitglied im Hochschulgruppenverband Die Linke.SDS organisiert.

Dieses Engagement ist uns alltägliche und stets menschliche Angelegenheit. Allseitige Emanzipation als erstes Bedürfnis. Dem sollte sich auf Dauer niemand entziehen.

„Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“

Bertolt Brecht, „Lob der Dialektik“, 1934.

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Soziale Verantwortung
Eine Erweiterung der Persönlichkeit

„Es hat etwas Abwegiges, die drohende Klimakrise der Oma Trudi und dem Opa Herbert anzulasten, weil die gedankenlos falsch gelebt haben ‐ und die Krise jetzt logisch durch eine neue Form der marktliberalen Eigenverantwortung lösen zu wollen; nur dass es diesmal ‐ anders als bei der Agenda ‐ nicht heißt, die Leute seien zu wenig bereit, auch mal für weniger Geld zu arbeiten, sondern dazu, ihren Lebensstil zu ändern und Was ‐ auch ‐ immer aufzugeben, damit bald das Klima nicht mehr kriselt. Das alte Gedröhne vom Glück durch Individualverzicht, das beim Klima übrigens gerade kurioserweise jene besonders laut beklagen, die sich bei der Agenda nach Wehrufen nach individuellem Verzicht überschlugen. (...)
Das Dogma abzulegen und Ökonomen viel stärker darüber sinnieren zu lassen, wie ein großes politisches Programm gegen die Klimakrise aussehen könnte ‐ das würde weit mehr helfen als alle Appelle an Eigenbeitrag und Individualvernunft zur Klimarettung. Zumal so ein großer Wurf mit Investitionen in neue Infrastruktur und bessere Energien es erst möglich und viel einfacher machen würde, danach auf Alternativen umzusteigen, die heute viel zu teuer sind.“

Thomas Fricke, „Bundesregierung / Alte Dogmen abschalten und die Klimakrise lösen“, „SPIEGELONLINE“,18.10.2019.

 

„Denn der einzelne kann sich mit all denen zusammenschließen, die dieselbe Veränderung wollen, und wenn diese Veränderung vernünftig ist, kann der einzelne sich in einem imponierenden Ausmaß vervielfachen und eine Veränderung erzielen, die viel radikaler ist, als es auf den ersten Blick erscheint.“

Antonio Gramsci, „Gefängnishefte“, Heft 10 (1932-1935), § 54 „Einführung in das Studium der Philosophie. Was ist der Mensch?“

Ein SUV (Landsportwagen) ist kein vernünftiges Auto; der Verbrennungsmotor fährt auf sein wohlverdientes Ende zu. Fossile Brennstoffe taugen schon lange nicht mehr zur umweltverträglichen Energieerzeugung. Kriege sind auch Umweltkiller.

Umwelt- und nicht zuletzt auch menschenverträglicher sind kleinere Karosserien und Motoren, alternative Antriebe, der Ausbau und die Vergünstigung von öffentlichem Nah- und Fernverkehr, der Transfer von Gütern von der Straße auf die Schiene, der vermehrte Einsatz regenerativer Energiegewinnung, die Beendigung von Kriegen und Rüstungsexporten, der Umbau von militärischer in zivile Produktion sowie die Entwicklung ziviler, kooperativer und sozial gerechter internationaler Beziehungen.

Auf diese allgemeinen Zwecke hin sind staatliches politisches Handeln, die Wissenschaften sowie in ihrer Mehrzahl die betroffenen Menschen gefordert. Hier hilft kein pur individuelles Handeln (Konsumverzicht), zumal die gesellschaftlichen Individuen durch gesellschaftliche Strukturen sozialer Ungleichheit in ihrem Wirkungsradius begrenzt sind. Die Einrede rein persönlicher Schuld begrenzt diese Unterschiede zusätzlich.

Worauf es ankommt, ist die bekanntermaßen vernünftige strukturelle Veränderung durch gemeinsames politisches Handeln. Es gibt stets eine Alternative. „Eigenverantwortung“ ist Mist. Solidarisches Engagement befreit auch aus mancher Niedergestimmtheit. Ein neuer sozialer Akzent der Wissenschaften ist gefordert. Angewandtes Lernen steht auf der Tagesordnung – gesellschaftliche Verantwortung als Wissenstransfer. Und: Die „Schuldenbremse“ ist zu lösen.

www.schluss-mit-austeritaet.de

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Was ist „Glück“?
Zu den Kontroversen

„Der italienische Sportminister Vincenzo Spadafora fordert sogar, dem türkischen Fussballverband die Austragung des Champions-League-Finals in Istanbul im kommenden Jahr zu entziehen. Grundsätzlich, das sei vorausgeschickt, wären Sanktionen in einem Fall wie der Türkei wünschenswert. Es kann nicht im Sinne des Europäischen Fussballverbandes (Uefa) sein, dass eine Mannschaft Propaganda für einen Angriffskrieg macht.“

Stefan Osterhaus, „Wird der Sport idealisiert, hat die Politik leichtes Spiel“, „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“), 28.10.2019, S. 16.

 

„Was die positive Psychologie geschafft hat, ist diese Verantwortung [für Werte wie Gleichheit oder Gerechtigkeit] vollständig auf den Einzelnen zu schieben. Der Einzelne ist für sich selbst und die Verbesserung seines Schicksals verantwortlich. Das ist die pure Ideologie des Neoliberalismus. Glück dient als neuer Weg, diese Politik zu legitimieren und umzusetzen. Sie muss nur einen Weg finden, den Menschen mit seinem Schicksal zu versöhnen. (...)
Die Glückswissenschaft stigmatisiert negative Gefühle wie Zorn, Wut oder Hoffnungslosigkeit. Übrigens können viele dieser vermeintlich negativen Gefühle ein Mittel zur Veränderung sein. Die Frauenbewegung war erfolgreich, weil sie von Zorn, und nicht, weil sie von Glück angetrieben wurde.“

Prof. Eva Illouz (Soziologie) im „SPIEGEL-Gespräch“, Nr. 44 / 26.10.2019, S.104-107, hier S. 106.

 

„Zur Notiz
Die Philister, die Beschränkten,
Diese geistig Eingeengten,
Darf man nie und nimmer necken.
Aber weite, kluge Herzen
Wissen stets in unsren Scherzen
Lieb und Freundschaft zu entdecken.“

Heinrich Heine, Gedichte 1827–1832.

„Glück“ läßt sich aktiv charakterisieren als das persönliche und gemeinsame Gelingen positiver allgemeiner und konkreter Verbesserung gesellschaftlicher (sozialer, kultureller und politischer) Bedingungen und Möglichkeiten, die über den sozialen Nahraum, das lediglich individuell Gestaltbare und die nächste Zeit hinausgehen bzw. Einengungen, Widerstände und Hemmnisse übersteigen. Diese Zufriedenheit führt meist zu neuen Ansprüchen, die neue Qualifikationen erfordern und eine erweiterte Kooperation kultivieren können. So wird ein Schuh daraus.

Die Welt ist im Umbruch. Davon ist kein gesellschaftlicher Bereich ausgenommen.

Gelingt es, den Hunger zu besiegen? Gesundheit für Alle zu schaffen? Bildung in jede Ecke der menschlichen Welt zu bringen? Gewaltfreie Verhältnisse zu erkämpfen? Menschenwürdige soziale Bedingungen zu erwirken? Die Naturzerstörung aufzuhalten und umzukehren? Die Dominanz aufgeklärter Politik rational zu erstreiten? Wissenschaft und Technik, Organisation und (Selbst-)Verwaltung, kulturellen Austausch und Handel verantwortungsvoll zu gestalten? Bei aller Ernsthaftigkeit den Humor nicht zu verlieren? Im Alltag das Übernächste zu bedenken? Seinesgleichen zu erkennen und ggf. für die Gleichgültigkeit zu kritisieren? Den Trott zu unterbrechen und die Richtung zu ändern? Den Kurs zu halten?

Diese Fragen werden von Vielen gestellt und beinhalten gleichermaßen ihre Antworten. Sie sind sehr praktisch, von allgemeiner Bedeutung und gehen jede(n) etwas an. Das betrifft nicht zuletzt auch die Wissenschaften, die keineswegs unpolitisch sind.

Die Gesellschaft entwickelt sich in Konflikten. Wer das Bessere will, wird weit wissend konfliktfähig.

„Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.“

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Was ist die Streitsache?
Eine politisch-kulturelle Sortierung

„Höcke selbst ist Gegenstand eines interessanten Rechtsfalles um Meinungsfreiheit, der vor dem Verwaltungsgericht im thüringischen Meiningen ausgetragen wurde. Es ging um die Frage, ob man Höcke bei einer Kundgebung als Faschisten bezeichnen dürfe. Die Stadtverwaltung Eisenach hatte dies untersagt, unterlag aber Ende September vor Gericht. In ihrer Urteilsbegründung betonen die Richter, dies sei kein aus der Luft gegriffenes Werturteil, das anfechtbar wäre, es gebe eine überprüfbare Tatsachengrundlage für diese Behauptung. Die Urteilsbegründung verweist auf ein Interviewbuch Höckes, das im Juni des vergangenen Jahres erschienen ist. Dort heißt es: Ein neuer Führer sei letztlich erforderlich. Teile der Bevölkerung sollten ausgeschlossen werden, insbesondere Migranten. Höcke trete für die »Reinigung Deutschlands« ein. Mit starkem Besen sollten eine »feste Hand« und ein »Zuchtmeister« den Saustall ausmisten. Zu Hitler erklärte er, dass er »als absolut böse dargestellt wird« und dass es nicht so »schwarz und weiß« sei. Man darf Höcke also einen Faschisten nennen. Es lebe die Meinungsfreiheit, erst recht, wenn sie sich auf Tatsachen stützt“.

AutorInnengruppe, „Grenzöffnungen“, „SPIEGEL“ Nr. 45 / 2.11.2019, S. 10-19, hier S. 19.

 

„Kaum jemand ist ja sensibler, beleidigter, schneller gekränkt als jene, die gerade ständig und immer selbstverständlicher sagen, was sie angeblich nicht sagen dürfen. Es sind die Politiker der AfD und anderer rechter Bewegungen, die überall linken Tugendterror und Denkverbote fühlen und unaufhörlich jammern, wenn man ihre Lügen richtigstellt oder ihren Parolen widerspricht. Es sind die größten Hater in den sozialen Medien, die sich am lautesten über den Sturm beschweren, der ihnen entgegenschlägt. Sie sind die letzten, die sich über die Weinerlichkeit der Schneeflocken [Sensibilität gegenüber Diskriminierung] aufregen sollten.“

Harald Staun, „Hier spricht die Sprachpolizei“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 3.11.2019, S. 41.

 

„Die Republik muß weise sein. (...) Nichts Schlimmeres könnte der Republik widerfahren als eine Verdrossenheit gerade jener Volksschichten, die sie zu ihrer Verteidigung braucht und die in ihrer ganzen Denkungsart zu ihr gehören.“

Carl von Ossietzky, „Der Aufmarsch der Reaktion“, Berliner Volks-Zeitung, 31.1.1920.

Berlin ist nicht Weimar und Lucke ist nicht Höcke. Und: Aus Weimar (1919-1933) ist zu lernen und Lucke ist mitverantwortlich für Höcke. Beides ist bedeutsam.

Was ist Wahrheit? Die Analyse von Tatsachen, der Widerspruch zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit (als Teil der Wirklichkeit – im Guten wie im Schlechten), die Wirklichkeit als Entwicklung sowie die Möglichkeit des Erwirkens besserer Bedingungen.

Was ist die Wirklichkeit? Der Neoliberalismus mit seinen rabiaten Privatisierungen ist in der Krise. Darauf ist ein strammer Nationalismus, wie ihn auch die AfD vertritt, eine strikt rückwärtsgewandte Antwort. Eine vorwärtsgewandte Antwort ist die menschenwürdige und engagierte Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse für und durch die Mehrheit der Bevölkerung, als ein Verlassen der allumfassenden Kommerzialisierung und Individualisierung sozialer, kultureller und politischer Beziehungen.

Dafür stehen und wirken die Friedensbewegung, Aktivitäten für internationale Solidarität, das Engagement für die Klimawende, die Rekonstruktion des Sozialstaates, Forderungen für sinnvolle Arbeit, angemessene Bezahlung, wirksame Mitbestimmung in Betrieben und Institutionen, die Aufklärung in Schulen und Hochschulen, anregende Kunst, Kultur und lebenslanges Lernen, der praktische Sinn für Kooperation, das Setzen auf Argumente und Erkenntnisfortschritt sowie eine freundliche Alltagskultur. Auf diese Weise werden Möglichkeiten realisiert, die (fast) Allen zur Verfügung stehen, die auf bessere Lebensbedingungen orientiert sind, den Verdruß mindern, die Isolation aufheben, aus der Krise hinausführen respektive eine echte Alternative darstellen und realisieren.

Hier sind ebenso die Hochschulen bzw. die Akademische Selbstverwaltung und die studentische Interessenvertretung in neuer Dimension gefordert. Die so entwickelte Haltung und Praxis sollte mit den verschieden möglichen Akzenten humanistisch sein. Die aktive Bejahung des Besseren ist das beste Kontra zum Falschen.

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Kritik und Engagement
Wirksam und besser gestimmt

„Als im Sommer vor 30 Jahren der Kommunismus zu kollabieren begann, deklarierte der US-Politologe Francis Fukuyama, nun sei die Geschichte zu Ende. Die Menschheit habe sozusagen den Idealzustand erreicht ‐ Demokratie und Kapitalismus. Aufgabe erledigt. Erde glücklich. (...)
Mit dem Fall der Mauer wurde dereinst ein Trend beschleunigt, der Anfang der Achtzigerjahre mit dem Antritt von Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Großbritannien begonnen hatte. Demnach ist es wirtschaftlich per se immer gut, wenn der Staat sich zurückzieht; wenn jeder erst einmal an sich denkt, statt über Gesellschaft zu sinnieren; wenn jeder für sich vorsorgt, statt auf Hilfe vom Staat zu zählen; wenn alles dem strengen Wettbewerb ausgesetzt ist; wenn Reiche von Steuern entlastet werden; und wenn Banken wie andere Finanzjongleure so frei wie möglich mit Geld spekulieren können.“

Thomas Fricke, „30 Jahre Sieg des Kapitalismus / Abstieg eines Superstars“, SPIEGELONLINE“, 8.11.2019.

 

„In Deutschland sind die Zahlen zwar weniger dramatisch [als in den USA], aber klar sei, dass überdauernder Stress tatsächlich eine der Hauptursachen für Depressionen ist, sagt Psychiater Reif. Und den empfinden einer Studie der Techniker Krankenkasse zufolge immerhin die Hälfte der Studentinnen und auch vier von zehn Studierenden insgesamt. Zu den wichtigsten Auslösern für diese stressbedingte Erschöpfung gehören der Studie zufolge Prüfungsstress, der Lernstoff selbst, die Doppelbelastung von Studium und Nebenjob, finanzielle Sorgen, die Angst vor schlechten Noten und die Angst, nach dem Studium keinen Job zu finden.“

Katrin Hummel, „Diese überwältigende Angst“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 10.11.2019, S. 13.

 

„Was am Ausgang dieses Krieges stehen muß, und wird, ist klar. Es ist der Beginn einer neuen Weltvereinigung; die Schaffung eines neuen Gleichgewichts von Freiheit und Gleichheit; die Wahrung der individuellen Werte im Rahmen der Forderungen des kollektiven Lebens; der Abbau der nationalen Staatssouveränität und die Errichtung einer Gesellschaft freier, aber der Gesamtheit verantwortlicher Völker mit gleichen Rechten und Pflichten.“

Thomas Mann, „Deutsche Hörer!“ (Radioansprachen aus dem Exil, 1940-1945), November 1940.

Die Geschichte (der Menschheit) ist nicht zu Ende, sie ist nicht vergangen, aus ihr läßt sich lernen, sie geht weiter und läßt sich in jedem Falle gestalten – gestern, heute und für morgen.

Eine nervliche Belastung: In letzter Zeit war immer wieder auf allen Kanälen davon zu lesen, zu hören sowie zu sehen, wir (Deutschen) lebten in der besten, schönsten, glücklichsten, demokratischsten, freiesten Welten aller Zeiten. Wer begründete Zweifel daran hegt, mit dem sei etwas nicht in Ordnung, er – oder sie – gehe am besten zum Arzt.

Wenn so viel gefühlvolle Propaganda am Werke ist, muß etwas nicht stimmen.

Allein schon das bloße Aufrufen von Personen oder Tatsachen wie Trump, Brexit oder AfD macht überdeutlich, wie sehr mit schier unerträglichem Pathos geschönt und verbogen wird, um von der Misere und ihrer Kritik und Alternative abzulenken, damit die Gemüter der Menschen, die keine Esel sind, von progressiven Gedanken und Taten respektive neuen Verbindungen zu Ihresgleichen abgebracht werden.

Da aber die Würde des Menschen allerorten und zu jeder Zeit auf empfindliche Weise angetastet wird, regt sich zunehmend kooperatives Engagement für die Beendigung von Kriegen, für die Solidarität über Länder- und Wohlstandsgrenzen hinweg; da wird die „ Schuldenbremse“ in Frage gestellt, die Wiederherstellung des Sozialstaates verlangt; qualifizierte und angemessen bezahlte Arbeit auf die Tagesordnung gesetzt; die AfD fundamental abgelehnt; da werden massive Maßnahmen gegen den katastrophalen Klimawandel gefordert; wird der Alltag aufmerksamer und anspruchsvoller gestaltet, die gesellschaftliche Kultur zum Besseren verändert.

In diesen Zusammenhang sind auch die fortgesetzten Bemühungen um die Studienreform einzuordnen: Die Reduzierung von Restriktionen und Lernstress, die kooperative und fächerübergreifende Gestaltung des wissenschaftlichen Lernens als Bildung solidarisch verantwortlicher Persönlichkeiten sowie die hinreichende Finanzierung der Hochschulen sind die Elemente der humanistisch zu realisierenden Wissenschaften.

Darauf kommt es an – als Alternative zu primitiver Propaganda, Passivität und Mißgestimmtheit.

Aufrechte Entfaltung ist menschlich.

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Wozu sind Milliardäre gut?
Für eine Renaissance der Gerechtigkeit

„Dass die Reichsten der Reichten 2018 insgesamt weniger geworden sind, wird die Kritiker großer Vermögen ebenso wenig besänftigen wie der Umstand, dass die Zahl der Milliardärinnen inzwischen rascher wächst als jene der milliardenschweren Männer. Denn wahr ist auch: Seit Jahren wächst das Vermögen der Superreichen deutlich rascher als der globale Wohlstand insgesamt. Kein Wunder, dass die Kritik an der Plutokratie immer populärer wird, von links bis rechts. (...) Das Gewinnstreben bleibt ein Trieb der menschlichen Natur, von dem alle profitieren.“

Rainer Hank, „Wozu Milliardäre gut sind“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 17.11.2019, S.18.

 

„Müller: Bestimmte Formen des globalisierten Kapitalismus sind mit dem autoritären Staat vergleichbar, der dem Einzelnen seine Lebensführung vorschreibt. Liberalismus beruht auf der Idee der Freiheit – auch und vor allem von Not und von Furcht vor Willkür und Machtkonzentration.“

Der Politikwissenschaftler Werner Müller im „SPIEGEL-Gespräch“, Nr. 47 / 16.11.2019, S. 128-130, hier S. 130.

 

„Wir haben die Lande gemessen, die Naturkräfte gewogen, die Mittel der Industrie berechnet, und siehe, wir haben ausgefunden; daß die Erde groß genug ist; daß sie jedem hinlänglich Raum bietet, die Hütte seines Glücks darauf zu bauen: daß diese Erde uns alle anständig ernähren kann, wenn wir alle arbeiten und nicht einer auf Kosten des anderen leben will; und daß wir nicht nötig haben, die größere und ärmere Klasse an den Himmel zu verweisen.“

Heinrich Heine, „Die Romantische Schule“, Drittes Buch, 1835 (!).

Selbst der Wirtschaftskolumnist der deutlich konservativen Frankfurter Zeitung (erstes Zitat) kommt um die Tatsachen nicht herum: Der weltweite Reichtum der Milliardäre wächst schneller als der globale Wohlstand. Armut, Hunger, Elend bzw. menschenunwürdige gesellschaftliche Bedingungen haben ihre soziale Ursache, denn diese Vermögen werden von den Vielen erarbeitet und ihnen strukturell und durch entsprechende Politik vorenthalten.

Der linksliberale Politikwissenschaftler Müller (zweites Zitat) ruft Grundsätze der Menschenrechte und des Grundgesetzes auf, die deutlich machen, daß Armut kein „Naturzustand“ sein muß und der Staat davor zu schützen habe.

Heinrich Heine (drittes Zitat) stellt schon zu Beginn der Industrialisierung fest, daß die Mittel zur Beseitigung jeglicher Not geschaffen worden sind. Daraus ergibt sich das erste Gebot, alle Nöte der Menschheit aufzuheben.

Das bedeutet erst recht aktuell die notwendige Möglichkeit, den vorhandenen Reichtum für die Realisierung des Allgemeinwohls zu verwenden. (Das Vermögen der Reichsten weltweit beträgt mittlerweile 8,5 Billionen Dollar.) Konkret heißt das, hinreichend Steuern zu erheben (auch einzutreiben) für Bildung, Soziales, Kultur, Gesundheit und Infrastruktur; bedarfsgerechte Löhne zu zahlen und die Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich zu reduzieren sowie Investitionen (durch entsprechende Gesetze gelenkt) für den ökologischen und zivilen Umbau (Rüstungskonversion) zu tätigen. Die Mittel für die entsprechenden Aufgaben und Erfordernisse sind also vorhanden. Sie müssen zwecks allgemeiner Aufgaben respektive zur deutlichen Hebung des Allgemeinwohls politisch umgelenkt werden. Der Mensch ist ein gesellschaftliches (politisch, sozial und kulturell) Wesen, kein Triebtier mit Gewinnstreben. Das gilt ebenso – doppelt – für die Wissenschaften: Sie sind erbärmlich – wie vieles andere auch – unterfinanziert und können mit guten Gründen fordernd darauf hinweisen – verantwortlich, gut belegt, couragiert und frei.

Wir haben die Wahl zur Besserung. Das hebt auch die Persönlichkeiten.

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Aktive Sinnstiftung
Aus den Irrtümern hinaus

„Man muss die Dominanz einer Selbstverwirklichungskultur positiver Gefühle in ihrer ganzen Tragweite erkennen, um zu begreifen, welche Bedeutung umgekehrt negative Gefühle in der Spätmoderne erlangen können. (...) Ein Leben, das sein Fundament im subjektiven Erleben findet, kann im glücklichen Fall emotional besonders erfüllend sein – aber dem Erleben ist es eigen, dass es häufig ambivalent ist und sich einstmals positive Gefühle abnutzen und ins Negative kippen: Dann hat man das Gefühl, der einmal ergriffene Beruf füllt einen nicht aus, in der Partnerschaft mehren sich die Störelemente, der Wohn- und Lebensort verliert seinen Reiz. Nach außen gesehen perfekte Lebensbedingungen können im subjektiven Erleben ausgesprochen schal erscheinen.“

Andreas Reckwitz, „Für eine Kultur der emotionalen Abkühlung“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 24.11.2019, S. 42.

 

„SPIEGEL: Sollte man in kritischen Situationen erst einmal auf Sicht fahren?
Hoppert: Wer nur auf Sicht fährt, fährt leicht dem Untergang entgegen. Wenn Nebel aufkommt, ist man verloren ohne Radar oder andere Navigationshilfen. Wer auf Sicht fährt, hat nichts als die eigene Wahrnehmung. Es gibt Situationen, in denen das einfach nicht ausreicht.“

Kapitän a.D. Friedhold Hoppert im „SPIEGEL-Interview“, „SPIEGELONLINE“, 24.11.2019

 

„Die Gesellschaftsform ist die beste, die den meisten Menschen den größten Erfolg gewährleistet.“

Bertolt Brecht, „Über Erfolg“, „Me-ti / Buch der Wendungen“, wesentlich entstanden im Exil der 1930er Jahre.

Fahren nur auf Sicht: Das unmittelbare, scheinbar alternativlose Handeln ist nicht nur das Dogma der Kanzlerin oder der sogenannten GroKo, sondern wird auch als Leitlinie für das Gros der Bevölkerung propagiert.

Das bürgerlich-protestantische „Arbeite, bete, spare“ findet seine aktuelle Entsprechung in dem neoliberalen Gebot „Leiste, lächle, vereinsame“. Suggeriert wird, wenn mensch nur hinreichend auf sich achte, sich selbst optimiere, positiv denke, seinen Vorteil erringe, werde alles gut. So normal zu sein, bringe alles ins Lot.

So gesehen sind die scheinbar perfekten individuellen Lebensbedingungen – wer auch immer sie der Form nach erreichen mag – nicht nur, wie Andreas Reckwitz in der „FAS“ (erstes Zitat) sie subjektiv erscheinen läßt, schal, sondern strukturell ungenügend und deshalb veränderungswürdig. Dabei geht es nicht darum, abzukühlen. Vielmehr ist der Verstand neu zu justieren.

Das „Fahren nur auf Sicht“ erklärt schon der erfahrene Kapitän (siehe zweites Zitat) als gefährlich. Das gilt in „kritischen Situationen“, aber auch in weniger gefährlicher Lage ist kurzfristig orientiertes Handeln wenig befriedigend bzw. kaum wirkungsvoll gestaltend.

Sinngebend, menschlich angemessen und persönlich souverän ist hingegen (siehe drittes Zitat), sich bewußt an der vernünftigen Veränderung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen zu beteiligen. Der Mangel besteht nicht in zu wenig individueller Leistung, Fitness oder Wellness, sondern in einem sozialen Defizit an Arbeit, Bildung, Kultur und Frieden. Erst wenn die Waffen schweigen, die Not beseitigt wird, sinnvolle Arbeit ausreichend bezahlt wird, der Mensch sich in einer intakten Natur erholen und sich aufgeklärt begegnen kann, wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich und nützlich wirksam sind und kooperatives Handeln zu dominieren beginnt, kann von einem Einklang zwischen Verstand und Gefühl gesprochen und als Stimmigkeit so erlebt werden. Einsamkeit ist überwindbar.

Logik
Das Bestehende
beherzt zu kritisieren,
öffnet den Verstand.

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Wie auch immer:
Versachlichung tut gut
Durch Abstand Nähe gewinnen

„Kaum ein Monat im Jahr ist zugleich so schön und so anstrengend wie der Dezember. Geschenke besorgen, Baumschmuck hervorkramen, Lichterkettenkabel entwirren, Weihnachtskarten schreiben, den Verwandtschaftsbesuch organisieren, Feiertagsmenüs planen und vorbereiten – bis es wirklich besinnlich werden kann, gibt es eine ganze Menge zu tun. Da ist es wenig verwunderlich, dass manch einem kurz vorm Fest beinahe die Lust vergeht, zumal wir kaum anders können, als uns unmittelbar nach dem Ende der Sommerferien gedanklich schon mit Weihnachten zu beschäftigen: Die ersten Dominosteine und Lebkuchen finden ja bereits im September ihren Weg in die Supermarktregale.“

Editorial von „FINE“, „Das Magazin für Genuss und Lebensstil“, „eine Sonderbeilage des Tre Torri Verlages im Verbund mit FINE Das Weinmagazin“, 2019.

 

„In einer amerikanischen Damengesellschaft wurde einmal das Elend einer gewissen Arbeiterklasse erwähnt. »Ich glaube nicht, daß sie Hunger haben«, sagte eine Amerikanerin. »Wir haben nie davon gesprochen!«“

Kurt Tucholsky, „Nationales“, 1924.

 

„Es gibt kein Familienmitglied, das ein anderes Familienmitglied jemals ernst nimmt. Hätte Goethe eine alte Tante gehabt, sie wäre sicherlich nach Weimar gekommen, um zu sehen, was der Junge macht, hätte ihrem Pompadour [Handtasche] etwas Cachou [Kräuterbonbon] entnommen und wäre schließlich durch und durch beleidigt wieder abgefahren. Goethe hat aber solche Tanten nicht gehabt, sondern seine Ruhe – und auf diese Weise ist der »F a u s t« entstanden. Die Tante hätte ihn übertrieben gefunden.“

Kurt Tucholsky, „Die Familie“, 1923.

Liebe Leute von heute: Was soll eigentlich das Ganze?

Ganz gewiß ist nichts gegen arbeitsfreie Tage, gutes Essen, nützliche Geschenke, angenehme soziale Begegnungen bzw. Mitmenschen, Erholung, Aussicht gewinnen sowie erfreuliche Erinnerungen einzuwenden. Aber ist all das vereinbar mit „Weihnachten“, wie es geschäftstüchtig, bunt, laut und stressig, hoch organisiert und schwer ausweichbar inszeniert wird, süßlich stehend unter dem – wie auch immer: familiären – Harmoniegebot, von uns quasi natürlich verlangt wird?

Eine rhetorische Frage – sicherlich.

Die Welt ist aber nicht im Lot. Sie hängt schief. Was und wie das ist, wissen wir Alle.

Krieg ist nicht Frieden, Elend nicht sozial, Raubbau nicht ökologisch, Rechts nicht aufgeklärt und menschenwürdig, marktautoritär nicht demokratisch und die Erde ist keine Scheibe.

Darum sollten wir uns etwas Ruhe, Abstand, kritische Aufmerksamkeit und ehrliche Gedanken respektive Worte gönnen. Die Welt „da draußen“ geht uns Alle an. Sie bewegt uns und wir sollten sie bewegen. Hinter den mimischen Fassaden spielt sie sich ab. Der Streit über den Braten macht keinen Sinn, ihm ist nicht zu trauen – den eigenen Anliegen hingegen schon.

Auf diese Weise erlangen wir eine angenehme Haltung, gute Gespräche, neue Aussicht, echte Erholung, Souveränität – also eine kulturelle Abrundung wider die gebotene Bedeutungslosigkeit.

Es läßt sich Vieles überlegen, aussprechen und ernsthaft vornehmen. Der Versuch lohnt sich sofort.

Das nächste Jahr beginnt heller.

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Seelenmassage?
Zu den weiteren Aussichten

„Wir haben gute Gründe, zuversichtlich zu sein, dass die in wenigen Stunden beginnenden 20er Jahre des 21. Jahrhunderts gute Jahre werden können – wenn wir unsere Stärken nutzen, wenn wir auf das setzen, was uns verbindet, wenn wir uns daran erinnern, was wir in den letzten Jahrzehnten erreicht haben.“

Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), 31.12.2019.

 

„Es sind solche Zauberworte, die uns durch die Gefühlswelten führen: »Männer und Frauen, die täglich ihren Dienst tun« ist die ultimative Weihnachtsbackmischung: Ein bisschen tapfere kleine Trümmerfrau, ein bisschen einsamer Soldat auf Wache, an Mutter denkend. In jedem Fall ziemlich weit unten, wohin das Licht eines Leitenden Redakteurs oder echten Abgeordneten [oder einer Bundeskanzlerin] nur gedämpft fällt. (...) Jeder für sich und alle zusammen extrem vorhersehbar.“

Thomas Fischer, „Die Welt als Gefühl“, „SPIEGELONLINE“, 19.12.2019.

 

„Sie meinen, wir brauchen nicht nur eine andere Antwort auf die Klimakrise, sondern auch eine neue soziale Ordnung?
Ganz genau. Wir brauchen den Green Deal, mit dem wir die soziale und die ökologische Frage zeitgleich, kohärent und ganzheitlich lösen. Es ist nicht möglich, die Klimakrise zu beantworten, ohne extreme Ungleichheiten innerhalb der Länder, aber auch zwischen den Ländern wahrzunehmen. Wir müssen uns mit der kolonialen Geschichte der Rohstoffausbeutung beschäftigen. Durch diese Praktiken sind die massiven globalen Ungleichheiten erst entstanden. (...) Ich denke aber nicht, dass die Dringlichkeit der Situation dazu genutzt werden sollte, Bewegungen aufzubauen, die sich nicht als links positionieren können. So nimmt man bewusst in Kauf, von der extremen Rechten gekapert zu werden.“

Naomi Klein im Gespräch mit „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 29.12.2019, S. 41.

Alles ist eigentlich schön – zwar gibt es ein paar Probleme, wenn wir aber der Kanzlerin, ihren Ministern, den Ingenieuren, Handwerkern, Feuerwehrleuten und – nicht zuletzt – unseren Soldatinnen und Soldaten vertrauen, brav sind, uns auf Neues einstellen (anpassen), uns kräftig anstrengen (klaglos malochen), dann kriegen wir die Erderhitzung (irgendwie heikel) und die Migration („Überfremdung“?) schon in den Griff in unserem schönen Deutschland. Auch ohne Keksallergie.

Dabei liegt die Beantwortung der globalen Krisen – also überall – in der Beantwortung der tatsächlichen sozialen Frage.

Darin, die Kriege zu beenden, die Rüstungsexporte zu stoppen, abzurüsten sowie die militärische Produktion zivil zu konvertieren. Darin, echte Entwicklungshilfe zu leisten – quantitativ wie qualitativ –, Konflikte politisch und diplomatisch zu lösen. Darin, den Raubbau an der Natur zu beenden bzw. die industrielle Produktion und die Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien zu realisieren sowie den öffentlichen Nah- und Fernverkehr kostengünstig und bedarfsgerecht auszubauen. Darin, die „Schuldenbremse“ zu lösen, genügend Steuern zu erheben, um die öffentlichen Bereiche (Soziales, Gesundheit, Bildung und Kultur) vernünftig zu entwickeln. Darin, daß qualifizierte Arbeitsplätze tariflich gesichert und ausreichend bezahlt sind. Darin, daß wir aus der Geschichte lernen und den rechten Rattenfängern die lange Nase zeigen. Darin, daß wir zu neuem Engagement kommen und uns nicht aufs Sofa und vor Bildschirme aller Art werfen lassen.

Mit diesen Vorhaben und auf diese Weise mag ein aufgeklärtes, engagiertes, produktives und erfreuliches Leben gelingen. Das gilt ohne Ausnahme auch für die Hochschulen bzw. für die Studentische Interessenvertretung und die Akademische Selbstverwaltung. Daraus mögen so auch die guten Vorsätze für das neue Jahr bestehen.

Drive
Große Ansprüche,
beginnend mit erstem Blick,
bewegen weiter.

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Wer fürchtet sich vor der Schwarzen Null?
Ein ernstes Spiel

„Zu üppige Sozialleistungen machen Menschen nach Ansicht von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble unglücklich. »Wir müssen die Balance zwischen Fordern und Fördern richtig einhalten«, mahnte er am Freitag beim Neujahrsempfang der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Hamburg. »Denn wenn wir überfördern, zerstören wir die Motivation der Menschen (... ) und machen sie unglücklicher (!).« (... ) Schäuble äußerte sich betroffen über die Zustimmung, die der angebliche Plan Finnlands für eine Vier-Tage-Woche mit täglich nur sechs Arbeitsstunden in der deutschen Öffentlichkeit gefunden habe. Aufgrund der demografischen Entwicklung fehle es in Deutschland an Arbeitskräften. Die Menschen müssten aufgrund der längeren Lebenszeit auch länger arbeiten. »Wir brauchen jeden, selbst der Schwerkranke kann anderen etwas geben«, sagte der seit fast drei Jahrzehnten querschnittsgelähmte Christdemokrat. Die Politik solle nicht den Fehler machen, allen alles zu versprechen.“

Michael Kröger, „Schäuble hält hohe Sozialleistungen für schädlich“, „SPIEGELONLINE“, 10.1.2020.

 

„Der Markt allein ist nämlich, was die Zukunft der Menschheit angeht, ein Idiot.“

Christian Stöcker, „Klimaschädliche Firmen / Wir machen ́s kaputt, und Ihr dürft bezahlen“, „SPIEGELONLINE“, 12.1.2020.

 

„Erleuchtung.

Michel! fallen dir die Schuppen / Von den Augen? Merkst du itzt,
Daß man dir die beßten Suppen / Vor dem Maule wegstibitzt?

Als Ersatz ward dir versprochen / Reinverklärte Himmelsfreud’
Droben, wo die Engel kochen / Ohne Fleisch die Seligkeit!

Michel! wird dein Glaube schwächer / Oder stärker dein App’tit?
Du ergreifst den Lebensbecher / Und du singst ein Heidenlied!

Michel! fürchte nichts und labe / Schon hienieden deinen Wanst,
Später liegen wir im Grabe, / Wo du still verdauen kannst.“

Heinrich Heine, 1842.

Herr Schäuble, wird der deutsche Michel zu frech im Untertanenstaat? Bedeutet „Motivation“ Menschen zu zwingen? Werden die Leute noch unglücklicher, wenn ein autoritärer Staat sie nicht zwingt? Sind die Menschen glücklich, wenn sie klein gehalten werden? Sind wir „überfördert“?

Bei wesentlich steigender Produktivität der Industrie wird immer mehr in kürzerer Zeit von den dort tätigen Lohnabhängigen hergestellt. Das ermöglicht – übrigens: eine historische Tendenz! – eine deutliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Diese erhöhte den gesellschaftlichen Beschäftigungsgrad, minderte den Streß, machte weniger demütig, steigerte die Binnenkaufkraft und schaffte erweiterte Möglichkeiten produktiver Muße (Erholung, Bildung, Kultur und politisches Engagement).

Die gesellschaftlich angehäuften Reichtümer in Händen Weniger ermöglichen – durch öffentliche Steuer- und Investitionspolitik – die bedarfsgerechte Entwicklung staatlicher allgemeiner Einrichtungen (Bildung, Soziales – auch Renten –, Bildung, Kultur, Gesundheit und Infrastruktur).

Hinzu kommt, daß durch die Beendigung von Kriegen, das Verbot von Rüstungsexporten, die zivile Konfliktregulierung und mittels Abrüstung sowie die Konversion militärischer Produktion in zivile Herstellung Finanzen und Ressourcen, Potentiale und Aktivitäten frei werden zur Lösung globaler Probleme wie der Klimakrise.

Das alles Hand in Hand ermöglicht die Aufhebung der Zivilisationskrise auf ein besseres Niveau menschlicher (internationaler), menschenwürdiger Lebensbedingungen. Auch die Subjekte in den Wissenschaften sind vor diese Aufgaben gestellt. Die Erkenntnisbildung und die aktive Teilnahme an der Verwirklichung des Allgemeinwohls sollten zunehmend eine dynamische Einheit bilden.

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Keine Täuschung mehr!
Zu den Ergebnissen der Wahl des Studierendenparlaments

„Im Schnitt haben die deutschen Unternehmen in der abgelaufenen Dekade jährlich gerade etwa zwei Prozent in Ausrüstungen investiert – und damit wahrscheinlich weniger, als allein der Ersatz bestehender Anlagen bedurft hätte. (...) Am Ende des vermeintlichen Wirtschaftswunders hat Deutschland kaputte Straßen, zu wenig Geld in die Bahn gesteckt, Schulen als Bruchbuden und eine drohende Klimakrise – weil auch hier zu wenig Geld investiert wurde. Goldene Zeit? Ist was anderes. (...) Oder dass zwar die Gesamteinkommen gestiegen sind, das Gefälle zwischen Arm und Reich aber selbst nach einem Jahrzehnt steten Wachstums und Rückgangs der Arbeitslosigkeit nicht ab-, sondern eher noch zugenommen hat. Ein Desaster. Ganz oben liegen die verfügbaren Einkommen heute gut ein Zehntel höher als vor zehn Jahren – am untersten Ende wird im Schnitt weniger verdient als damals. Falsches Wunder.“

Thomas Fricke, „Das Märchen vom goldenen deutschen Jahrzehnt“, „SPIEGELONLINE“, 17.1.2020.

 

„4
Wer, Verlorener, wird es wagen?
Wer sein Elend nicht mehr tragen
Kann, muß sich zu jenen schlagen
Die aus Not schon dafür sorgen
Daß es heut heißt und nicht morgen.
Keiner oder alle. Alles oder nichts.
Einer kann sich da nicht retten.
Gewehre oder Ketten.
Keiner oder Alle. Alles oder nichts.“

Bertolt Brecht, „Keiner oder alle“, „Svendborger Gedichte“, 1939.

Die Beschönigung der Übel in Krisenzeiten hat eine schlechte Tradition: Heutzutage reden oder schreiben manche bei einer offiziellen Sockelarbeitslosigkeit von zwei Millionen Menschen sowie bei ca. 4,5 Millionen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen von „Vollbeschäftigung“.

Nicht nur die Klimakrise wird – besonders von sehr konservativen Kräften – geleugnet, sondern auch behauptet, Militäreinsätze, Rüstungsexporte und das Recht des Stärkeren schafften Frieden. Verzicht sei Selbstbestimmung. Krieg sei Frieden. Ist die Erde doch eine Scheibe?

Im Zusammenhang mit diesen gewollten Irritationen fand auch die Wahl zum Studierendenparlament (SP) statt.

Die Wahlbeteiligung ist leider auf gut elf Prozent gesunken, da eine schlechte Arbeit von zwei Präsidiumsmitgliedern (aus dem RCDS) des SP nicht hinreichend durch anderes Engagement ausgeglichen werden konnte.

Im Gesamtergebnis ist es aber gelungen, die rechten Listen sowie die Fake-Listen und die vermeintlichen Spaßvereinigungen (www.listelinks.org/Wahl-2020.htm#wuda) zu schwächen, so daß ein AStA unter (halb verborgener) Beteiligung des RCDS nicht mehr möglich ist. Der Newcomer „Fridays for Future“ hat ein bemerkenswertes Startresultat.

Das stärkt die politische und kulturelle Qualität des SP. Ein neu zu bildender AStA sollte und kann sich nunmehr den drängenden Aufgaben studentischer Interessenvertretung widmen: der Fortsetzung der Studienreform, der sozialen Lage der Studierenden, dem verantwortungsvollen Gesellschaftsbezug der Wissenschaften (nach dem Leitbild der Universität und den Sustainable Development Goals (https://sdg-portal.de)) bzw. der bedarfsgerechten öffentlichen Finanzierung (nicht nur) der Hochschulen – all das im Zusammenwirken mit den Gremien der akademischen Selbstverwaltung sowie in Kooperation mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Ein erfrischender Neubeginn wird sich lohnen. Er geht Alle etwas an.

Sitze Prozent Stimmen
Wahlbeteiligung: 11,5 % (-1,6)
Liste LINKS 3(+1) 6,6(+1,8) 335(+63)
harte zeiten 1(+/-0) 1,4(+/-0) 68(-9)
SDS 2(+/-0) 4,6(+0,1) 230(-23)
CampusGrün 7(-1) 15,2(-2,1) 768(-209)
UKEler vereint 5(+1) 9,8(+0,6) 496(-27)
Fridays f. Future 5(n.a.) 9,6(n.a.) 484(n.a.)
Exzellente Liste 1(+/-0) 2,0(-0,4) 99(-35)
Yichi Zhang 0(n.a.) 0,6(n.a.) 30(n.a.)
Regenbogen 0(+/-0) 0,6(+0,3) 46(+13)
Marvin 0(n.a.) 0,1(n.a.) 5(n.a.)
Jusos 4(+/-0) 7,4(-1,9) 371(-151)
LIGA 0(-1) 0,9(-0,5) 47(-35)
„CampusLinke“ 0(-1) 0,4(-1,4) 20(-80)
Unicorns 3(+/-0) 7,1(+1,0) 360(+14)
Schöne Zeiten 1(-2) 2,8(-2,9) 143(-179)
HSV 1(n.a.) 1,7(n.a.) 85(n.a.)
ErzwissPsych 1(n.a.) 1,3(n.a.) 66(n.a.)
SEPP 0(n.a.) 0,0(n.a.) 1(n.a.)
Antiautorit. Linke 0(-1) 0,7(-1,0) 36(-61)
„Emanz. wählen“ 0(n.a.) 0,2(n.a.) 20(n.a.)
FakeLISTElinks 0(-1) 1,0(-0,5) 51(-36)
„Grüne Freunde“ 1(+/-0) 1,2(-1,0) 59(-63)
LHG 2(n.a.) 3,6(n.a.) 183(n.a.)
WiWi-Liste 2(+/-0) 3,8(-0,4) 191(-47)
Jura-Liste 2(+/-0) 5,2(+0,5) 264(-6)
MIN-Liste 3(-2) 6,1(-4,0) 307(-263)
RCDS 2(-1) 4,5(-1,6) 225(-116)
Mensa-Great 1(+/-0) 1,3(+/-0) 63(-8)

n.a. = im Vorjahr nicht angetreten.

In diesem Jahr nicht angetreten ist die StudierendenIni (letztes Jahr 1 Sitz, 2,3%, 132 Stimmen)

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Lernen aus der Befreiung
Alle sind gefordert

„Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin
und alle, die wollen, dass Auschwitz nie wieder sei!
Wo stehen wir – dieses Land, diese Gesellschaft – 75 Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee? Plötzlich gab es keine Nazis mehr, damals, 1945 – alle waren verschwunden. Uns aber hat Auschwitz nicht verlassen.
Die Gesichter der Todgeweihten, die in die Gaskammern getrieben wurden, die Gerüche blieben, die Bilder, immer den Tod vor Augen, die Albträume in den Nächten.
Wir haben das große Schweigen nach 1945 erlebt – und wie das Unrecht – das mörderische NS-Unrecht – so akzeptiert wurde. Dann erlebten wir, wie Nazi -Verbrecher davonkommen konnten – als Richter, Lehrer, Beamte im Staatsapparat und in der Regierung Adenauer. Wir lernten schnell: die Nazis waren gar nicht weg. (... )
Es ist für uns Überlebende unerträglich, wenn heute wieder Naziparolen gebrüllt werden, wenn Menschen durch die Straßen gejagt und bedroht werden, wenn Todeslisten kursieren. Wir wollen uns nicht gewöhnen an Meldungen über antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Attacken in Berlin und anderswo, in Halle, wo nur stabile Türen die jüdische Gemeinde schützten, aber zwei Menschen ermordet wurden.“

Esther Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees der Bundesrepublik Deutschland.
„Offener Brief an die Regierenden und alle Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen”, erstellt am 26. Januar 2020. Unbedingt sehenswert: www.spiegel.de/politik/deutschland/auschwitz-ueberlebende-esther-bejarano-ich-weiss-was-kommt-a-17725641-30d9-4ed6-8bba-e2ba5091b032

 

„Die bürgerliche Revolution muß sich ins Ökonomische fortentwickeln, die liberale Demokratie zur sozialen werden.“

Thomas Mann, „Meine Zeit“, 1950.

 

„Auf diese drei Zutaten laufe alles hinaus: materielle Sicherheit, soziale Beziehungen, ein höherer Lebenszweck. »Viel mehr«, sagt Brockmann, »kann die Glücksforschung als Ratschlag nicht geben.«“

Kerstin Kullmann, „Die Vermessung des Glücks“, SPIEGEL“ Nr. 5/25.1.2020, S. 112-115, hier S. 115.
Hilke Brockmann ist Professorin für Soziologie an der Bremer Jacobs University.

Es bleibet dabei: Aus der Geschichte ist zu lernen. Wie beeindruckend und authentisch lehrreich das sein kann, macht Esther Bejarano deutlich. Eine (parlamentarische) Demokratie ohne positiv angewandte Erfahrung (siehe auch das Grundgesetz mit seinen vorangestellten Grundrechten), ein aufgeklärtes Menschenbild, konstruktive Dispute, soziale Sicherheit, kul turelle und politische Teilhabe ist ungenügend und in Krisenzeiten fundamental gefährdet. Sie bedarf – fortwährend – des gemeinsamen Engagements für Frieden, internationale Solidarität, sinnvolle Arbeit, den Vorrang der Kooperation respektive der aktiven Verwirklichung rundum menschenwürdiger gesellschaftlicher Lebensbedingungen. Lügen haben zwar kurze Beine, aber große Mäuler. Sie müssen lächerlich gemacht oder zum Schweigen gebracht werden.

Selbst die ein wenig modernistische Glücksforschung macht deutlich, daß je (sozial) gleicher eine Gesellschaft ist, desto glücklicher ist sie bzw. mache sie. Einfach, aber wahr: Korruption, Hunger und Krieg machen unglücklich. Was liegt da näher, als sich – mit anderen, den meisten – für Gewaltfreiheit, Fairneß, Gesundheit, demokratische Kontrolle, ein rationales Mensch-Natur-Verhältnis und angenehme soziale Lebens bedingungen einzusetzen? Unbedingte Karriere und Konkurrenz, das Starren auf Bildschirme und das Kleben auf dem Sofa, oberflächliche soziale Beziehungen und die ständige Angst vor Degradierungen aller Art machen keinesfalls glücklich. Die Persönlichkeiten entwickeln sich hingegen in ihrer solidarischen Ausweitung gesellschaftlicher Souveränität.

Auf diese Weise sind gleichfalls die Wissenschaften gefordert. Ein neuer Anlauf für ihre gesellschaftliche Verantwortung ist ihnen eindeutig angemessen. Die Überwindung der Mühsal der menschlichen Existenz steht wieder lockend auf der Tagesordnung. Entwicklung ist eine unendliche Geschichte.

(...)
Was können wir tun?

Ich will, dass wir alle aufstehen, wenn Jüdinnen und Juden, wenn Roma oder Sinti, wenn Geflüchtete, wenn Menschen rassistisch beleidigt oder angegriffen werden!

Ich will, dass ein lautes “Nein” gesagt wird zu Kriegen, zum Waffenhandel. Wer den letzten Krieg vergisst, der bereitet schon den nächsten vor.

Ich will, dass wir gegen die Ausbeutung der Menschen und unseres Planeten kämpfen, Hilfesuchende solidarisch unterstützen und Geflüchtete aus Seenot retten. Eine Gesellschaft muss sich messen lassen an ihrem Umgang mit den Schwächsten.

Ich fordere entschlossenes Handeln gegen das Treiben der Neonazis, denn trotz Grundgesetz und alledem konnten Abgeordnete einer neurechten Partei vom NS als “Vogelschiss in deutscher Geschichte” und vom Holocaust-Gedenkort in Berlin als “Denkmal der Schande” sprechen, konnte der NSU ein Jahrzehnt lang ungestört morden und die Neonazi-Gruppe “Combat 18” frei agieren.

Ich fordere, dass die Diffamierung von Menschen und Organisationen aufhört, die entschlossen gegen rechts handeln. Was ist gemeinnütziger als Antifaschismus? Es ist auch unerträglich, wenn ein paar Antifa-Aufkleber in Schulen Anlass für Denunziationen über Petzportale von neurechten Parteien sind. Niemand sollte für antifaschistisches Handeln, für gemeinsame Aktionen gegen den Hass, gegen alte und neue Nazis diskreditiert und verfolgt werden!

Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Wie viele andere aus den Konzentrationslagern wurde auch ich auf den Todesmarsch getrieben. Erst Anfang Mai wurden wir von amerikanischen und russischen Soldaten befreit. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.

Und dann können wir, dann kann ein Bundespräsident vielleicht irgendwann sagen: Wir haben aus der Geschichte gelernt. Die Deutschen haben die entscheidende Lektion gelernt.

Mit freundlichen Grüßen
Esther Bejarano
Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik
Deutschland e.V. (Vorsitzende)

„Offener Brief an die Regierenden und alle Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen”, s.o.

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Geist und Tat, wie schoin is dat
Eine produktive Allianz

„Freitag: Kritiker sagen, die Vermögenssteuer sei Enteignung.
Schürz: Enteignung ist hier der falsche Begriff. Enteignung unterstellt, dass es einen Naturzustand gibt, der über den Markt hergestellt wird. Aber Privateigentum entsteht überhaupt erst in einem sozialen Miteinander. Über das Zusammenspiel von Staat und Unternehmen hat die italienisch-amerikanische Ökonomin Mariana Mazzucato geschrieben. Ein Unternehmer nutzt zum Beispiel Wissen, das mit staatlicher Forschungsförderung entstanden ist. Er braucht Autobahnen, um seine Waren zu transportieren, und einen Flughafen, um sie zu verschicken. Er stellt Fachkräfte ein, die an öffentlichen Schulen und Universitäten ausgebildet wurden. Polizei und Gerichte sichern sein Eigentum rechtlich ab. Der Staat fördert also auch den Reichtum der Reichen und Überreichen. Es stellt keine Enteignung dar, wenn man sie besteuert, sondern es geht um die Aushandlung sozialer Verhältnisse.“

Martin Schürz (Ökonom und Psychotherapeut) im Gespräch mit „der Freitag“, Nr. 5/30.1.2020, S. 20.

 

„Abendblatt: Wird die Situation noch schlimmer durch den Brexit?
Loach: Wenn es keinen Deal gibt, wird es schlimmer werden. Das Ziel von Johnson und der konservativen Partei ist eine Wirtschaft mit niedrigen Löhnen und geringen Steuern für die großen Firmen. Es gibt keinen Schutz für Arbeiter und keinen Schutz für die Umwelt. Das wollen die Rechten. Wenn die Linke an der Macht wäre, könnten wir das besser hinbekommen, weil wir einen guten Handelsvertrag mit der EU abschließen würden. Wir könnten dann öffentliches Geld dort investieren, wo es nötig ist. Nämlich in Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit oder in den Umweltschutz.“

Der Regisseur Ken Loach im Interview mit dem „ Hamburger Abendblatt“, 3.2.2020, S. 17, anläßlich seines Films „Sorry We Missed You“, der das (sozial prekäre) Leben eines Kurierfahrers und einer Altenpflegerin zeigt.

 

„Dies Volk machte die Revolution [1789 in Frankreich] nicht, solange es nur hungerte; es machte sie, als es erfuhr, daß es eine Gerechtigkeit und Wahrheit gäbe, die in ihm beleidigt seien.“

Heinrich Mann, „Geist und Tat“, 1910.

Bücher

„Wenn der Mensch
von den Umständen
gebildet wird, so muß
man die Umstände
menschlich bilden.“

Karl Marx/Friedrich Engels,
„Die heilige Familie“
1844/45, MEW 2, S.138.

Das Kapital, für sich genommen, will dreierlei: Niedrige Steuern und Löhne wie Verkehrswege und -mittel, Schulen und Hochschulen und dabei noch gut ausgebildete Fachkräfte, die nicht aufmucken.

Das ist politisch und kulturell schlicht unvereinbar.

Es gibt mehr und mehr Stimmen in Politik, Wissenschaft, Kunst und Alltag, die begründet und nachdrücklich, auch in gesellschaftlichen Bewegungen, darauf hinweisen respektive notwendige Forderungen hinsichtlich der Verbesserung der allgemeinen und besonderen sozialen und kulturellen Lebensbedingungen in der – auch internationalen – Öffentlichkeit artikulieren.

Die bleckend lächelnden Dogmen des Neoliberalismus nach 1990 wie „End of history“, „Anything goes“ oder das TINA-Prinzip („There is no alternative“) geraten ins Wanken.

Auch der reaktionäre Rettungsversuch uneingeschränkter Marktgläubigkeit oder Kapitalbevorzugung durch den reaktionären skrupellosen Nationalismus à la Trump, AfD oder Johnson gerät unter starken Druck. Die positive Beantwortung der sozialen Frage – Beseitigung des Elends und Förderung des Allgemeinwohls –, adäquate Löhne, Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung; gewaltfreie internationale Beziehungen; die Herstellung der Mensch-Natur-Balance sowie ein aufgeklärtes und kooperatives Menschenbild greifen Raum in den gesellschaftlichen Mentalitäten. Ein Umbruch zeichnet sich ab.

Dies betrifft nicht zuletzt ebenso die positiv bestimmbare verantwortliche Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaften bzw. der bewußten Entfaltung all ihrer Mitglieder und Persönlichkeiten.

Für Frieden, zivile Entwicklung, Aufklärung und gesellschaftliche Teilhabe. So mögen bedarfsgerechte Finanzierung, Studienreform, Interdisziplinarität, soziale Persönlichkeitsentwicklung sowie ein wesentlicher Beitrag zur Kultivierung der Gesellschaft gelingen.

„Der Forschung Der Lehre Der Bildung“, wie es am Hauptportal der Universität und auf allerlei Briefköpfen zu lesen ist.

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Soziale Demokratie!
Eine wesentliche Schlußfolgerung

„Wer, wie dies die Extremisten [von der AfD] tun, die Feinderklärung in die Demokratie trägt, wer dem Volk das »Anti-Volk« als Feind gegenüberstellt, wer die Verantwortung vor der Geschichte leugnet, wer sich über das Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus lustig macht, wer Menschen aus dem Land jagen will, weil sie ihm nicht deutsch genug sind, wer von sich behauptet, er habe das Monopol der authentischen Repräsentation, wer Grundrechte und Grundwerte aushebeln will – der ist ein Feind der Demokratie. Man soll, man darf ihn nicht zum Populisten verharmlosen. (...) Und man ahnt und weiß, dass die Humanität wieder bedroht ist, massiv wie schon Jahrzehnte nicht mehr. Sie ist bedroht von Geschichtsvergessenheit, von neuem altem Antisemitismus, von rassistischer Unverfrorenheit, von gemeiner Rede und gemeiner Tat, von der Lust an politischer Grobheit, von Flegelei und Unverschämtheit, von der Verhöhnung von Anstand und Diplomatie, sie ist bedroht von einer rabiaten Missachtung des Respekts und der Achtung, die jedem Menschen zustehen.“

Heribert Prantl, „Die Selbstvergiftung der Demokratie“, „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“), 9.2.2020.

 

„Die Botschaft der Thüringer CDU-Landtagsfraktion jedenfalls ist unter dem Strich erstaunlich simpel: Sie lautet: alles, nur nicht links. Und: lieber mit Rechten kungeln, als mit der Linken an der Macht leben. Diese Haltung hat es in Deutschland schon einmal in der Endphase der Weimarer Republik gegeben. (...) So konnten die Nazis im bürgerlichen Lager Akzeptanz sammeln.“

AutorInnengruppe (20 JournalistInnen), „Thüringer Tollhaus“ (Titelgeschichte), „SPIEGEL“ Nr. 7 / 8.2.2020, S. 10-19, hier S. 14f.

 

„Der Gegensatz von Nationalismus und Sozialismus ist beschlossen in dem Gegensatz von Krieg und Frieden.“

Thomas Mann, „Vom kommenden Sieg der Demokratie“, 1938.

Eine menschenwürdige Gesellschaft und Zukunft ist friedlich, also gewaltfrei, sozial, also sicher, demokratisch, also aufgeklärt, hat Perspektive, also Geschichtsbewußtsein, ist fair, also souverän, kooperativ, also solidarisch, hat Verantwortung, also als internationale Gemeinschaft, hat kulturelles Niveau, also Freude an der humanen Sorgfalt und entwickelt ein rationales sowie balanciertes Verhältnis zur Natur. Das läßt sich, mit verschiedenen Akzenten, auch links nennen bzw. ist die Überwindung der tiefgreifenden Entwicklungskrise der menschlichen Zivilisation.

Da hat die sogenannte Mitte der Gesellschaft – hier insbesondere CDU und FDP – auf ganzer Linie versagt. Die absichtliche Kollaboration mit den Rechtsextremen der AfD – wobei Björn Höcke gerichtsnotorisch als Faschist bezeichnet werden kann – ist tatsächlich ein tiefgreifender Tabubruch, zumal angesichts historischer Erfahrungen. Das „Nie wieder Faschismus und Krieg!“ (1933-1945) oder gar das „Wehret den Anfängen!“ wurde schändlich ignoriert. Rot sei schlimmer als braun. Lieber Sumpf als ein erfreulicher Aufgang der Sonne.

Dieser Schritt ins Dunkel ist gefährlich und soll der Verhinderung einer sozialen, friedlichen und demokratischen Wende in der gesellschaftlichen Entfaltung dienen.

Dabei steht diese grundlegende politische und kulturelle Kurskorrektur zunehmend auf der Tagesordnung. Diese positive Veränderung zur Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen war schon 1945 angestrebt und sollte 1968 weiter und stärker verwirklicht werden.

Heute und besonders nach diesem Thüringer Desaster sind die uneingelösten Ansprüche der politischen, sozialen und kulturellen Menschenrechte, einschließlich der Beendigung des Raubbaus an der Natur, wieder neu zu verwirklichen. Dafür stehen auch die Sustainable Development Goals (SDGs) der UNO. Ebenso das gesellschaftliche Engagement von Vielen ist nachdrücklich zu berücksichtigen auch an den Hochschulen und bei der nahenden Bürgerschaftswahl. Wenn das nicht gut, schön und vernünftig ist, möge die Erde eine Scheibe sein.

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Aushalten oder ändern?
Eine dauerhafte Entscheidung

„Tatsächlich geht es mitunter nicht sehr sanft zu in den deutschen Büro-Etagen. Individualismus, Entsolidarisierung, mehr Eigenverantwortung, Verdichtung der Arbeit – das alles setzt die Menschen deutlich mehr unter Stress als früher. Seit Jahren jagt eine Depressionsstudie die nächste. Verbessert hat sich die seelische Gesundheit trotz aller Forschungen der Arbeitsmediziner und Psychologen nicht. Im Gegenteil. (...) Drei Bedingungen hat der Arbeitspsychologe Wehner identifiziert, die für ein gesundes Verhältnis des Arbeitnehmers zu seinem Job wichtig und damit die Grundvoraussetzung sind, am Arbeitsplatz nicht krank zu werden. Erstens: »Was ich mache, muss ich verstehen können«, sagt er. Zweitens: Was man tue, müsse zu bewältigen sein, nicht nur mit Blick auf die vorgegebene Zeit und das vereinbarte Salär, sondern auch auf die Unterstützung am Arbeitsplatz. Und drittens: »Die Tätigkeit muss sinnhaft sein.« Dabei gehe es nicht darum, in der Arbeit einen Sinn zu finden, sondern ihn mit seiner Arbeit zu schaffen. Mit Resilienz hat dies alles allerdings nur indirekt zu tun. »Resilienz kommt erst zum Tragen, wenn man in eine Situation gerät, in der diese drei Faktoren nicht gegeben sind«, sagt Wehner. Und das scheint immer häufiger der Fall zu sein.“

Inge Kloepfer, „So überleben Sie im Büro“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), Rubrik „Geld & Mehr“, 16.2.2020, S.25.

 

„Die Wahrheit lieben: anders wird keiner groß. Alle ihre Mächte lieben, Wissenschaft, Arbeit, Demokratie: diese große, arbeitende Menschheit, die hinauf will, los von den Beschönigungen und Ungerechtigkeiten der Vergangenheit.“

Heinrich Mann, „Zola“, 1915.

Wenn etwas falsch oder schädlich ist bzw. sich in der Praxis so erwiesen hat, gelte, eine Alternative zu ersinnen – ggf. zu erinnern – und zu verwirklichen.

Die „Resilienz“ gilt als psychische Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Dieses Konzept setzt auf „Akzeptanz“ respektive Unveränderbarkeit der Person und Umstände, auf „Optimismus“ und darauf, nicht nach den – strukturellen oder sozialen – Ursachen von Problemen zu suchen. Damit wird die Verantwortung für die seelische Gesundheit in das – letztlich immer schuldige – Individuum verlagert. Ein katholisches Prinzip. Die Probleme bleiben bestehen, ein weiteres Konzept der Selbstoptimierung findet seine schädliche Anwendung.

Tatsächlich geht es nicht nur in den Büro-Etagen unsanft zu: Gleiches gilt für das (noch nicht hinreichend reformierte) Ba-Ma-Studium, die BaFög-Bedingungen, die Hartz-IV-Behörden, den Straßenverkehr, den Wohnungsmarkt, die internationalen Beziehungen, das Mensch-Natur-Verhältnis sowie das politische Geschehen, soweit es durch rechte Unkultur oder dumme Oberflächlichkeit deformiert ist.

Deshalb mögen als universelle Alternative die grundsätzlich praktischen Gestaltungselemente Verstehen, Kooperation und Sinngebung durch eigene Tätigkeit zunehmend Anwendung finden: im Studium, in der Verfaßten Studierendenschaft, in der akademischen Selbstverwaltung, am Arbeitsplatz, in der Politik (innerhalb und außerhalb der Parlamente), in den internationalen Beziehungen sowie in der Gestaltung des alltäglichen Lebens.

Dafür ist es sinnvoll, den Blick zu heben für die gemeinsame Verantwortung bzw. die verwandten Anliegen und Interessen von Seinesgleichen. Das mindert den (negativen) Streß und zeigt auch nach und nach strukturelle Wirksamkeit. Jeder Versuch ist lohnend und schafft neue Möglichkeiten. Wahrheitsfindung ist eine sehr praktische Angelegenheit.

„Geist ist Tat, die für den Menschen geschieht;- und so sei der Politiker Geist, und der Geistige handle!“

Heinrich Mann, a.a.O.

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Eine angemessene Antwort
Zu den Bürgerschaftswahlen und darüber hinaus

„Den Stimmenanteilen nach verkörpert Rot-Grün das Lebensgefühl von zwei Dritteln der Wähler. (...) Die AfD war 2015 in Hamburg erstmals in ein westdeutsches Landesparlament eingezogen Jetzt fehlte es der Partei an Themen. Und [nach] dem Mord an Walter Lübke, dem Anschlag von Halle und dem Attentat von Hanau war für die geistigen Brandstifter nichts mehr zu gewinnen.“

Daniel Deckers, „Die eigentliche Überraschung“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), S. 1 (Leitkommentar) 24.2.2020.

 

„Und darum dehne und strecke ich mich auf der kühlen Straße, wenn ich von den ganz reichen Leuten komme, und sage zu Paul: »Paule, wo jehn wir denn jetzt hin –?« Und dann gehen wir noch wohin und trinken einen Topf irgendeiner nassen Sache und bereden es alles miteinander und sind heilfroh, dem Backofen des Reichtums entkommen zu sein.“

Kurt Tucholsky, „Banger Moment bei reichen Leuten“, 1928.

Daniel Deckers (s.o.) von der „Zeitung für Deutschland“ kommt der adäquaten Erfassung der Tatsachen recht nahe: Zwei Drittel der Wählenden in Hamburg haben ihrer rot-grünen Gesellschaftsauffassung Ausdruck verliehen. Nimmt mensch die LINKE dazu, sind es 72,5 Prozent. Das gelb-schwarz-braune Terrain macht hier lediglich 21,4 Prozent aus.

Zu diesem letztlich recht positiven Gesamtergebnis haben sicherlich nicht die vielen Großplakate, die überschminkten Gesichter, lockere Sprüche und suggestive Farben geführt. Auch die linksliberal realpolitischen Versprechungen von SPD und Grünen haben nicht nur Begeisterung hervorgerufen.

Vielmehr haben die heilsamen Schocks von Thüringen (politischer Tabubruch) und Hanau (rechter Terror) zu progressiven Gegenreaktionen geführt, die auch ihren Ausdruck in einer höheren Wahlbeteiligung fanden, die der eher linkeren Seite des Parlaments zugute kamen. Außerdem gibt es seit geraumer Zeit in dieser Stadt Aktivitäten, Engagement und Bewegungen für Frieden, Antifaschismus und soziale Gerechtigkeit – so z.B. die „Schuldenbremse“ zu streichen (schluss-mit-austeritaet.de), die öffentlichen Einrichtungen zu stärken, die Rüstungsexporte (ziviler-hafen.de) zu stoppen, international solidarisch zu handeln, den Klimawandel zu stoppen und aus der Geschichte zu lernen. Das politische Einwirken der Bevölkerung wächst. So konnten die CDU, die AfD und die FDP (an der 5-Prozent-Hürde gescheitert und nur noch durch ihre Erstkandidatin über ein Direktmandat in Blankenese in der Bürgerschaft vertreten) politisch „bestraft“, d.h marginalisiert werden.

Daraus ergibt sich ganz gewiß kein „Weiter so!“. Die außerparlamentarischen Aktivitäten zur Verbesserung der sozio-kulturellen Lebensbedingungen sollten fortgesetzt und weiterentwickelt werden. So sind wir der Souverän. Das kommt auch im Rathaus an. In diesem Stadtstaat.

Heiter und im Ernst:

„Keine Gesellschaft kann auf Dauer bestehen, die dem Reichtum einiger weniger Vorrang gegenüber der Armut der Mehrheit gibt.“

Peter Ustinov, „Der Markt frisst seine Kinder“, November 1997.

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Suizid = „Selbstbestimmung“?
Mehr Leben wagen!

„Dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts erlaubt nicht nur die Hilfe beim Sterben, es erlaubt ausdrücklich die Hilfe zum Sterben; es erlaubt also die Sterbehilfe, es erlaubt jedwede Beihilfe zum Suizid, auch die bisher verbotene geschäftsmäßige Beihilfe. (...) Es verändert ja den Blick auf das Leben, wenn es nun gleichermaßen ein Recht auf Sterben wie ein Recht auf Leben gibt, wenn also der Tod so richtig und so wichtig ist wie das Leben. (...) Das Recht kann zu einem selbstbestimmten Leben beitragen; die Mittel und die Methoden sind freilich komplexer, als die Erlaubnis zu erteilen, einem kranken oder lebensmüden Menschen ein tödliches Medikament zu verabreichen. Lebenshilfe ist komplizierter, aufwendiger und teurer als Sterbehilfe: Zur Lebenshilfe gehört ein anständiges Mindesteinkommen; eine Rente, von der man leben kann; ein Grundrecht auf Wohnen und ein menschenwürdiges Existenzminimum; ein Grundrecht auf Kommunikation und auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben; und, natürlich, ein Recht auf Bildung und Förderung gerade dann, wenn man in prekären Verhältnissen lebt.“

Heribert Prantl, „Tödlicher Ernst“, „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“), 1.3.2020.

 

„In 17 Jahren hauptamtlicher Tätigkeit in der Palliativmedizin habe ich die Option einer Todestablette für einen Patienten nicht einmal wählen müssen.“

Nina-Kristin Eulitz, Palliativmedizinerin und Leiterin des Zentrums für Palliativmedizin der DRK-Klinken in Kassel, im Gespräch („Sterben ist kein Spaziergang“) mit „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 1.3.2020, S. 15.

 

„Als Neurologe und Psychiater in Klinik und eigener Praxis habe ich etliche Patienten behandelt, die einen oder mehrere Suizidversuche überlebten. Die allermeisten waren froh, dass sie gerettet wurden – ich schätze, ca. 95 Prozent. (...) Das Verfassungsgericht tut so, als ob jeder auf einer Insel lebe und machen und sich wünschen könne, was er wolle. Aber das ist nicht so.“

Dr. Andre Remsch, Hamburg, „Leserbrief der Woche“ („Sterbehilfe-Urteil verfehlt“), „Hamburger Abendblatt“, 29.2./1.3.2020, S. 2.

In der Bundesrepublik Deutschland sind im Jahr 2017 nach Angaben der Deutschen Depressionshilfe 9.241 Menschen durch Suizid verstorben. Die Mehrheit dieser Menschen hat an einer psychiatrischen Krankheit gelitten (90 Prozent), am häufigsten an einer Depression (über 50 Prozent). Für die Deutsche Depressionshilfe gilt demzufolge eine erfolgreiche Behandlung der psychischen oder psychiatrischen Erkrankung als die beste Suizidprävention.

Auch wenn nur ein kleiner Teil der Betroffenen auf schwierige und bedrückende Ereignisse und Bedingtheiten mit Suizidvorstellungen oder suizidalem Verhalten reagiere, können „kritische äußere Ereignisse, die mit großer Hoffnungslosigkeit verbunden sind, wie Partnerschaftskonflikte, Schulden, Arbeitslosigkeit, chronische Erkrankungen oder Trennungen (...) suizidale Handlungen auslösen.“ Der größte soziale Druck auf die Menschen entsteht mithin durch die Hoffnungslosigkeit bzw. dadurch, daß das Leben nicht mehr zu bewältigen oder positiv zu gestalten sei. Hierbei spielen stark verinnerlichte Schuld- und Schamgefühle eine wesentliche Rolle.

Bei (weil noch nicht heilbar!) tödlich verlaufenden Krankheiten sieht die entwickelte Palliativmedizin – beispielsweise bei Krebspatienten –, über die wirksame Schmerzlinderung hinaus, eine Symptomkontrolle, psychosoziale Unterstützung und die Hilfe bei Entscheidungen vor.

So läßt sich insgesamt konstatieren: Die Prävention und sorgfältige/erfolgreiche Behandlung von – auch bislang tödlichen – Erkrankungen, die Verbesserung der sozialen und kulturellen Lebenslage aller Menschen, die Beseitigung der Hoffnungslosigkeit und auch des Schuldkomplexes sind gesellschaftliche Unternehmungen bzw. dringende Maßnahmen, die gemeinschaftliche Selbstbestimmung der Individuen zu stärken, Perspektive zu bilden und das gesellschaftliche Leben erfreulicher zu machen.

„IN DER ERKENNTNIS, daß sich diese Rechte aus der dem Menschen innewohnenden Würde herleiten, IN DER ERKENNTNIS, daß nach der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das Ideal vom freien Menschen, der frei von Not und Furcht lebt, nur verwirklicht werden kann, wenn Verhältnisse geschaffen werden, in denen jeder seine wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ebenso wie seine bürgerlichen und politischen Rechte genießen kann, (...)“

„Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“, 1966.

Für die Hoffnung und ein besseres Leben!

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Frieden als Entwicklung
Eine notwendige Wandlung

„Die USA, Russland, Frankreich, Deutschland und China sind die größten Waffenlieferanten der Welt. Gemeinsam waren die fünf Länder zwischen 2015 und 2019 für mehr als drei Viertel aller Rüstungsexporte weltweit verantwortlich. Zu diesem Ergebnis kommt das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI in seiner jüngsten Studie. (...) Deutschland steigerte seine Exporte um 17 Prozent. (...) Neben den USA, Frankreich und Deutschland steigerten auch Israel und Südkorea ihre Exporte deutlich. Israel, das auf einen Zuwachs von 77 Prozent zurückblickt, verzeichnet die höchsten Rüstungsexporte in seiner Geschichte.“

Alexander Sarovic, „SIPRI-Studie / Diese Länder verkaufen die meisten Waffen“, „SPIEGELONLINE“, 9.3.2020.

 

„Wir müssen der Wirtschaft helfen, wettbewerbsfähig zu bleiben – auch über Bürokratieabbau und schnelles Planungsrecht. Wir brauchen ein Entfesselungspaket.“

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im Gespräch mit „Hamburger Abendblatt“ („Wir müssen jetzt der Wirtschaft helfen“), 7./8.3.2020, S. 3.

 

„Es gibt nur einen Weg, auf dem der Mensch das immerwährende Glück, zu dem seine Natur fähig ist, empfangen kann: die Vereinigung und die Zusammenarbeit aller zum Vorteil eines jeden.“

Robert Owen, „Das soziale System“, 1826.

Contra el bien general
Francisco de Goya, „Desastres de la guerra” (1810-14),
Blatt 71, „Gegen das Allgemeinwohl.”

Es läßt sich fragen: Was, bitteschön, ist ein „Entfesselungspaket“? Ein Karton, in dem sich jemand entfesselt? Ein Paket, das entbunden wird? Ein Behältnis, das Entfesselungswerkzeuge enthält?

Wie auch immer: Eine Metaphorik, die zum Schmunzeln Anlaß bietet.

Die internationale Menschengemeinschaft hat gewiß große Probleme oder Aufgaben zu bewältigen:

Hunger, Elend und Not sind zu überwinden; die Klimakrise ist zu bewältigen; Krankheiten ist vorzubeugen oder sie sind zu heilen; aufgeklärte Bildung und anregende Kultur ist für Alle zu schaffen; sinnvolle und ausreichend bezahlte Arbeit ist zu erwirken; Solidarität und Kooperation sind die Alternative zu Konkurrenz, Krieg und Egoismus – die Welt benötigt diesen Wandel.

Krieg und Waffen sind für diesen Wandel rundum ungeeignet. Sie zerstören, schaffen Elend und binden materielle, geistige und kulturelle Potentiale, die für sinnvolle und nützliche Aufgaben verwendet werden können und müssen.

Krieg oder Frieden ist somit ebenso der Gegensatz bzw. Widerspruch zwischen Entwicklung und Verwicklung, zwischen Not und Erleichterung der Mühsal der menschlichen Existenz.

Hier sind Alle in allen gesellschaftlichen Bereichen gefordert – in Politik, Kultur und Wissenschaft.

Dabei bedarf es in der politischen Gestaltung der Gesellschaft mehr als der Delegation des Handelns auf die üblichen Amtsträger. Politische Gestaltung ist Allen möglich: in Parteien und Gewerkschaften, in außerparlamentarischen Bewegungen und in der Interessenvertretung.

Was die Wissenschaften anbetrifft, so sollten sie zunehmend friedensorientiert (s.o.) und stärker eingreifend sein – für „die Zusammenarbeit aller zum Vorteil eines jeden.“

Das ist sinnstiftend, produktiv und wirksam. (SIPRI ist ein gutes Beispiel.)

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Jakobinersperling